Wolf im Alpenraum: Bauernlobby fordert Wolfs-„Management“

Die Rückkehr des Wolfs wird emotional diskutiert, das zeigte eine Veranstaltung der Landwirtschaftskammer. Wissenschafter sehen die Angelegenheit nüchterner als manche Bauern. Ein Bericht von Gunnar Landsgesell.

Auf der Suche nach einem geeigneten Revier wandern junge Wölfe auch einmal tausende Kilometer. Im Bild: ein im März 2015 im Weinviertel fotografiertes Tier. (Foto: Hintringer)

Die Rückkehr des Wolfs wird emotional diskutiert, das zeigte eine Veranstaltung der Landwirtschaftskammer. Wissenschafter sehen die Angelegenheit nüchterner als manche Bauern. Ein Bericht von Gunnar Landsgesell.

Vergangene Woche lud die Landwirtschaftskammer Österreich zur Diskussion, Thema: Der Wolf im Alpenbogen. Der Festsaal in Wien ist randvoll besetzt, die Stimmung erregt. Josef Zandl, ein Landwirt, der auch eine Almwirtschaft in den Hohen Tauern betreibt, liefert das narrative Futter für die Zielrichtung der Veranstaltung. Er berichtet von seiner Begegnung mit dem Wolf im Jahr 2015, ein krasser Fall: 130 Schafe hätte man auf die Almweiden getrieben, 86 davon fielen dem Wolf zum Opfer, viele davon durch Abstürze aus Panik. Der Schaden: 15.000 Euro, auf dem Kulanzweg vom zuständigen Amt beglichen. Im Jahr darauf verzichtete er auf den Auftrieb, daraufhin habe sich das Problem zum Nachbarbetrieb verlagert. Die Almen von denen Zandl spricht liegen auf einer Seehöhe von 1.500 bis 2.400 Meter. Das Gelände ist steil, schon im August könne Schnee liegen, für Schutzzäune (steil) oder Herdenschutzhunde (Wanderer!) sei das Gebiet nicht geeignet. Zandls Prognose: Wir brauchen mehr Zäune, mehr Hirten, mehr Hütten. Und langfristig: Falls sich Wölfe wirklich bei uns etablieren und die Rechtslage so bleibt, wird der Grundeigentümer die Almwirtschaft aufgeben, weil die Investitionen sich auf geschätzte 100.000 Euro belaufen würden. Grundsätzlich spricht sich Zandl für eine Kooperation mit dem Wolf aus, aber unter der Prämisse einer strikten Regulierung. Soll heißen, Wölfe sollen abgeschossen werden, sobald diese wirtschaftlichen Interessen in die Quere kommen. Ganz ähnlich sieht es Martin Keller, Landwirt aus der Schweiz, der sich bereits Herdenschutzhunde angeschafft hat, aber durch diese keinen 100prozentigen Schutz der Weidetiere erzielen konnte. Keller: „Bei Wolfspräsenz funktioniert der Herdenschutz mit Hunden nicht, wenn nicht zugleich der Wolf reguliert werden kann.“ Zudem sei die Anschaffung und Verpflegung teuer, Keller spricht von 1.000 Franken pro Jahr und Hund. Auch er plädiert für eine Regulierung, wiewohl in der Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, andere Gesetze gelten als in Österreich. Die Stoßrichtung der Veranstaltung ist damit klar. Einerseits wird betont, dass Schutzmaßnahmen teuer oder sinnlos wären, andererseits geht es um den politischen Spielraum, den die Landwirtschaftskammer in Bezug auf den Wolf erweitern will. Soll heißen: Derzeit gilt für Österreich Anhang 5 der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, der eine „Entnahme bzw. Abschüsse“ von Wölfen verbietet. Ziel der Bauernvertreter ist es, in den Anhang 4 gestuft zu werden, um auch den Wolf in die „wildökologische Raumplanung“ einzubeziehen. Hermann Schultes, Obmann des Bauernbundes und Präsident der Landwirtschaftskammer NÖ, zeichnet ein Bild, das einem das Gefühl vermittelt, es gebe weit mehr als die ungefähr 15 Wölfe, die sich in Österreich dauerhaft aufhalten. Das erste Rudel seit der Ausrottung des Wolfes in Österreich wurde am Truppenübungsplatz in Allentsteig registriert. Schultes möchte nach eigenen Worten früh genug Schritte setzen, bevor die Situation außer Kontrolle gerät und klärt auf: „Ich brauch den Wolf nicht, dass da keine Unklarheiten entstehen.“ Er ist ein geschickter Lobbyist, der die Gefühle im Saal zu adressieren weiß: „Wir haben in Österreich eine Rechtssituation, die durch die EU vorgegeben wird. Wir dürfen dem Wolf nichts tun. Wir haben zwar unsere Flächen, sind Eigentümer, aber das stärkere Nutzungsrecht hat der Wolf. Das schafft einen Zustand der Ohnmacht und führt aber auch zu Diskussionen, die nicht sehr konstruktiv sind. Wir müssen damit rechnen, dass die Wölfe sich um 30 Prozent pro Jahr vermehren. Ein Wolf braucht nicht viel zum Überleben, ein Versteck und etwas zum Fressen. Wenn wir uns der aktuellen Situation unterwerfen, werden die Wölfe unser Land bestimmen. Wenn Landwirtschaft, Tourismus, Jagd funktionieren soll, müssen wir aber dieses Zusammenleben regeln. Wir werden mit dem Wolf leben müssen, aber wir müssen uns wehren können.“ Als Schultes mit möglichen Angriffen von Wölfen auf Menschen (Griechenland) argumentiert, ist vereinzelt Widerspruch aus dem Publikum zu hören.

