Bedroht Instagram die Spiritualität von Yoga ?

Der 21. Juni ist Weltyogatag. Yogis auf der ganzen Welt feiern ihn zur selben Zeit mit einer Runde Yoga, den Ablauf dafür gibt die indische Regierung vor. Yoga ist für viele Menschen eine tief spirituelle Praxis, doch das Bild von Yoga hat sich in den letzten Jahren geändert. Nicht zuletzt dadurch, dass Yogaposen ein beliebtes Instagram-Motiv sind.

Yoga ist uralt. Die Praxis geht auf hinduistische Schriften zurück, die erst nur mündlich überliefert wurden, weswegen manche schätzen, dass Yoga über 5000 Jahre alt ist. In einem Instagram-Feed würde das „Yoga“ von damals allerdings heute niemand als solches erkennen. Yoga war zu Beginn eine spirituelle Praxis, die auf Liedern, Mantras und Ritualen beruhte. Verrenkungen in bunten Leggings? Eher nicht.

Heute ist Yoga für viele einfach ein Workout. Fotos von Yoga-Posen bekommen auf Instagram zehntausende Likes. Besonders beliebt sind Fotos und Videos von möglichst akrobatisch anmutenden Posen. Anlässlich des nahenden Weltyogatags am 21. Juni haben wir bei einer langjährigen Yogalehrerin nachgefragt, ob die Vorstellung, die Instagram von Yoga vermittelt, unter den Yoga-Profis als eher kontraproduktiv eingestuft wird und ob sich Yoga in jüngster Vergangenheit auch im echten Leben verändert hat.

Was hat sich am Yoga in den vergangenen zehn Jahren geändert?

Birgit Pöltl: Yoga ist vor allen Dingen aus der Esoterik-Schublade herausgekommen und rein in ein Lifestyle- oder auch Gesundheitssystem, dem man vertraut. Ich habe das Gefühl, dass es mittlerweile wirklich ernst genommen wird und dass viele Menschen auch genug Vertrauen haben, um in ein Yoga-Studio zu gehen.

Ist die spirituelle Seite von Yoga nicht mehr so wichtig?

Birgit Pöltl: Als ich mit Yoga begonnen habe, um das Jahr 2000 herum, hab ich die Worte “spirituell” oder “Esoterik” kaum in den Mund genommen, weil ich mir gedacht hab, damit verschreckt man die Leute. Mittlerweile ist der Markt einfach so breit, dass viele ganz unspirituell mit Yoga beginnen. Ich finde, es ist egal, wie man mit Yoga anfängt. Das Ziel ist es, bewusster und achtsamer zu werden. Irgendwann kommt man dann automatisch in spirituelle Themen rein.

Foto: Reinhard Steiner

Ist das Ziel von Yoga immer, zu Spiritualität zu finden?

Birgit Pöltl: Auf  jeden Fall. In jeder meiner Stunden wird auch ein philosophisches Thema bearbeitet oder besprochen, aber mit dem Hinblick auf Alltagstauglichkeit. Das sind wirklich Themen, die man im Alltag auch brauchen kann. Es bringt auch nichts, Textstellen aus irgendwelchen Schriftrollen vorzulesen, ohne sie in einen Kontext zu setzen.

Haben wir jetzt andere philosophische Themen also noch vor zehn oder achtzehn Jahren?

Birgit Pöltl: Nein, das sind immer die gleichen. Ich glaube, die Menschheit hat seit vielen hunderten, tausenden von Jahren immer dieselben Themen. Wie wird man in einem sozialen System vernünftig glücklich und miteinander zufrieden? Im Yoga gibt es sehr viele Ansätze und Techniken, die zu einem zufriedenen und glücklichen Leben führen. Sehr ähnliche findet man heute auch in der Psychologie.

Birgit Pöltl und Florian Reitlinger, die Leiter des Yogazentrum Mödling. Foto: Reinhard Steiner

Bilder von Yogaposen auf Instagram bekommen hunderttausende Likes. Sie können Menschen zum Yoga inspirieren, setzen aber auch falsche Standards. Geht der Trend zu sehr in Richtung Lifestyle?

Birgit Pöltl: Grundsätzlich seh ich alles als positiv, wo Menschen beginnen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und dadurch zufriedener zu werden. Bei Instagram habe ich den Eindruck, dass das nicht immer funktioniert. Ich denke mir schon manchmal, was bringt es, bearbeitete Fotos ins Internet zu stellen, um andere zu inspirieren. Aber wenn es dabei hilft, dass andere ins Yoga kommen, warum nicht?

Am Weltyogatag zeigt ihr die Dokumentation „Awake2Paradise“ von Catharina Roland. Darin geht es auch darum, wie durch Yoga ein neues Bewusstsein für die Umwelt entstehen kann. Wo steht die Verbindung von Yoga zu Umweltschutz?

Birgit Pöltl: Die beiden gehören sehr eng zusammen. Yoga beschäftigt sich sehr viel mit Verbindungen zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Und wenn diese Verbindung da ist, egal zu wem, dann setzt man sich automatisch damit auseinander, dass es allen miteinander gut geht. In diesem Sinne ist das ein wichtiger Film. Umweltschutz hat uns alle zu interessieren. Die Folgen spüren wir ja jetzt schon. Da wo ich persönlich das Gefühl habe, am meisten zu bewegen, ist mein Konsumverhalten. Ich versuche so weit als möglich, nachhaltige und regionale Produkte zu kaufen und meine Lebensmittel-Einkäufe besser zu planen – ich habe ein Problem damit, Essen wegzuwerfen.

 

Yoga als indischer Volkssport

2015 wurde der erste Weltyogatag von der UN auf einen Vorschlag des indischen Vertreters Asoke Mukherji hin ausgerufen. In seiner Rede sagte er, Yoga würde den Lebensstil vieler Menschen positiv beeinflussen, und so im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Dieses Jahr werden wieder hunderttausende Yogapraktizierende auf der ganzen Welt erwartet. Um die Organisation der Yogaevents zu vereinfachen, gibt die indische Regierung eine Yogasequenz mit ganz bestimmten Asanas vor, die 45 Minuten dauert. Doch die Regierung gibt nicht nur vor, sie nimmt auch selbst teil. Einer der Teilnehmenden eines Yogaevents mit 60.000 Praktizierenden in Dehradun wird der indische Premierminister Narendra Modi sein.


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