Günstiger ab Tag eins

Der Umstieg von Flotten auf Elektroantrieb verläuft trotzdem schleppend.

Bild: Istock.com/Dmitri Laritschew.

Obwohl Elektromobilität für Unternehmen kostengünstiger ist, geht der Wandel in absoluten Zahlen langsam voran. Michael Ornetzeder vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung benennt die entscheidenden Faktoren.

BIORAMA: Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass es mittlerweile für den Umstieg von Unternehmen auf Elektromobilität ein Netz aus Angeboten (Hersteller, Vertrieb, Finanzierung, Ladeinfrastruktur …) gibt, aber die Nachfrage hinterherhinkt. Was ist zu tun?

»Unternehmensflotten sind für den Umstieg auf Elektromobilität wichtig, weil die Fahrzeuge nach der Nutzung in den Unternehmen meist in den privaten Bereich übergehen und es dann auch dort mehr Elektromobilität gibt.«

— Michael Ornetzeder, Institut für Technikfolgen-Abschätzung

Michael Ornetzeder: Neue Märkte müssen sich aufbauen. Bei neuen Produkten kann das dauern und Autos mit Elektroantrieb sehen zwar aus wie die Autos, die man kennt, aber die notwendige Infrastruktur ist eine komplett andere. Es geht hier um eine Innovation, die die gesamte Architektur rund um die Fahrzeuge betrifft. Hinzu kommt, dass der Umstieg auf Elektromobilität nur ein Teil der Verkehrswende sein kann und es eigentlich auch um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs geht.

Unternehmensflotten sind für den Umstieg wichtig, weil die Fahrzeuge nach der Nutzung in den Unternehmen meist in den privaten Bereich übergehen und es dann dort mehr Elektromobilität gibt. Schon zum Zeitpunkt der Durchführung unserer Studie waren die Zuwachsraten von Elektromobilität enorm – die absoluten Zahlen aber noch ziemlich gering. Trotz Zuwachsraten von teilweise über 100 Prozent lagen die absoluten Zahlen bei den Neuanmeldungen noch unter zwei Prozent.Wir haben einen Punkt erreicht, an dem die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur vorhanden sind, und ich bin der Meinung, dass es hier eigentlich keine Hindernisse mehr gibt.

Wieso reicht eine über die Nutzungsdauer gerechnete Kostenersparnis nicht als Umstiegsgrund für Unternehmen?

Die Kosten werden erst dann relevant, wenn alle anderen Bedingungen gleich sind. Außerdem sind Kosten auch eine Frage des Wissens über diese Kosten und oftmals handelt es sich um eine Einschätzung über die Zukunft. Wenn Unternehmen herkömmliche Fahrzeuge leasen, dann tun sie das auch, weil sie die Situation kennen und es hier wenig unsichere Signale über potenziell unsichere Entwicklungen gibt.

Ich kenne ein Beispiel von einem Unternehmer in Vorarlberg, der bereits im Jahr 2017 auf Elek­tromobilität umgestellt hat. Dieser hat festgestellt, dass die neue Flotte für das Unternehmen vom ersten Tag weg günstiger ist: Es gibt Förderungen, die NoVA fällt weg und auch der Sachbezug für die Mitarbeitenden. Diese Erfahrung hat in Wien wenig später etwa auch Raiffeisen Leasing bestätigt. Angebotsseitige Beschränkungen, wie wenig Auswahl und lange Lieferfristen, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.

Ich persönlich vermute, dass Unternehmen aber sehr langfristige Beziehungen mit ihren Lieferanten haben und ein Umstieg hier einen Bruch bedeuten würde … und dieser wiegt mitunter schwerer als die Kosten.

»Elektroflotten in Wien«
So heißt die 2020 von Michael Ornetzeder mit Steffen Bettin und Anna Pavlicek veröffentlichte »Untersuchung über Herausforderungen und Chancen von E-Fahrzeugen in Fahrzeugflotten«.

Was spielt für Unternehmen dann eine Rolle?

In den ersten drei Jahren spielt auch das Service keine Rolle und es ist für die Unternehmen kein Vorteil, dass E-Fahrzeuge weniger aufwendig im Service sind. Hier gibt es Garantien und Leasingverträge. Entscheidender ist die Planbarkeit von Routen – gerade außerhalb des Stadtgebiets waren rund 300 Kilometer Reichweite einfach zu wenig, um die Fahrzeuge wie gewohnt nutzen zu können.

