Kommentar zu Fridays for Future: Manchmal sind Kinder beim Schule schwänzen zu unterstützen!

Yasmin Vihaus – The-Gap-Chefredakteurin in Bildungskarenz – freut sich über die Jugendbewegung, die gerade zum Thema Klimaerwärmung entsteht. Und ärgert sich umso mehr über die Stimmung, die den Jugendlichen SchulschwänzerInnen dafür entgegenschlägt.

Bild: pixabay

Im Laufe des Vormittags waren allein in Wien über 10.000 Kinder und Jugendliche auf der Straße, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Sie sind Teil einer Bewegung, getragen von vielen jungen Menschen weltweit, die sich für eine Sache einsetzt, die ein Großteil der Erwachsenen in den letzten Jahren schlichtweg verschlafen hat und die früher oder später massive Auswirkungen auf unser Leben und vor allem auf unseren Planeten haben wird.

Den Ursprung hat die Protestbewegung in Schweden. Dort beschloss die 16-jährige Greta Thunberg am 20. August 2018, den Tag nicht in der Schule, sondern protestierend vor dem schwedischen Parlament zu verbringen. Mittlerweile haben sich ihr viele Schülerinnen und Schüler angeschlossen: Die »Fridays for Future« werden auf der ganzen Welt abgehalten, der heutige Streik findet in mehr als 100 Städten statt. SchülerInnengruppen verfassen Forderungen an die Politik, schreiben Gastbeiträge für Tageszeitungen und warnen in Interviews vor den Folgen des Klimawandels, werden als SprecherInnen zu Konferenzen eingeladen, Greta Thunberg wurde kürzlich für den Friedensnobelpreis nominiert. Selten haben sich Jugendliche weltweit so intensiv für ein Thema engagiert.

Man könnte meinen, LehrerInnen, Eltern und PolitikerInnen unterstützen diese Bewegung, die die Kinder zumindest in den drei bis vier Stunden der Demo von ihrem Smartphone aufschauen lässt und zeigt, dass sie sich für diese Welt interessieren. Man könnte meinen, in den Massenmedien entsteht ein Diskurs zum Thema, eine Debatte darüber, welche Maßnahmen folgen könnten. Wer die mediale Berichterstattung verfolgt hat, wurde enttäuscht. Die Debatte, die durch die SchülerInnendemos in ganz Österreich ausgelöst wurde, war eine ganz andere: Nachdem sich Erwachsene seit Jahren darüber beschweren, dass eine Generation uninteressierter und unpolitischer jungen Menschen heranwächst, wird nun diskutiert, ob ein Fernbleiben von der Schule aufgrund einer Teilnahme an einer Demonstration in irgendeiner Form entschuldbar ist.

Der Tenor: Nein. Dass die Demonstrationen einen Grund und ein Ziel haben, wird maximal in Begleitsätzen erwähnt, eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung gibt es nicht. Bildungsminister Heinz Fassmann erklärte beispielsweise im gestrigen ZIB Magazin, er sei »mit der Situation nicht glücklich«, bezieht sich dabei allerdings auf die fehlende rechtliche Regelung zum Fernbleiben von der Schule. Maria Hutter, Salzburger Landesrätin für Bildung und Naturschutz verweist darauf, wie wichtig Bildung ist, um sich mit Klimaschutz auseinanderzusetzen und spricht sich ebenfalls gegen einen Demobesuch aus. Dabei stellt sich die Frage: Sollte man die Begeisterung für eine Sache nicht dafür nutzen, SchülerInnen in der Schule das nötige Hintergrundwissen zum Thema zu vermitteln? Kann eine Demonstration nicht vielleicht auch als Anlass für einen Schwerpunkt in der Unterrichtsgestaltung dienen?

Friday for Future: Am 14. 3. folgten allein in Wien über 10.000 Protestierende dem Aufruf der SchülerInnen. Foto: Alina Birkel

Ich denke schon. Sowohl im Biologie- als auch im Geografieunterricht lassen sich Ursachen und Wirkung der Klimakatastrophe optimal aufarbeiten, im Kunstunterricht können nicht nur Demoschilder gebastelt werden, je nach Alter der SchülerInnen kann darüber hinaus auch über verschiedene Formen von Protest in der bildenden Kunst und in der Musik gesprochen werden. Im Chemieunterricht schadet eine Wiederholung zu Kohlenstoff-Verbindungen und deren Eigenschaften mit Sicherheit nicht. Im Deutschunterricht kann an der perfekten Rede zum Thema Klimaschutz gefeilt werden, zusätzlich könnten die SchülerInnen, die an der Demo teilnehmen, eine Erlebniserzählung verfassen. Das gleiche gilt für den Englischunterricht, hier wäre zudem auch eine Auseinandersetzung mit den auf Englisch abgehaltenen Klimakonferenzen denkbar. Im – leider nicht in allen Schultypen existierenden – Unterrichtfach Politische Bildung kann sowohl über BürgerInnenpartizipation als auch über das Recht auf freie Meinungsäußerung und Protest gesprochen werden, ein Demobesuch und das Miterleben von friedlichem Widerstand ergänzt das theoretische Wissen um eine praktische Komponente. Bewegung an der frischen Luft werden vermutlich auch alle TurnlehrerInnen unterstützen und engagierte MathematiklehrerInnen könnten die Motivation ihrer SchülerInnen für das Thema nutzen und sich Beispiele mit relevanten Zahlen zur Polschmelze, zum Anstieg der Temperaturen oder zum Meeresspiegel überlegen. Eine solche Auseinandersetzung kann dann eine Demo als Höhepunkt haben, bei der LehrerInnen, Eltern und vielleicht sogar BildungspolitikerInnen stolz dabei zusehen können, wie ihre Kinder für etwas einstehen und dabei gleichzeitig das Gelernte umsetzen. In einigen Schulen ist das glücklicherweise dank vieler engagierter LehrerInnen auch der Fall. Warum sich die schulpolitische Debatte rein um vier verpasste Unterrichtsstunden dreht, die der/die ein oder anderen SchülerIn in Bundeskanzler-Manier vielleicht ohnehin mit Candy-Crush-Spielen verbracht hätte, ist für mich nicht nachvollziehbar. Und schade.


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