Tres Hombres: Leinen los!

BILD Tres Hombres, Vanessa Kimbell/ Juniper and Rose

Die 35m lange Tres Hombres segelt mit Schokolade beladen von der Karibik nach Europa.
BILD Vanessa Kimbell/ Juniper and Rose

Auf Grenada verarbeitet eine Kooperative den eigenen Bio-Kakao zu Schokolade und verschifft diese nach Europa – mit einem Frachtschiff ohne Motor.

Die Schweiz, die USA und Großbritannien gelten als die größten Kakaoverarbeiter der Welt. Die Liste der größten Kakaoproduzenten führen Westafrika und Indonesien an. Dazwischen liegt eine ganz schön große Distanz – nicht nur eine räumliche, sondern auch eine soziale und wirtschaftliche. Und diese spiegelt sich auch in der Wertschöpfungskette von Schokolade wieder, in der Millionen von Kleinbauern einer Handvoll multinationaler Großkonzerne gegenüberstehen.

Gut, in unseren Breitengraden wächst nun mal kein Kakao. Deshalb wird der begehrte Rohstoff, von dem alleine in Deutschland jährlich 350.000 Tonnen und in den Niederlanden mehr als doppelt soviel verwertet werden, aus dem Süden der Welt importiert. Die gesamte Wertschöpfung findet anschließend im Norden statt, wo der verhältnismäßig günstig eingekaufte Rohkakao zu Schokolade verarbeitet und als hochpreisige Süßigkeit vertrieben wird. Während der größte Schokoladehersteller der Welt, Barry Callebaut (Schweiz), jährlich Umsätze von rund 4,9 Milliarden Euro erzielt, zählt der größte Kakaoexporteur, die Elfenbeinküste, zu den zwanzig ärmsten Ländern der Welt. Um diese Kluft zu verkleinern, haben sich zahlreiche Hersteller dem fairen Kakaohandel verschrieben und Bean-to-Bar-Konzepte entwickelt, bei denen sie in sämtliche Produktionsschritte, von der Röstung der Bohne bis zur Formgebung der Schokolade, involviert sind – lediglich der Kakaoanbau findet fernab ihrer Fabriken statt.

Mott und die Schokoladebauern von Grenada 

Warum aber Schokolade nicht einfach dort herstellen, wo der Kakao dafür wächst? Tree to Bar. Dieser Gedanke gab den Ausschlag für eine der süßesten Erfolgsgeschichten der Schokoladewelt. Aussteiger Mott Green, ein ehemaliger Ingenieur und Aktivist aus New York City, der seine Wahlheimat in der Karibik gefunden hatte, sah nicht ein, warum seine Mitmenschen auf Grenada Schokolade aus Amerika und Europa importieren und ihre hochwertigen Kakaobohnen für niedrige Löhne in dieselben Länder exportieren sollten. Seine Vision war eine Kooperative aus Kakaobauern und Schokoladeherstellern mit einer fairen Beteiligung an jeder Tafel Schokolade.

Mott Green Bild: flickr.com / zyzak – CC BY-NC-SA 2.0

Mott Green
Bild: flickr.com / zyzak – CC BY-NC-SA 2.0

Mit der Gründung der Grenada Chocolate Factory legten er und zwei Freunde 1999 den Grundstein für die erste On-Farm-Schokoladefabrik – und die wahrscheinlich einzige weltweit, die zur Hälfte mit Solarenergie betrieben wird. Bei Schlechtwetter sorgt ein Gasgenerator dafür, dass die Schokolade ununterbrochen gekühlt wird – bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 25 Grad Celsius ein Muss. Die Maschinen in seiner Fabrik hat Mott großteils selbst entwickelt und gebaut oder alte Geräte aus den frühen 90ern restauriert. Maschinen für die kleinbetriebliche Schokoladeerzeugung seien im Zeitalter der Massenproduktion rar, so seine Ambition. Die Bio-Zertifizierung zu bekommen, sei hingegen recht einfach gewesen – für Pestizide oder Kunstdünger fehle vielen Bauern auf Grenada das Geld.

