Oase Böheimkirchen

Eine Stadt, die sich am Fluss gebildet hat, hat diesen nun auch als Erholungsraum für ihre BürgerInnen gestaltet.

Der Michelbach.
Ein gescheitertes betoniertes Hochwasserschutzprojekt führte zur Renaturierung des Michelbachs. Bild: EZB TB Zauner.

Wer im Zentrum Böheimkirchens im Kaffeehaus von seiner Tasse aufblickt, kann direkt die Ergebnisse eines Klimaschutzprojektes betrachten: In den Jahren 2016 bis 2018 wurde hier ein 4,3 Kilometer langer Abschnitt des Michelbachs, der direkt durch den Ort fließt renaturiert. Der so geschaffene Naturraum ist gleichzeitig auch als Freizeitoase für die BürgerInnen gedacht. Die ökologische Sanierung gemäß der EU Wasserrahmenrichtlinie betrifft einen Abschnitt vom Ortskern bis zur Katastrale Furth. Der Fluss war zuvor begradigt worden und es gab hier sechs Wehre, die Wasserqualität wurde als niedrig eingestuft, die Fischpassierbarkeit war nicht gegeben und das Bachbett war monoton, meist überall gleich tief und bei Niederwasser sehr seicht, es fehlte eine ausgeprägte Abfolge von seichten strömenden Bereichen (Furten) und tiefen Bereichen (Kolke). Das ist nun alles anders.

EU-Wasserrahmenrichtlinie

Die Richtlinie trat im Jahr 2000 in Kraft und zielt darauf ab, bis 2015, mit Ausnahmen spätestens 2027, einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand für Oberflächengewässer und ein gutes ökologisches Potenzial und einen guten chemischen Zustand für erheblich veränderte oder künstliche Gewässer zu erreichen.

Natürlicher Hochwasserschutz

Dass es soweit gekommen ist, war lange nicht zu erwarten. Denn geplant war eigentlich ein betonierter Hochwasserschutz, der letztlich an den Bauern, die die dafür nötigen Flächen nicht abgeben wollten, gescheitert ist. Maggie Dorn-Hayden war als eine der Ersten froh über dieses Scheitern, denn die Umweltgemeinderätin von Böheimkirchen hatte immer schon andere Vorstellungen. Sie wies auf die ökologischen Folgen der technischen Lösung eines betonierten Damms hin und setzte sich auf breiter Front für eine ökologische Lösung ein, die durch Retentionsraum Hochwasserspitzen abmildert und gleichzeitig dem Klimaschutz und der Artenvielfalt dient. Gemeinsam mit dem ehemaligen Bürgermeister Johann Hell setzte sie sich für die Renatierung ein und brachte das Land und die Bevölkerung auf ihre Seite. »Die Idee einer Freizeit- und Erholungszone, einer Überflutungszone, die als Freizeitoase nutzbar ist, hat schließlich überzeugt«, erzählt sie: »Nun können Familien mit Kindern hier ihre Freizeit verbringen und der Natur konnten wir etwas zurückgeben.« Zu den ökologischen Maßnahmen zählte der Abbau hoher Wehre, eine Mäandrierung des Wasserlaufs, durchgängige Fischpassierbarkeit dank Fischaufstiegshilfen, die Schaffung von Laichplätzen und mehr Biodiversität durch Ufervegetation. Die gepflanzten Bäume und Büsche sind nicht nur Lebensraum von Vögeln und Insekten, sondern sorgen auch für Schatten und damit kühleres Wasser, das Fische brauchen. 

Ausgezeichnet

Das Projekt »Renaturierung Michelbach« gewann den »Climate Star 2018« der europäischen Geschäftsstelle des österreichischen Klimabündnisses, den Energy Globe Award, wurde 2023 niederösterreichischer Landessieger beim Neptun Staatspreis Wasser und aktuell für den länderübergreifenden »Adapterra Awards« für Klimawandelanpassungen im tschechisch-österreichischen Grenzgebiet nominiert.  

