Das Rote Zelt

Bei Yoga im Prater in Kolariks Praterfee findet monatlich ein sogenannter offener Frauenkreis statt. Jede Frau ab 21 darf teilnehmen. Die Zeremonie dauert drei Stunden. Was passiert im Roten Zelt?

Lara Cap leitet das »Göttinengeflüster« im Roten Zelt. Foto: Hadas Natural Photography.
Lara Cap leitet das »Göttinengeflüster« im Roten Zelt. Foto: Hadas Natural Photography.

Das Studio befindet sich am Rande des Praters. Draußen ist es laut und hektisch. »Bitte Schuhe ausziehen«, steht auf dem Zettel auf der Eingangstür. Kaum durschreitet man sie, vergisst man den Lärm und den Stress der Großstadt. Gedimmtes, rotes Licht und ein angenehmer Geruch umarmen einen. Die meisten Frauen sind bereits da. Ihre Stimmen und ihr Lachen erfüllen den Raum. Hinter einer Wand aus Tüchern sitzen sie in einem Kreis. Jede neu ankommende Frau, die den dunklen Vorhang durchschreitet, wird lächelnd begrüßt. Nun ist auch die letzte Teilnehmerin eingetroffen. Manche Frauen sind in Begleitung ihrer Freundinnen gekommen. Andere sind allein. Die Altersgruppen sind sehr durchmischt. Eine Teilnehmerin hat ihr Baby mitgenommen. Eine andere ist hochschwanger. »Es freut mich, dass ihr alle heute Abend zu mir gefunden habt. Ich glaube, wir können jetzt beginnen«, sagt Lara.

Lara Cap bezeichnet sich selbst als Urfrau. Sie ist Mutter, Doula, Schamanin und Hohepriesterin und leitet das »Göttinengeflüster« im Roten Zelt.  Im Roten Zelt wird über Tabus geredet und einander ausgetauscht. Monatlich gibt es einen Schwerpunkt, immer jedoch geht es um Weiblichkeit, Sexualität und Spiritualität. Die Abende werden mit Tänzen und Ritualen untermalt. Das Rote Zelt, auch Mondhütte genannt ist keine Erfindung von Lara. In vielen Kulturen standen diese Bezeichnungen für einen Rückzugsort für Frauen in dem sie die Tage während ihrer Menstruation verbrachten und ihre Kinder zur Welt brachten.

Reise in den Amazonas

»Wir Frauen müssen im Alltag oft stark sein. Im Beruf und zu Hause wird viel von uns erwartet. Anstatt sich gegenseitig zu stärken und zusammenzuhalten, schreiten viele Frauen als Einzelkämpferinnen durchs Leben. Wir sind heute hier, um unsere Weiblichkeit zu feiern. Und zwar gemeinsam und nicht allein«, eröffnet Lara den Abend. Was mich die kommenden drei Stunden erwarten wird? Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin bereit.

Lara erzählt, sie habe heute etwas Besonderes mit uns vor: »Wir werden uns gedanklich auf eine Reise in den Amazonas begeben. Dort angekommen, werden ihr auf ein wildes Tier treffen. Dieses sollt ihr euch merken und danach wieder zurück in unsere Welt kommen.« Um die Reise besser spüren zu können, hat Lara heißen Rohkakao vorbereitet. Eine solche Kakaozeremonie ist jedoch kein regulärer Teil des »Göttinengeflüster«. Nachdem die Frauen den Kakao getrunken haben, geht die Reise los. Lara bewegt sich zwischen den Frauen im Kreis und trommelt.

Musik und Tänze spielen eine wichtige Rolle bei Lara Caps Zeremonien. Foto: Hadas Natural Photography.
Musik und Tänze spielen eine wichtige Rolle bei Lara Caps Zeremonien. Foto: Hadas Natural Photography.

Was die Frauen auf ihrer Reise erlebt haben? Wen sie getroffen haben? Mit Sicherheit waren es 15 verschiedene Geschichten. Es fällt leicht, Laras durch die Trommelgeräusche entstehenden Rhythmus zu folgen. Er beginnt langsam und begleitet einen in den Amazonas. Als die Trommelschläge laut und schnell werden, begegnet man dem wilden Tier. Und dann wird es wieder ruhiger und irgendwann ist man wieder da. Im hier und jetzt und öffnet seine Augen.

Tanzen wie ein Tiger

»Ich weiß nicht, welchem Tier ihr begegnet seid. Welches es auch ist, versucht, seine Energie und seine Kraft zu verinnerlichen und euch so zu bewegen, wie dieses Tier und es zu tanzen«, sagt Lara. Die Frauen beginnen sich zur Musik zu bewegen. Die meisten verhalten sich zurückhalten, Tanz kann man das wohl nicht nennen. Die Situation – nüchtern in einem Kreis mit fremden Menschen zu tanzen – ist für viele ungewohnt. Nach einigen Minuten jedoch tanzen alle Frauen. Die Angst, sich zu blamieren, sich womöglich falsch zu bewegen, fällt nach und nach ab. Das Gefühl von Freiheit erfüllt den dunklen, warmen Raum.

Um nicht alles zu verraten und das Erlebnis zusammenzufassen: Im Laufe des Abends krönte sich jede Frau zur Königin, alle Frauen lachten, zwei Frauen weinten und Frauen, die sich bis vor drei Stunden nicht kannten, lagen am Ende der Zeremonie einander in ihren Armen. Ein bisschen Offenheit und Zugänglichkeit für Spiritualität sollte man vielleicht mitbringen, um an einem solchen Abend für sich möglichst viel mitzunehmen.

Lara Cap leitet den offenen Frauenkreis »Göttinnengeflüster« jeweils an Freitagen von 18:00–21:00 Uhr in der Location »Kolariks Praterfee«. Die nächsten Termine sind der 17. April 2020 und der 15. Mai 2020. Mädchen und Frauen im Alter von zehn bis 20 Jahren können das Rosarote Zelt, in dem Veränderungen im weiblichen Körper, Fruchtbarkeit und Sexualität thematisiert werden, besuchen. Hier gibt’s mehr Infos zum Rosaroten Zelt. Eine Anmeldung ist jeweils erforderlich bis spätestens am Vortag der Veranstaltung an lara@urfrau.at

Die Autorin hat auf Einladung von »Yoga im Prater« an einem offenen Frauenkreis teilgenommen.

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