Eine Donau wie damals?

Renaturierungen erfolgen nicht für die Fisch.

Die Donauauen.
Ein Fluss, der einen natürlichen Lauf nehmen kann, bringt einige Vorteile mit sich. Bild: Kovacs.

»Die Donau ist ohne Zweifel eine der wundervollsten Wasserstraßen der Welt, die nicht nur in wirtschaftlichen Belangen gleich zehn Ländern eine lebenswichtige Basis am Wasser ermöglicht«, heißt es im ersten Satz des Beitrags der Infothek des Klimaschutzministeriums (BMK) zum Titel »schützenswerte Naturjuwele an der Donau« (verfasst am 15. Juni 2018). Dass die Strome sogar im eigenen Land mitunter auf die Funktion der Wasserstraßen reduziert wurden, hat teils längst bekannte und spürbare Auswirkungen, aber auch solche, die erst durch den fortschreitenden Klimawandel deutlich sichtbar werden. 
Als 1866/67 Johann Strauß (Sohn) der schönen blauen Donau sein (unser) Lied komponierte, war die Donau (nicht nur in Niederösterreich) weitgehend ungezähmt. Blau war sie streng genommen hierzulande auch damals eher nicht, wie dank einer ausgeprägten Dokumentationskultur der beobachteten Donauwasserfarben überliefert ist. Die grundlegenden Veränderungen durch die Regulierungen vor allem des 19. Jahrhunderts und die weitere Verbauung im Lauf des 20. haben dem titelgebende Fluss wie seinen Ufern als Sehnsuchtsort und BesucherInnenmagnet keinen Abbruch getan.

Das Projekt Dynamic Life Lines Danube wird von mehreren Projektträgern durchgeführt. Darunter der Nationalpark Donau-Auen, die Viadonau und auch der WWF.

Erst Hochwasserereignisse im späten 20. Jahrhundert haben den Stimmen, die etwa das Trockenlegen natürlicher Überschwemmungsgebiete prinzipiell problematisiert haben, breiteres Gehör verschafft, erste Rückbauprojekte enstanden. Auf dem Gebiet des heutigen Nationalpark Donau-Auen etwa schon knapp vor dessen Gründung. Doch auch im Nationalpark fließt die Donau freilich nicht in einem natürlichen Flusssystem. Renaturierungen passieren auch hier abschnittweise, in Abstimmung mit den Anforderungen an Hochwasserschutz, an die Wasserentnahmebedürfnisse der umliegenden Gemeinden, an Verkehr und Tourismus. Weite Teile des Flusssystems werden auch im Nationalpark nicht sich selbst überlassen – es gilt, Kompromisse für einen schiffbaren Fluss zu finden. »Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Donau sind vielfältig« wirbt Stefan Schneeweihs, Gewässerökologe im Nationapark Donau-Auen, um Verständnis für die teils gegensätzlichen Interessen in der Gestaltung oder eben Nicht-Gestaltung des Flussystems.

Es soll u. a.  25 km an Nebenarmen wieder mit der Donau verbinden, davon 12 km in Österreich. Dadurch soll wieder mehr Wasser in die Au gebracht und 1500 ha Auwald wieder naturnaher werden.

Der Zweck im Fluss

Denn die unterschiedlichen gesellschaftlichen und ökologischen »Funktionen« der Donau müssen dringend besser unter einen Hut gebracht werden, das geben einerseits schon beschlossene europäische Zielsetzungen vor, die in Österreich (bis zum Jahr 2027) auch ganz konkret weitere Renaturierungsmaßnahmen bei Flüssen notwendig machen; andererseits sorgen Dürreperioden dafür, dass neben Hochwassereignissen nun auch in der Bevölkerung die Sorge um die Wasserstände der Fließgewässer und die Grundwasserpegel wächst. 
Wie sich Renaturierung auch in diesen Kontexten positiv auswirkt, ist im Gegensatz zu den Vorteilen für den Artenschutz noch wenig bekannt. Es gebe neben den »inzwischen bekannten Vorteilen hinsichtlich Erhalt von Lebensräumen von für Flusslandschaften typischen Arten« aber auch viele andere Profiteure, erklärt Schneeweihs. Die bekannten, das wären etwa strömungsliebende Fische, kiesbrütende Vögel, Schwarzpappeln, Weiden. Lieber spricht er da zum Beispiel schon über die wirbellosen Kleintiere, die in den Schotterbänken leben und anonym bleiben können – »man muss sie nicht immer einzeln namentlich aufzählen, sie finden in natürlichen Flusslandschaften einen Lebensraum«. 
Obwohl sie freilich keinen solchen Grund zum Dasein bräuchten, »Funktionen« im Ökosystem Flusslandschaft und auch Nutzen für den Menschen hätten sie schon: »Sie tragen zum Beispiel zur Reinigung des Wassers bei, filtrieren es.« Neben Aspekten der Wasserqualität wirken natürlichere Flusslandschaften auch positiv auf die Wasserquantität: Und zwar sowohl gegen die Eintiefung von Flussbetten als auch für bessere Aufnahme des Wassers in die Böden. Denn einerseits transportiert die Donau aus dem Gebirge Schotter mit – das sogenannte Geschiebe – und da Flussregulierungen die Fließgeschwindigkeit des Wassers erhöhen, wird auch mehr davon weggetragen. Durch die Errichtung von Wehren, Staudämme oder Wasserkraftwerke kann sich das Geschiebe außerdem nicht natürlich verteilen, sondern es kommt zu Eintiefungen vor allem in den Flussbereichen nach diesen Verbauungen. 