Schlüssellebensräume

Begleitet wurde das Projekt vom Ökologen Martin Mühlbauer, dem Leiter der Gruppe gewässerökologische Planungen bei »Ezb Zauner – Technisches Büro für Angewandte Gewässerökologie und Fischereiwirtschaft«. Er erinnert sich: »Der Michelbach verläuft heute reguliert und begradigt. Das Umland ist genutzt durch Siedlungen und Landwirtschaft. Eine zentrale Überlegung bei der Planung war, wie unter diesen beengten Rahmenbedingungen ein Maximum an dynamischen Flussstrukturen wiederhergestellt werden kann.« Wichtige Schlüssellebensräume wie Kiesbänke, überströmte Kiesfurten, Tiefenstellen (Kolke) und Ufervegetation sollten sich möglichst natürlich ausprägen können: »Da die Wasserführung des Michelbachs in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist und die sommerliche Wassertemperatur deutlich zugenommen hat, ist beispielsweise die Äsche, eine Kaltwasser benötigende Fischart, hier schon vor rund 30 Jahren ausgestorben. Damit das nicht auch noch mit anderen Kaltwasserarten wie der Koppe und der Bachforelle passiert, wird darauf geachtet, dass sich zukünftig eine durchgehende Beschattung der Ufer entwickeln kann. Durch die nun ausgeprägte Abfolge von Furten und Kolken ergibt sich ein Wasseraustausch mit dem Grundwasserbegleitstrom, so dass sich im Sommer kühles Wasser in den Kolken sammeln kann.« Diese tieferen Stellen sorgen auch dafür, dass der Fluss im Sommer nicht austrocknet. Durch den Rückbau von drei Wehren und den Bau von Fischwanderhilfen ist der Flussabschnitt nun auch wieder durchgängig für Fische.

Neptun Staatspreis Wasser

Der Neptun Staatspreis für Wasser ist der österreichische Umwelt- und Innovationspreis für nachhaltige Wasserprojekte. Er wurde 1999 als Neptun Wasserpreis gegründet, um die Bedeutung der Ressource Wasser zu verdeutlichen – seit 2023 wird er als Staatspreis ausgelobt. 

Das war erst der Anfang

Nach seinem Abschluss gewann das drei Millionen teure Projekt, das von Bund (1,8 Milionen Euro), Land (0,9 Millionen Euro) und der Gemeinde (300.000 Euro) finanziert wurde, einige Umweltpreise. Das Thema Michelbach ist damit aber nicht abgeschlossen. Der Abschnitt ist heute ein Ziel von Schulexkursionen zum Kennenlernen des Naturraums Fließgewässer und nicht nur Martin Mühlbauer denkt bereits an die Renaturierung weiterer Flussabschnitte: »Zukünftige Ziele sind, dass die angrenzenden Flussstrecken auch renaturiert und durchgängig für Fische werden, damit viele weitere Arten, wie die Massenfischarten Barbe und Nase aus dem Unterlauf und der Donau zuwandern können.« Maggie Dorn-Hayden freut sich über den Green Deal der EU und die Bewegung, die nun auch in den Gesetzgebungsprozess zum »Nature Restoration Law« (Renaturierungsgesetz) der EU gekommen ist. Denn sie geht davon aus, dass es künftig zu einer Beschleunigung sowohl der Entscheidungen in Renaturierungsfragen als auch der Freigabe der dazu benötigten Mittel kommt. Sie hofft, dass im Rahmen der Renaturierungsprozesse auch mehr Bewusstsein für die Vorteile natürlicher Landschaften entsteht – wie eben der natürliche Hochwasserschutz. Dieses Umdenken könnte zu mehr begleitenden Maßnahmen führen, damit die Naturräume ihre volle Wirkung entfalten können: »Es geht, darum Wehre abzubauen, es braucht mehr Bäume, man sollte seltener mähen um die Biodiversität zu fördern oder auch mehr Freihaltestreifen einrichten, die verhindern, dass bei Regen die Dünge- und Spritzmittel aus der Landwirtschaft oder auch Sedimente in die Flüsse gewaschen werden.« An Ideen für mehr Renaturierungszonen und Umweltschutz mangelt es jedenfalls nicht. 

Mit den Auswirkungen von Flussrenaturierung hat sich BIORAMA bereits an anderer Stelle befasst.

BIORAMA Niederösterreich #11

Dieser Artikel ist im BIORAMA Niederösterreich #11 erschienen

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