Klimaschutz = Wettbewerbsvorteil

Der Amstettner Gernot Wagner lebt in den USA und forscht im Bereich Umweltökonomie. Ein Gespräch über die Vorteile für die, die sich früher verändern.

Gernot Wagner, geboren 1980 in Amstetten, ist u. a. Autor von »Klimaschock«, dem Wissenschaftsbuch des Jahres 2017, »Stadt, Land, Klima« (2021) und »Geoen-gineering: The Gamble (2021)«. Bild: Lukas Ilgner/Profil.

BIORAMA: Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Stimme als Umweltökonom in letzter Zeit mehr gehört wird?

Gernot Wagner: Als ich vor 20 Jahren studiert habe, war Klimaökonomie noch so etwas wie ein Oxymoron, ein Widerspruch. Da hieß es, man ist entweder für Klimaschutz oder für die Wirtschaft. In den letzten zehn Jahren hat sich das sehr stark geändert. Es hinterfragt niemand mehr, warum es wichtig ist, Klimaökonomie ernst zu nehmen. Rich Lesser, der Chef des Milliarden-Dollar-Beratungsunternehmens Boston Consulting Group, sagt, dass er 60 bis 70 Prozent seiner Zeit mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit verbringt. Wenn er seine fünfminütigen Präsentationen gibt, steht auf seinen Slides: Klimaschutz = Wettbewerbsvorteil. Und unten in den Notes, wo offengelegt wird, wie die Berechnungen angestellt wurden, der Hinweis: »Eine unserer Annahmen ist ein globaler CO2-Preis von 75 Euro pro Tonne bis 2030.« Früher ging es um die Frage, ob Klimawandel wirklich so schlimm ist. Jetzt geht es darum: Wie schnell können wir uns umstellen?

Österreich sieht sich als Green-Tech-Vorreiter. Welche Projekte werden aus Ihrer Perspektive weltweit wahrgenommen?

»Wir wollen diese Veränderungen, weil der ungebremste Klimawandel noch viel schlimmer ist, wir wollen jetzt Teil der Lösung sein. Die kann sehr profitabel sein, und sie ist es meist auch.«

Gernot Wagner

Auch wenn man das vielleicht nicht gern hört: Das österreichische Unternehmen, von dem man aus internationaler Sicht gerade am meisten mitbekommt, ist nicht das Start-up, das hocheffiziente Batterien für die neuen EVs liefern wird, sondern die OMV, die Putins Lieblingsfußballteam sponsert. Die innovativen, grünen Start-ups, die alles richtig machen und von der CO2-freien Wirtschaft profitieren werden, gibt es in Österreich natürlich auch. Diese Art von Unternehmertum hat mittlerweile jedes Land. Es ist ein Wettlauf geworden, den jene Unternehmen gewinnen werden, die sich jetzt rasch umstellen können und wollen, die für eine neue Politik lobbyieren und sagen: Weil der ungebremste Klimawandel noch viel schlimmer ist, wollen wir diese Veränderungen und jetzt Teil der Lösung sein. Die kann sehr profitabel sein – und sie ist es meist auch.

Zum Beispiel?

CO2-freier Stahl. Das, wie so vieles in Sachen Klimaschutz, ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Man kann sich als Unternehmen fragen: Peilen wir 2050 an und machen die Umstellung damit zum Problem der zukünftigen Generationen? Oder wir stellen 2030 um, was sofortiges Handeln aller Beteiligten bedeuten müsste. Die Voestalpine steht hier zum Beispiel im Wettbewerb mit der Salzgitter AG in Deutschland, die bis 2033 CO2-frei werden will. Oder auch mit Schweden, wo SSAB diesbezüglich überhaupt sehr weit vorne ist. Es geht um die Frage: Wie schnell kann sich die Voestalpine umstellen und was bedeutet das für die österreichische Elektrizitätsnachfrage und grünen Wasserstoff?

Wie kann man die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft beziffern?

Es gibt auf der einen Seite die Risiken und enormen Kosten des ungebremsten Klimawandels und seine Auswirkungen, auf der anderen Seite die Kosten der Umstellung. Wenn ein Unternehmen nur Ölkessel einbaut und sich nicht umstellen kann oder will, sind diese Kosten hoch.

Aber dem gegenüber stehen die Chancen, die Klimapolitik bringt: Jedes Unternehmen, das derzeit nur Kühlanlagen installiert, müsste längst umgestellt haben und sagen: »Eigentlich ist eine Wärmepumpe eine Kühlanlage, die man – vereinfacht ausgedrückt – rückwärts laufen lässt und die mithilft, aus Gas auszusteigen.«

Im Endeffekt sind die Mehrkosten, die mit der Umstellung auf ein entkarbonisiertes, hocheffizientes Leben einhergehen, oft viel geringer als zuvor angenommen. Schließlich geht technologischer Fortschritt nur in eine Richtung: billiger durch bessere Technologien. Photovoltaik ist nicht von ungefähr die billigste Form der Elektrizitätsgewinnung. Das bringt Wettbewerbsvorteile. Dass das auch gut für die Wirtschaft im Allgemeinen ist, ist klar; dass es nicht ohne Klimapolitik geht, auch.

Gernot Wagner forscht und lehrt seit mehr als 20 Jahren – unter anderem an den Universitäten Harvard und Stanford. Ab Juli lehrt er an der Columbia Business School in New York mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung, Klimapolitik und Klimawende. Bild: Rose Lincoln/Harvard.

In Ihrem neuen Buch beschäftigen Sie sich mit Technologien, die aus heutiger Sicht wahnwitzig klingen, zum Beispiel solares Geoengineering. Worum geht es da?

Beim solaren Geoengineering geht es im Prinzip darum, Teile des ungebremsten Klimawandels mit globalen technologischen Eingriffen anzugehen. Die radikalste Version wäre, die Effekte eines großen Vulkanausbruchs künstlich herbeizuführen. Material, das in die Stratosphäre geschleudert wird, könnte die Sonne etwas dimmen und in Folge den Planeten kühlen. Wir sind in Sachen Klimawende schon so spät dran, darum befassen sich manche ForscherInnen mittlerweile mit solchen Technologien, die etwas nach Frankenstein klingen.

Wie weit sind solche Technologien gediehen?

Sie befinden sich in den allerersten Forschungsstufen. Wenn Sie mich fragen, ob wir solares Geoengineering in dieser oder der nächsten Dekade umsetzen sollen, würde ich dezidiert sagen: nein. Es geht darum, Forschungsprogramme aufzubauen, um herauszufinden, wie groß die Risiken sind. Der wichtigste Punkt: Solares Geoengineering darf nicht von der Reduktion der CO2-Emissionen ablenken. Ganz im Gegenteil: Die Diskussion über diese Technologien sollte uns dazu motivieren, viel mehr in Sachen Klimaschutz zu tun.

Mehr zu Gernot Wagner und seiner Arbeit auf gwagner.com

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