Meanwhile auf Norderoogsand

Der LKN-SH unterstützt die redaktionelle Berichterstattung über Themen, die in seine Zuständigkeit fallen, durch Bereitstellung von Bildern für Presseerzeugnisse wie Tageszeitungen, Zeitschriften, Illustrierten sowie die nicht-kommerzielle und nicht-werbliche Nutzung in Broschüren, Büchern oder Internetbeiträgen. Die Berichterstattung bezieht sich auf die Darstellung des Küstenschutzes an Nord- und Ostsee, des Hochwasserschutzes an Flüssen, der Instandhaltung landeseigener Häfen, der Abwehr von Gefahren in diesen Bereichen und anderen Aufgaben des LKN-SH sowie auf die Darstellung des Nationalparks, Biosphärenreservats und Weltnaturerbes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und auf vom LKN-SH betriebene Informationseinrichtungen.

Düneninsel Norderoogsand © Martin Stock

Im Wattenmeer wächst seit 1999 eine Insel aus dem Nichts – also fast. Was das besondere an Norderoogsand ist, verrät uns Martin Stock im Interview.

Stock arbeitet als Biologe im Nationalpark Wattenmeer und gilt als Entdecker von Norderoogsand. Biorama hat nachgefragt, wie so eine Düneninsel überhaupt entsteht, was man darauf findet und wie sie in Zukunft aussehen wird.

Herr Stock, wie groß ist Norderoogsand mittlerweile?

Der Norderoogsand hat als Sand eine Ausdehnung von acht bis achteinhalb Kilometern und eine Breite von maximal drei Kilometern. Ganz im Norden dieses Norderoogsandes hat sich vor einigen Jahren diese Insel gebildet, die jetzt eine Fläche von ungefähr acht, neun Hektar hat.

Die Insel ist durch Aufsandung entstanden. Wie funktioniert das?

Diesen Außensand gibt es schon, seitdem es Gaden über das Wattenmeer gibt. Das ist eine typische Barriere des Wattenmeeres, die dort an der Außenkante des Wattenmeeres diese Sände bilden und auch immer wieder Sand von der Seeseite nachgeliefert bekommen, so dass sie dort mit ansteigen des Meeresspiegels mitwachsen können. Aber es kann eben zu bestimmten Situationen kommen, dass sich auf einem solchen Sand mehr Sand an einer ganz bestimmten Stelle sammelt. Vor allen Dingen dann, wenn dort irgendwelches Treibgut liegen geblieben ist. Das können Algen sein oder das können Holzstücke sein. Es können dort auch Pflanzen Fuß fassen, erste Pionierpflanzen der Dünen, die sich dort bilden und die dann selber dazu beitragen, dass mehr Sand gefangen wird und dass sich dann so ein Dünenbereich bildet, der sich immer mehr schließt und in die Höhe wächst.

Sind so auch andere Nordseeinseln entstanden?

Die ganzen Ostfriesischen Inseln sind so entstanden. Sie sind alle reine Düneninseln, die keinen eiszeitlichen Geestkern haben, wie das zum Beispiel auf der Insel Amrum oder Föhr oder auch Sylt der Fall ist. Oder es sind reine Marschinseln, die also altes Marschland sind, zum Beispiel die Insel Pellworm bei uns oder die Insel Nordstrand. Solche gibt es im Ostfriesischen Wattenmeer nicht.

Und ab wann gilt so eine Sandbank als Insel?

Es gibt keine wirklich klare Definition. Der Inselbegriff ist sehr sehr weit gefasst. Muss er auch, weil er die Atolle in den Malediven genauso beschreiben muss wie eine Insel bei uns im Wattenmeer oder wie eine Schere an der Schwedischen Westküste, die manchmal nur ein Granitfeld ist.  Also man kann eigentlich sagen, alles was dauerhaft aus dem Wasser heraus guckt, ist eine Insel – und von Wasser umgeben ist. Aber in diesem speziellen Fall kann man von einer Düneninsel sprechen. Und das trifft dann eben auch für die Ostfriesischen Inseln zu oder auch für die Insel Trischen im Wattenmeer und diese neue Insel auf dem Norderoogsand.

Porträt ©_MStock_09_02_117_3965

Biologe Martin Stock © Martin Stock

Auf Norderoogsand ist eine sehr große Artenvielfalt vor allem in der Pflanzenwelt zu finden. Wie hat sich diese entwickelt?

Das besondere ist, dass dieses Anwachsen der Arten dort unglaublich schnell von statten gegangen ist. Das wirklich überraschende insgesamt ist, dass wir dort innerhalb von wenigen Jahren so einen enormen Anstieg der Pflanzenzahlen hatten.  Ganz zu Beginn, wie sozusagen die ersten kleinen Dünen sich dort gebildet hatten, circa 2004, hatte man schon die ersten Primärdünenfelder. Dort hat man fünf Arten gezählt. Und als sich die Insel wirklich gebildet hat ist diese Zahl ganz schnell in die Höhe geschnellt. Schon 2012 waren es 55 Arten, ein Jahr später ganze 70.

Und wieviel gibt es jetzt, weiß man das?

Ich hab sie jetzt noch nicht zusammen gezählt, aber ich würde mal sagen es ist heute auch so in der Größenordnung 65 bis 70. Das hat sich mittlerweile eingependelt. Und diese Pflanzen werden überwiegend dorthin verdriftet oder durch Vögel verbreitet. Das passiert häufig auf Düneninseln, wenn sich dort auch Brutvögel ansiedeln, die ganz viel Samen im Gefieder dann einfach mit transportieren und auf die Insel bringen. Andere Arten haben auch Schwimmfähige Samen und können sich so auch mit dem Gezeitenstrom ausbreiten.