Österreich als ‚Meeting point‘ der Wölfe
Um Objektivität bemüht ist der Wildtierkundler und Ökologe Walter Arnold, der eingangs einen kurzen Abriss über die Entwicklung der Populationen des Wolfs in Europa gibt. Er bezeichnet Österreich als Meeting point, an dem sich Wölfe immer wieder treffen, jedoch weiterziehen. Die Distanzen seien gewaltig,

1.000 Kilometer zu überwinden sei für einen Wolf normal. Warum Wölfe in Mitteleuropa so zunehmen, man geht von Zuwachsraten von 30 Prozent aus, erklärt Walter so: Einerseits ist es der strikte Schutz, andererseits die Ernährungsgrundlage, die das ermöglicht: Wölfe konnten, etwa auch in Österreich, nicht allein dadurch ausgerottet werden, indem sie verfolgt wurden, sondern auch durch die Übernutzung des Wildbestandes. In Niederösterreich war in der Monarchie des Rotwild praktisch ausgerottet und dem Wolf damit die Nahrungsgrundlage entzogen.

Das Klischee vom romantischen Städter
Interessant ist, wie in der Diskussion mehrfach auf die Gegensätze eingegangen wird, die die Emotionen beim Thema Wolf hervorrufen. Eine Wortmeldung aus dem Publikum formuliert es so, dass nicht so sehr der Landwirt gegen den Wolf stünde, sondern das romantische Bild der Städter gegen die realitätsnahe Einschätzung der ruralen Bevölkerung. Wie romantisch Städter den Wolf sehen, wenn sie etwa mit ihrem Hund wandern gehen, sei dahingestellt. Eine andere Stimme aus dem Publikum plädiert jedenfalls für einen größeren Blick, bei dem es um die Natur gehen müsse und uns alle, die darin leben. Eine Sichtweise, die wohl auch der des Wissenschaftlers entspricht. Walter Arnold ergänzt, dass das Negativimage, das der Wolf hat, auch von der Tollwut stamme. Mit der Ausrottung einer Tierart würden sich Probleme, etwa auch mit Krankheiten, aber rasch verlagern. Das aktuelle Problem etwa mit dem Fuchsbandwurm hätte man deshalb, weil es durch die Ausrottung der Wölfe so viele Füchse gebe. Walter: „Wir müssen realisieren, dass wir in einer Kulturlandschaft leben, in der jedes Wildtier gleich welcher Art ge-managed werden muss, weil wir Menschen allein durch unsere Präsenz in so hoher Zahl der entscheidende Lebensraumfaktor sind. Wir haben keine unberührte Natur mehr. Das ist alles Kulturlandschaft. Die Natur könnte sich schon selbst regulieren, aber das Ergebnis würde uns in den meisten Fällen nicht gefallen.

Weiterlesen zum Thema? BIORAMA widmet sich der Rückkehr des Wolfs laufend – in zahlreichen ausführlich recherchierten Artikeln, Interviews und Kommentaren. Eine Übersicht findet sich hier. Gute Gründe, keine Angst vor dem Wolf zu haben, führt Kurt Kotrschal, Leiter des Wolf Science Center in Ernstbrunn, hier an.

Mit dem Wolf leben lernen

Einst haben wir ihn ausgerottet, dann streng geschützt, jetzt kommt er zurück in unsere Lebensräume. Weil Zusammenleben gelernt sein will, widmet BIORAMA dem Thema Wolf eine Informationsseite – in Kooperation mit dem WWF.

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