Heute umfasst die Kooperative der Grenada Chocolate Company zwölf Farmen, auf denen insgesamt rund 80 Hektar Bio-Kakao wachsen. Die geernteten Kakaobohnen werden lokal fermentiert und in der Zentrale der Firma, einem alten Betongebäude, das Mott zugleich als Behausung dient, geröstet und zu Schokolade verarbeitet. Neben den farmeigenen Kakaobohnen werden den 1.600 Tafeln, die hier jeden Tag von Grenadern in Handarbeit hergestellt werden, Bio-Rohrzucker aus Brasilien und biodynamische Vanillebohnen aus Costa Rica beigefügt. 80 Prozent der Schokolade wird übrigens direkt auf der Insel von Einheimischen und Touristen konsumiert, der Rest wird nach Holland und England exportiert, wo sie etwa von der London Academy of Chocolate bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

Die Tres Hombres setzt die Segel für fairen Transport

Schokolade aus der Karibik über den Seeweg nach Europa exportieren? Da hört sich wohl die Nachhaltigkeit auf, möchte man meinen. Problematischer als die große Entfernung ist jedoch der Treibstoff, der benötigt wird, um diese zu überwinden. Ein 5.000 Tonnen schweres motorisiertes Frachtschiff verbraucht am Tag immerhin zirka 10.000 Liter Öl. Verglichen mit der Luftfahrtindustrie verursacht die Schifffahrt sogar mehr als doppelt soviel CO2. Dabei ist der Transport über die Meere, durch den heute rund 90 Prozent des Welthandels abgewickelt werden, im Grunde ein alter Hut. Bereits seit der Antike wurden Güter mit Segelschiffen transportiert, Ende des 17. Jahrhunderts brachten die Kolonialmächte damit Zuckerrohr, Indigo und Muskat von Grenada nach Europa. Ihrem Kurs folgen heute die Tres Hombres, ein Dreiergespann aus zwei Holländern und einem Steirer, das mit dem gleichnamigen Segelschiff fair und biologisch produzierte Waren über den Atlantischen Ozean befördert. Ohne Motor, CO2-neutral, ausschließlich mit Windkraft. Im Mai 2012 transportierten Andreas Lackner, Arjen van der Veen und Jorne Langelaan mit ihrer 35 Meter langen Brigantine erstmals Schokolade von Grenada nach London und Amsterdam. Nach rund 7.400 zurückgelegten Kilometern und drei Monaten auf See wurden die 22.000 Tafeln im Amsterdamer Hafen von einer Fahrrad-Karawane abgeholt und an Geschäfte geliefert. Inzwischen steuern die drei bereits ihr nächstes Projekt an: Mit dem Ecoliner, einem Hybrid-Cargo-Schiff mit Segeln und Motor, wollen sie den Seetransport revolutionieren und die Distanz zwischen den Produzenten im Süden und Konsumenten im Norden schadstofffrei überbrücken.

Die Tres Hombres

Die Tres Hombres

 

So wird Grenada Chocolate erzeugt:

01. Ernten der Kakaoschoten.

02. Fermentation: Die von weißem Fruchtfleisch umgebenen Bohnen werden acht Tage lang mit Bananenblättern zugedeckt. Das Fruchtfleisch verdampft, Aromavorboten entstehen.

03. Trocknen: Nach acht Tagen in der Sonne sind die Bohnen mit reduziertem Wassergehalt besser haltbar.

04. Rösten in einem alten Barth-Röster aus Deutschland.

05. Brechen: Eine Maschine bricht die Bohnen in Nibs und trennt sie von der Schale.

06. Mahlen: Ein europäischer Vintage-Melangeur mit zwei großen Granitwalzen mahlt die Nibs. Durch die entstehende Hitze tritt Kakaobutter aus, eine flüssige Masse entsteht.

07. Mischen: Rohrzucker wird zugegeben, eine krümelige Kakaomasse entsteht.

08. Conchieren: Die Masse wird erwärmt und gerührt, bis sie glatt und flüssig ist. Wasser, unerwünschte Bitter- und Aromastoffe verflüchtigen sich.

09. Temperieren: Damit die fertige Schokolade schön glänzt, Biss hat und nicht bei Raum- sondern Körpertemperatur schmilzt, muss das enthaltene Fett in der richtigen Kristallform erstarren. Dazu wird die Masse abwechselnd auf exakte Temperaturen erhitzt und gekühlt.

10. In Form gießen, Kühlen, Verpacken.

11. Reifen: Um ihr volles Aroma zu entwickeln, wird die Schokolade vor dem Verkauf einige Wochen gelagert.

 

 

Mott Green, 47, ist am 1. Juni 2013 bei Reparaturarbeiten in seiner Schokoladenfabrik gestorben. Die Dokumentation »Nothing like Chocolate« (2012) erzählt seine Geschichte.

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