Welche Tierarten gibt es auf der Insel?

Also ich würde mal sagen, dass es überwiegend eine Möweninsel mit Möwen als Brutvögel ist, vor allen Dingen sind es Silbermöwen und Heringsmöwen. Aber es ist auch so, dass dort weitere Arten brüten, zum Beispiel die sehr große Meeresmöwe die Mantelmöwe, aber auch Austernfischer, Heiderenten, Sandregenpfeifer. Sogar Graugänse brühten dort und ziehen ihre Jungen groß.

Gibt es auf Norderoogsand auch Robben?

Ja, das besondere bei den Vögeln ist auch noch, dass sich dort seit 2008, also ganz früh schon, ein Wanderfalke angesiedelt hat. Der brühtet dort jedes Jahr. Das ist wirklich was besonderes, wenn man damit dann das gesamte Spektrum sozusagen hat, bis zu den Top-Prädatoren, wie wir sie nennen. Und es sind natürlich auch Seehunde dort, grade im Norden der Insel ist ein sehr  großer Seehund-Liegeplatz. Aktuell waren da vielleicht  500 Seehunde jetzt am Wochenende, und einen mindestens gleich großen gibt es auch nochmal an der Südspitze dieses Sandes. Das ist schon wirklich sehr beeindruckend.

Wie kann man sich die Insel in zehn Jahren vorstellen? Kann man da irgendwelche Prognosen stellen?

Wir beobachten sie ja jetzt seit mehreren Jahren sehr intensiv und machen auch Vermessungen auf dieser Insel. Man muss dazu sagen, dass wir im Winter von 2013 auf 2014 sehr starke Stürme gehabt haben. Zwei, den Sturm Xaver und Christian, die Europaweit richtig kräftig Wind und Wasser gebracht haben und nach diesen Sturm hat sich diese Insel doch ein Stück verkleinert. Die war davor schon mal elf Hektar groß und je nachdem, wenn man diese dünn besiedelten Randbereiche mit heranzieht, sogar über 15 Hektar groß. Aktuell hab’ ich ja gesagt  ist sie noch achteinhalb. Also sie erodiert an der Westseite wie auch der ganze Sand und wir wissen aus Vermessungen, dass von 2013 nach 2014 mit diesen Stürmen die gesamte Insel sozusagen um 17 Meter nach Osten verlagert wurde.

Wie groß könnte die Insel noch werden? Ist sie überhaupt noch im Wachstum?

Es macht den Eindruck ,als würde sie sich einpendeln. Das ist aber sehr schwer zu prognostizieren, weil es ja auch einen steigenden Meeresspiegel gibt und es sehr davon abhängt, wie dieser Meeresspiegel weiter steigen wird. Dieser trägt eben auch dazu bei, dass diese Sände an den Außenseiten erodieren. Diese Sände könnten sich wirklich langsam auflösen, langsam aber sicher, oder weiter nach Osten wandern. Und damit kann es sein, dass diese Insel mit wandert. Aber wenn die Erosion stark ist, kann es auch sein, dass sie einfach verschwindet. Aber ich vermute mal, dass sie Stand haben wird.

Der LKN-SH unterstützt die redaktionelle Berichterstattung über Themen, die in seine Zuständigkeit fallen, durch Bereitstellung von Bildern für Presseerzeugnisse wie Tageszeitungen, Zeitschriften, Illustrierten sowie die nicht-kommerzielle und nicht-werbliche Nutzung in Broschüren, Büchern oder Internetbeiträgen. Die Berichterstattung bezieht sich auf die Darstellung des Küstenschutzes an Nord- und Ostsee, des Hochwasserschutzes an Flüssen, der Instandhaltung landeseigener Häfen, der Abwehr von Gefahren in diesen Bereichen und anderen Aufgaben des LKN-SH sowie auf die Darstellung des Nationalparks, Biosphärenreservats und Weltnaturerbes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und auf vom LKN-SH betriebene Informationseinrichtungen.

© Martin Stock

Also die Frage, ob die Insel so schnell wieder verschwinden kann wie sie entstanden ist, würden Sie eher verneinen?

Das würde ich erstmal verneinen. Sie hat diese zwei wirklich sehr starken Stürme überstanden. Sie hat sich tüchtig verändert, aber ich würde es auf jeden Fall verneinen, dass sie genauso schnell wieder verschwindet, wie sie gekommen ist.

Wer darf die Insel betreten? Sie befindet sich ja im Nationalpark..

Das ist ganz wichtig, sie liegt im Weltnationalpark und im Weltnaturerbe Wattenmeer. Alle drei Außensände liegen in der absoluten Zone 1 des Nationalparks, die ein Betretensverbot hat. Und diese Insel im Norden des Norderoogsandes darf nicht betreten werden.

Also von wirklich niemanden, auch nicht von Forschern?

Einmal im Jahr gehe ich für einen Tag dort hin, und es finden auch alle 14 Tage dort von den Gebietsbetreuern Zählungen auf diesen Hügeln statt, weil dort auch sehr viele Vögel rasten, es sind sehr ruhige Gebiete. In einer Hochwanderphase kannn man dort auch bis zu 30 000 Waldvögel haben.

Vielen Dank für das Interview!

VERWANDTE ARTIKEL