Der gute Arbeitsweg ist ein Ziel

39 Prozent der in Österreich an Werktagen zurückgelegten Pkw-Kilometer entfallen laut VCÖ auf den Arbeitsweg. Weitere 14 Prozent sind darüber hinaus dienstliche Fahrten. Unternehmen haben großen Einfluss darauf, wie die MitarbeiterInnen ihre Arbeitswege zurücklegen.

c_istock/Nadia Bormotova

Ticket finanzieren

Lange wurde darüber diskutiert, seit 26. Oktober 2021 ist es da: das Klimaticket. Um 1095 Euro (Classic-Version) kann man sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel im Land nutzen. Zudem gibt es Versionen für die einzelnen Bundesländer bzw. die Verkehrsverbund-Ost-Region (Niederösterreich, Wien und Burgenland). Das Angebot wird gut angenommen und die 160.000 bis April verkauften Klimatickets lagen laut dem Bundesministerium für Klimaschutz deutlich über den Erwartungen.

Seit 1. Juli 2021 können außerdem ArbeitgeberInnen die Kosten für eine Wochen-, Monats- oder Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel für ArbeitnehmerInnen steuerfrei übernehmen, solange dieses Ticket zumindest am Wohn- oder Arbeitsort gültig ist. Bis dahin waren lediglich Streckenkarten, die für die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und retour benutzt werden konnten, steuerbefreit. Ob der Kauf des Tickets durch den Dienstgeber erfolgt oder die Kosten anschließend dem Dienstnehmer ersetzt werden, ist für die Steuervergünstigung unerheblich. Die Rechnung muss also nicht auf den Namen des Dienstgebers lauten.

Als eines der ersten großen Unternehmen wurde bei Deloitte Österreich bereits im Oktober 2021 beschlossen, den 1500 Mitarbeitenden das Klimaticket als Benefit anzubieten. Werden alle Regelungen eingehalten, gelten diese nicht als Sachbezug und sind somit frei von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeitrag.

Arbeitsorte flexibilisieren

Homeoffice wurde während der Coronapandemie in vielen Bereichen zur Selbstverständlichkeit. Der Wegfall von Pendelwegen kann die Lebensqualität verbessern, auf jeden Fall den ökologischen Fußabdruck verringern und den PendlerInnenverkehr reduzieren. Laut Statistik Austria arbeiteten 2019 53,3 Prozent der ArbeitnehmerInnen nicht in ihrer Wohngemeinde, sondern in einer anderen Gemeinde desselben politischen Bezirks (18,3 %), in einem anderen politischen Bezirk desselben Bundeslandes (21,6 %) oder in einem anderen Bundesland oder im Ausland (13,4 %). Vor allem viele Strecken, die in ländlichen Regionen mit dem Auto zurückgelegt werden, können durch Homeoffice nun vermieden werden. Die britische Umweltschutzorganisation Carbon Trust hat errechnet, dass sich der CO2-Fußabdruck jedes und jeder einzelnen Berufstätigen zwischen März 2020 und März 2021 um 72 Prozent verringerte. Nun ist man in vielen Unternehmen darum bemüht, manche der neuen Usancen beizubehalten, und auf dem Jobportal Karriere.at gibt es aktuell 8857 »Homeoffice-Jobs«. Coworking-Spaces und Shared Offices bieten die Möglichkeit für räumliches Zusammenarbeiten, wenn dies grundsätzlich nur teilweise nötig ist.