Eine ausreichend verfügbare Ladeinfrastruktur war eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der E-Mobilität. Bild: Istock.com/Aranga87.

Wo klappt es bereits besonders gut?

Vorarlberg ist eine wichtige Modellregion: Hier haben Unternehmen klar definierte Routen, das Bundesland ist klein und mit der üblichen Reichweite eines E-Autos kommt man überallhin. Außerdem gibt es koordinierte Ansätze, bei denen die Anbieter unterschiedlicher Bestandteile der Infrastruktur zusammenarbeiten.

Auch in Wien gibt es inzwischen vermehrt gemeinsame Anstrengungen verschiedener Infrastrukturanbieter und neue Forschungsprojekte zu deren praktischem Funktionieren. Dazu gehören auch die sogenannten »Modellregionen« des Klimafonds. Und die einzelnen Unternehmen haben individuelle Interessen: Die Post möchte etwa CO2-neutral zustellen, der TÜV gründet ein Tochterunternehmen mit einem Fokus auf Elektro­mobilität und der ÖAMTC muss Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen sammeln. So entstehen Unterstützungsstrukturen.

E-Modelle sind bereits in allen Fahrzeugkategorien und so auch bei Nutzfahrzeugen erhältlich. Bild: Istock.com/Tramino.

Sie beschäftigen sich grundsätzlich mit den Themen Nachhaltigkeit und Innovation. Auch Berufsmobilität ist mehr als die Umstellung der Flottenfahrzeuge. Wo sollte man genauer hinsehen?

Während der Pandemie ist die ganze Welt draufgekommen, dass man viele Wege gar nicht machen muss. Weder täglich zur Arbeit noch zu Konferenzen. Diese kollektive Erfahrung bricht mit Routinen und sorgt dafür, dass neue eingeübt werden. Da ist Potenzial für Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz. Wenn weniger geflogen wird, sind die Auswirkungen enorm – denn es wird noch lange brauchen, bis der Flugverkehr weniger schädlich ist. Jede Reise, die man sparen kann, bietet große Potenziale.
Nun ist die Frage, wie vieles davon sich wieder zurückentwickeln wird. Manche Innovationen bringen allerdings systemverändernde Richtungsentscheidungen mit sich, deren Auswirkungen schwer abzuschätzen sind.

Und es gibt weitere Ideen, weg vom Besitz des Fahrzeugs für den Individualverkehr?

»Entscheidend für den Umweltschutz sind Ideen wie Carsharing oder autonom fahrende Autos, die selbst zum Fahrgast kommen. Es gibt hier noch viele Möglichkeiten und das Ziel müssen weniger Fahrzeuge sein.«

— Michael Ornetzeder,
Institut für Technikfolgen-Abschätzung

Entscheidend für den Umweltschutz sind ganz andere Ideen wie Carsharing oder autonom fahrende Autos, die selbst zum Fahrgast kommen. Es gibt hier noch viele Möglichkeiten und das Ziel müssen weniger Fahrzeuge sein. Wir müssten wegkommen vom Besitz eines Fahrzeugs und der emotionalen Bindung zu ihm.

Politik und Industrie beginnen nun langsam umzudenken – man denkt hier systemischer und in größeren Dimensionen. Den üblichen Weg in kleinen Schritten zu verändern hat nicht die gewünschten Effekte gebracht. Auch die Interdisziplinarität wird stärker, aber die alten Strukturen sind noch beharrlich. Von der Gesundheitsversorgung bis zur Nahrungsmittelversorgung ist alles sehr energieintensiv organisiert. Individuelle Veränderungen haben bisher wenig gebracht, weil sie von Wachstumseffekten ausgelöscht wurden. Es braucht prinzipiell nachhaltigere Systeme und Strukturen, dann können wir auf einem neuen Niveau gut leben.

Michael Ornetzeder ist habilitierter Wissenschafts- und Technik­forscher. Seine Arbeitsschwerpunkte sind nachhaltige Technikentwicklung, sozialwissenschaftliche Technik- und Innovationsforschung sowie partizipative und konstruktive TA. Er forscht am Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Bild: Privat.

BIORAMA BUSINESS #1

Dieser Artikel ist im BIORAMA BUSINESS #1 erschienen

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