Buchrezension: »Trophäe«

Ein Buch für Menschen die sich einer packenden Story über Artenschutz in Afrika, Jagd und den Wert eines Menschenlebens ausliefern wollen.

»Trophäe«
Bild: Istock.com/Diavvdw.

Im ehrwürdigen Oxford English Dictionary wird man fündig. Es definiert den »Mindfuck« als eine verstörende oder aufschlussreiche Erfahrung, hervorgerufen vor allem durch Drogen oder durch vorsätzliche psychologische Manipulation. Klingt natürlich cool. Doch wir wollten erst sichergehen, ob wir dem flämischen Autor Dimitri Verhulst zustimmen können, der am Einband dieses außergewöhnlichen, sprachlich und emotional packenden Romans zitiert wird – wo er den Bestseller seiner Landsfrau Gaea Schoeters als »ethischen Mindfuck« auslobt. Doch Verhulst hat keineswegs zu viel versprochen. Beides ist hier im Spiel. Drogen erst ganz gegen Ende hin und im weitesten Sinne, wenn die Hauptperson nach dem Stich eines Skorpions illuminiert und vor Schmerzen halluzinierend durch den afrikanischen Busch stolpert. 
Und wir, die wir dem ausländischen Geschäftsmann und Großwildjäger Hunter White mit pochendem Herzen folgen, nicht mehr wissen, was da jetzt Wahrheit ist, was Wahn oder ob wir doch bloß mit seinem selbstdisziplinierten Transzendieren zwischen Überleben und Tod mitfiebern. Ja, der Name Hunter White klingt schablonenhaft. Der Roman bleibt das allerdings an keiner Stelle. 
Seine Handlung ist verstörend, wendungs- und aufschlussreich. Allzu viel kann man trotzdem nicht verraten ohne damit gleich auch zu viel zu verraten. Nur so viel: Hunter White ist ein erfahrener Jäger, in seiner amerikanischen Heimat ebenso wie hier im afrikanischen Busch. Diesmal ist er auf die Jagdfarm seines Freundes gekommen, um die »Big Five« abzuhaken; um – gewissermaßen als Krönung eines Großwildjägerlebens – nach Löwen, Elefanten, Büffel und Leopard auch ein Nashorn zu erlegen. Alles legal, alles artenschutzkonform. Denn das ausgewählte Tier ist alt, hat seinen Beitrag zum Überleben der Art bereits geleistet. 
Nun wurde es auserkoren, gegen Geld geschossen und zur Trophäe zu werden – was wiederum dem Erhalt seines Lebensraums und damit seiner Art zugute kommt. Doch auch Wilderer haben es auf das Tier abgesehen … all das führt mitten ins pulsierende »Heart of Darkness«, mit zahlreichen Referenzen an Joseph Conrads klassische gleichnamige Erzählung. Ganz nebenbei erkennen wir beim Lesen nicht nur des Großwildjägers kolonialistischen Blick, sondern – Obacht, Unterstellung! – auch den der allermeisten LeserInnen.
Auch wenn es die Autorin schafft, den Reiz des Jagens nicht nur zu schildern, sondern zu vermitteln, wie das selten zuvor einmal gelungen ist, und obwohl Hunter White das ganze Buch über Sympathieträger bleibt, lässt uns Gaea Schoeters ohne jegliche moralische Wertung zurück. Was für ein wunderbarer Mindfuck. 

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BIORAMA #89

Dieser Artikel ist im BIORAMA #89 erschienen

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