Fahrgemeinschaften und Werksbusse

Aktives Mobilitätsmanagement ist vor allem in größeren Unternehmen ein Thema, weil für die sinnvolle Organisation von Fahrgemeinschaften oder Werksbussen eine Mindestanzahl von NutzerInnen nötig ist. Wenn sich in einer Region mehrere Unternehmen zusammenschließen, rechnet sich der Organisationsaufwand schneller. Werksbusse müssen dabei nicht unbedingt weite Strecken zurücklegen, sondern können auch die letzten Kilometer vom nächstgelegenen Bahn- oder Busbahnhof erleichtern und so das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich attraktiver machen. Geplant hat dies unter anderem Boehringer Ingelheim bei der Errichtung des neuen Standorts in Wien-Meidling: Für die rund 2000 Angestellten gibt es einen Expressshuttle vom Bahnhof Meidling zur Firma, es wurde ein eigener Abgang bei der S-Bahn-Station Hetzendorf gebaut, auf einer Intranetplattform wird die Bildung von Fahrgemeinschaften gefördert und zur besseren Koordination aller Maßnahmen wurde ein Mobilitätsteam gegründet. Das Ziel war es, mit diesen Maßnahmen den Anteil öffentlich fahrender MitarbeiterInnen zu verdoppeln. Einen Überblick über nicht betriebliche Carsharinganbieter und Mitfahrbörsen in den Bundesländern bietet die Website der Umweltberatung.

Das fahrradfreundliche Büro

Manchen ArbeitnehmerInnen wäre der umweltfreundliche Weg in die Firma bereits erleichtert, wenn er/sie das Rad sicher abgestellt wüsste und im Büro Duschen und Spinde bereitstünden. Weitere im Unternehmen vielleicht auch gut sichtbare Unterstützung und Motivation für eine Änderung der Mobilität können Ladestationen für E-Bikes sein oder weitere E-Ladeinfrastruktur. Bei der Suche nach und Planung von Unternehmensstandorten sind MitarbeiterInnenparkplätze ein relevanter Platz- und Kostenfaktor. Der Wiener Radverkehrsexperte Alec Hager ist davon überzeugt, dass die Möglichkeit, hier teilweise auf Radparkplätze zu setzen, noch nicht in den Köpfen angekommen ist: »Ein Radparkplatz ist wesentlich einfacher einzurichten als ein Autoparkplatz. Die Reduktion von Parkplätzen und den Kauf eines Jobrads für MitarbeiterInnen halte ich für die sinnvollste Maßnahme, die Unternehmen zur klimaverträglicheren Mobilität ihrer MitarbeiterInnen setzen können.«

Arbeitszeiten ändern

An jedem Werktag werden in Österreich rund 98 Millionen Personenkilometer zurückgelegt, um in die Arbeit und wieder nach Hause zu kommen, 70 Millionen davon immer noch mit dem Pkw – fahrend oder mitfahrend, wobei MitfahrerInnen nur rund 5 Prozent ausmachen sollen. Eine Folge davon sind vor allem in Ballungsräumen und an Verkehrsknoten Staus und damit eine noch größere Umweltbelastung. Die größte Wahrscheinlichkeit, im Stau zu stehen, ist laut einer Untersuchung von TomTom übrigens mittwochs zwischen 17 und 18 Uhr. Nicht nur eine Änderung der allgemeinen Arbeitszeiten, auch schon die Einführung von Gleitzeit kann MitarbeiterInnen ermöglichen, den Rushhours auszuweichen, und sich so positiv für die Mitarbeitenden und die Umwelt auswirken. Wobei sich die Konzepte und Ideen mitunter auch widersprechen. Der ÖGB-Arbeitsrechtsexperte Martin Müller betonte gegenüber dem Magazin »Arbeit & Wirtschaft«: »Viele der positiven Effekte der Arbeitszeitverkürzung entstehen durch eine kürzere Tagesarbeitszeit. Auch die Produktivität steigt eher bei einem kürzeren Tag als bei einer kürzeren Woche.«