2020 bei Hainburg fertiggestellt: Der Spittelauer Arm, die bisher intensivste Gewässervernetzung eines Seitenarmsystems im Nationalpark Donau-Auen. Bild: Biorama.

Little Canyons

Diese Eintiefungen bedeuten nicht nur ein Absinken der Fluss- und Uferbereiche, sondern teilweise auch des Grundwasserspiegels. Der Fachmann spricht dabei von einem veränderten Querprofil: »Die unregulierte Donau, etwa im Bereich des Nationalparks, war ein weites System, wie ein Netz an Wasserläufen – das hat sehr viel Platz eingenommen – durch die Regulierung hat man den Fluss eingezwängt. Und durch die Renaturierungen errreicht man eine Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit und wirkt der Eintiefung in diesem Bereich entgegen.« Die Anbindung von Seitenarmen sorgt außerdem dafür, dass auch wieder Geschiebe ins System kommt. Dort, wo der Fluss dann wieder ein Netz aus Fluss und Nebenarmen bildet, verbessert sich die Verbindung zwischen Oberflächenwasser (also Fluss) und Grundwasser. Das liegt an einer größeren Durchlässigkeit der Sedimente, die Oberflächenwasserschichten und Grundwasserschichten voneinander trennen. Scheeweihs erklärt dies anhand eines Beispiels: »Wenn sich etwa Schlamm in abgetrennten Seitenbereichen des Flusses abgelagert hat, dichtet der die Verbindung zum Grundwasser ab. Wenn wieder Strömung in die Seitenarme einer Au kommt, werden sie durchspült und es entsteht ein kiesiges Gewässerbett mit einer guten Verbindung zwischen Fluss und Grundwasser.«

Mehr Auen in den Nationalpark

Renaturierungsprojekte sind in den vergangenen Jahrzehnten an einigen Donauabschnitten bereits erfolgt, darunter eine Handvoll auch im Nationalpark Donau-Auen. Gerade dort, wo der Natur schon verhältnismäßig viel Platz eingeräumt wird, ist der Effekt der Revitalisierung von Ufern und der Wiederanbindung von Seitenarmen besonders groß, da die Donau hier »frei fließt«, erklärt Schneeweihs. »Die Strecke ist nicht durch ein Kraftwerk unterhalb stark eingeschränkt. Dadurch kann der Fluss mit eigener Kraft die Aulandschaft formen.«

Die Gewässervernetzung bei Haslau-Regelsbrunn.
Fast so umfangreich wie der Anschluss des Spittelauer Arms: Die Gewässervernetzung bei Haslau-Regelsbrunn. Bild: Biorama.

Das erste Revitalisierungsprojekt im Nationalparkgelände wurde 1995 durchgeführt und das bisher letzte 2020 bei Hainburg fertiggestellt: Der Spittelauer Arm war die laut Stefan Schneeweihs bisher intensivste Gewässervernetzung eines Seitenarmsystems im Nationalpark Donau-Auen – und demnächst soll in Haslau-Regelsbrunn mit der nächsten, ähnlich umfangreichen, begonnen werden. Konkret durch die Entfernung von Uferbefestigung und die Entfernung von Barrieren im Verlauf des alten Seitenarm-Systems. Dem Fluss wird hier also einiger Spielraum wiedereröffnet, finanziert werden beide Projekte im Rahmen von »Dynamic Life Lines Danube« – das grenzüberschreitend in Österreich und der Slowakei zur Renaturierung der Donau und ihrer Auen konzipiert wurde und im Rahmen des größeren EU-Förderrahmens »Life« der EU kofinanziert wird.
Umbaumaßnahmen dieser Größenordnung sind nicht nur aufgrund ihrer unmittelbaren ökologischen Auswirkungen bedeutsam, sondern auch aufgrund ihrer Vorbildwirkung für Regionen, in denen man der Vereinbarkeit einer schiffbaren Wasserstraße mit der Verfolgung von Biodiversitäts- und Umweltschutzzielen skeptischer gegenübersteht, wie mehrere der Projektträger betonen. Flussabschnitte, die sich für Renaturierungsprojekte eignen, gäbe es aber auch in Österreich noch genug, stellt Schneeweihs klar: »Überall entlang der österreichischen Donau gibt es noch Potenzial für Renaturierungen. Auch in den Stauräumen von Kraftwerken finden Renaturierungsprojekte statt, auch wenn sich dort die Voraussetzungen von der frei fließenden Nationalparkstrecke unterscheiden.« Es müssten allerdings im Stauraum eines Kraftwerks andere Maßnahmen getroffen werden als etwa im Nationalpark – die unterschiedlichen Gegebenheiten würden vorgeben, was auf einem Abschnitt möglich und sinnvoll ist. Eine Donau wie früher könne man nicht mehr herstellen – »weil die Gesellschaft auch andere Ansprüche stellt« – aber man kann sich Schneeweihs zufolge sehr weit an natürliche Zustände annähern, so weit, dass wir wieder ein ökologisch intaktes Flusssystem Donau vorfinden. 

Stefan Schneeweihs.

Stefan Schneeweihs ist im Natioanlpark Donau-Auen für die Wasserbauprojekte verantwortlich. 

Hier gibt es mehr über die Renaturierung von Flüssen und Bächen und ihr wichtigen Uferbewuchs nachzulesen.

BIORAMA Niederösterreich #11

Dieser Artikel ist im BIORAMA Niederösterreich #11 erschienen

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