4-Tage-Woche

Eine andere Entwicklung geht aber eben durchaus in Richtung einer Verringerung der Anzahl der Arbeitstage in einer Woche – die 4-Tage-Woche. In der Praxis geht eine Verringerung der Arbeitstage oft mit einer Verlängerung der Arbeitsstunden pro Tag einher – bis zu 10 Stunden sind dann möglich, ohne als Überstunden zu gelten. Eine Neuverteilung der Arbeit bzw. eine Verringerung der Anzahl der Arbeitstage verringert aber auch die Notwendigkeit zu pendeln und der ÖGB errechnet hier ein Einsparungspotenzial von bis zu 250.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das sind in Jahren mit coronabedingt reduziertem Verkehr rund 7 Prozent der durch Arbeitswege anfallenden CO2-Belastung. Auch in Österreich setzen bereits einige Unternehmen auf die 4-Tage-Woche: Dazu gehören so unterschiedliche Betriebe wie das Sägewerk Grafinger in Grünau, die Latschenölbrennerei Unterweger, die Buch- und Medienhandelskette Thalia, die Zirbenbetten-Manufaktur Køje in Bludenz, Haberkorn in Wolfurt oder auch der oberösterreichische Energieversorger KWG.

Umweltfreundliches Verhalten belohnen

Ein gemeinsames Ziel zu haben motiviert und positive Verstärker wie Belohnungen tragen mitunter zu dauerhaften Verhaltensänderungen bei. Konkret könnten MitarbeiterInnen, die sich klimafreundlich(er) verhalten, beispielsweise einen Bonus oder Gutscheine für die Kantine erhalten. Diese Maßnahmen haben oft einen spielerischen Charakter und wirken so noch motivierender. Das Bayerische Landesamt für Umwelt bringt seit 2009 einen Leitfaden für Unternehmen heraus, der nicht nur die Mobilität, sondern auch viele andere Themen wie Ernährung, Müllvermeidung oder auch Wasser und Abwasser inkludiert. Dieser wird regelmäßig erweitert und aktualisiert.

Die Stadt Wien erprobte, bis die Pandemie sowohl Verkehr als auch Kultur ausbremste, den »Kultur-Token«. Dabei sollte eine App umweltfreundliches Verhalten wie die Benutzung von Öffis, Zu-Fußgehen oder Radfahren tracken und die Möglichkeit bieten, CO2-Ersparnis in Vergünstigungen bei verschiedenen Kulturinstitutionen (Wiener Volkstheater, Wien-Museum, Kunsthalle und Konzerthaus) umzuwandeln.

Konkret werden

Bewusstseinsbildung für umweltfreundliche Mobilität wird zum Bestandteil der Unternehmenskommunikation, intern und extern, letztlich natürlich auch des Marketings. Gerade in diesem Bereich zählt Transparenz. Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmensstrategie funktioniert intern besser, wenn die Ziele klar formuliert werden, überprüfbar sind und die Ergebnisse kommuniziert werden können – am besten sowohl Erfolge als auch Learnings und weiterer Verbesserungsbedarf. Selbstverständlich sind gerade EntscheiderInnen gefragt, mit gutem Beispiel voranzugehen und in den Austausch mit MitarbeiterInnen zu treten. Wer sich traut, MitarbeiterInnen zu fragen, was ihren Arbeitsweg vereinfachen – und das bedeutet oft automatisch mitunter auch ökologisieren – würde, trägt einerseits zu einer Sensibilisierung bei und erfährt andererseits, wo bedarfsgerecht die ersten Veränderungen stattfinden sollten.

Sich bewegen lassen

Erfahrungen werden dann idealerweise nicht nur im Unternehmen, sondern auch zwischen Unternehmen ausgetauscht. Es gibt zahlreiche kleinere und größere Aktionen, bei denen die Gedanken und Erfahrungen, die schon jemand anderer gemacht hat, geteilt werden und man als Unternehmen oder Unternehmensteil einfach mitmachen kann. Ende September findet jährlich die Europäische Mobilitätswoche statt, in der viele verschiedene Institutionen auf umweltfreundliche Mobilität aufmerksam machen. Bei manchen Aktionen wie gemeinsamen Filmabenden zum Thema Umweltschutz verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und privat. Letztlich ist entscheidend, Umweltschutz nicht zur Privatsache der MitarbeiterInnen zu machen, sondern eben in das Unternehmen zu holen, um gemeinsam größere Hebel bewegen zu können.

BIORAMA BUSINESS #1

Dieser Artikel ist im BIORAMA BUSINESS #1 erschienen

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