Thermische Verwertung?

Einiger Kunststoff wird mit dem Restmüll verbrannt. Diese Nutzung ist problematisch.

Eine brennende PET-Flasche
BILD: istock.com / simonkr

Wer als Kind mit Lagerfeuer und offenem Feuer hantierte, erinnert sich wohl noch an die lebhaften Warnungen, keine Kunststoffe mit dem Holz und Papier zu verbrennen. Denn hier entstehen giftige Stoffe, die man nicht einatmen sollte. Die Filter, Anlagen und Prozesse zur Säuberung von Abluft, die von Müllverbrennungsanlagen in die Luft geblasen wird, sind in den vergangenen Jahrzehnten ebenso besser geworden wie die entsprechenden Regulierungen strenger. Die Giftstoffe – Dioxine beziehungsweise Furane – entstehen bei Verbrennung von Kunststoffen aber immer noch. So belastete Filteraschen und Stäube werden heute beispielsweise in Salzgestein in unterirdischen Stollen endgelagert. Wobei noch weitgehend unklar ist, was in Zukunft damit geschehen soll oder was künftige Generationen einmal mit dem giftigen Abfall tun sollen.

Furane
Polychlorierte Dioxine und Furane sind organische Schadstoffe, die in der Umwelt schwer abgebaut werden. Für Menschen und Tiere sind sie giftig.

Gesammelt – und dann?

Das ist aber nicht der einzige Grund, warum die Verbrennung von Kunststoffen – auch »thermische Verwertung« genannt – nur dann sinnvoll ist, wenn vorher alle anderen Methoden der Wiederverwendung und Aufbereitung ausgeschöpft wurden. Und davon ist man noch weit entfernt. Eine Studie aus dem Jahr 2019 in Deutschland zum »Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland« der Kunststoffindustrie hat ergeben, dass im Jahr 2019 in Deutschland 20,2 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert wurden – dem gegenüber stehen im gleichen Jahr 6,3 Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen. 99 Prozent der Kunststoffabfälle wurden verwertet, davon 47 Prozent stofflich und 53 Prozent energetisch. 2019 wurden in Deutschland also rund 3,3 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle verbrannt. Ein Grund: Noch immer sind viele der in gelben Säcken und Tonnen gesammelten Verpackungen nicht sortier- und recyclingfähig. Was selbstverständlich erscheint, ist es jedoch nicht. Verbindliche Standards zur Recyclingfähigkeit werden vom Gesetzgeber nicht vorgegeben.

Müllexport Als Teil des Europäischen Green Deals und des Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft hat die Europäische Kommission den Export von unsortiertem Kunststoffmüll in Nicht-OECD-Länder verboten.

Importierter Abfall

Laut der 2020 veröffentlichten und von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie »Mehrweg statt Müllberge« des Österreichischen Ökologie-Instituts fallen in Österreich pro Jahr 900.000 Tonnen Plastikabfall an. Bis zum Jahr 2021 wird das Aufkommen an Kunststoffabfällen laut Schätzungen des Umweltbundesamtes, auf die sich die Studie beruft, auf rund eine Million Tonnen anwachsen. Davon wurden 2017 nur 28 Prozent recycelt – rund 70 Prozent werden thermisch verwertet. Und während in Deutschland Müll zwar zunehmend weniger, aber immer noch exportiert wird, importiert Österreich Kunststoffabfälle – um sie dann zu verbrennen. Per 1. Jänner 2021 hat die Europäische Kommission den Export von Kunststoffabfällen in Länder, die nicht der OECD angehören, übrigens verboten. Ausgenommen davon sind »saubere« Kunststoffabfälle, die in der Folge recycelt werden.

»Bei der Verbrennung von Kunststoffen entstehen Giftstoffe. Die so belasteten Filteraschen und Stäube werden teilweise in Salzgestein in unterirdischen Stollen endgelagert.«

Ineffizient

Nun kann Kunststoff zwar statt Kohle, Öl und Gas verbrannt werden, um Energie zu gewinnen. Das ist aber ziemlich ineffizient, da bei der Verstromung von Abfällen der Wirkungsgrad bei etwa 20 Prozent liegt. 2018 wurde rund ein Prozent der Nettostromerzeugung in Deutschland aus Abfall in Müllverbrennungsanlagen gewonnen. Nicht nur aus diesem Grund warnen die Deutsche Umwelthilfe und andere Verbände davor, dass der deutsche Ausstieg aus Kohleenergie nicht bedeuten darf, dass Kraftwerksbetreiber – potenziell unterstützt durch Förderungen – ihre Kraftwerke in Müllverbrennungsanlagen umbauen, um Teile der Anlagen weiternutzen zu können. Stattdessen sollte in den Ausbau anderer Formen der erneuerbaren Energie investiert werden – auch wenn die Verbrennung biogener Abfälle wie von Papier und Speiseresten als erneuerbar bezeichnet wird. Darüber hinaus ist in der EU übrigens ungeklärt, wie die Müllverbrennung in den Regelungen rund um den Emissionshandel bewertet wird.

Die thermische Verwertung von Müll ist im Gegensatz zur Deponie wahrscheinlich meist die bessere Lösung. Sie kann aber nur dort eine Antwort sein, wo andere Verwertungsformen nicht möglich sind. Denn zur Energiegewinnung kennt man bereits bessere Lösungen. Und man könnte durch Gesetze zur Recycelbarkeit von Kunststoffen auch für die Verwertung von Kunststoff bereits bessere Lösungen als die Verbrennung fixieren.

Ergänzung, 18. 10. 2021:

Wird in Deutschland Kunststoffabfall von Müllverbrennungsanlagen zugekauft, um den Brennwert des Restmülls zu erhöhen?

Um die Frage eines Facebook-Nutzers zu beantworten, wurde bei der Deutschen Umwelthilfe nachgefragt, ob Müllverbrennungsanlagen zu diesem oder einem anderen Zweck Kunststoffabfall zukaufen. Im folgenden wird aus der Antwort zitiert:
»Uns liegen keine Hinweise dazu vor, dass für die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen Kunststoffabfälle zugekauft werden. Restmüll in Deutschland hat im Schnitt einen Heizwert von 8000–11.000 kJ/kg, was nach Aussagen der AnlagenbetreiberInnen für eine selbstständige Verbrennung nach dem Anzündevorgang reicht.«

Dass Kunststoffabfälle den Heizwert erhöhen sei allerdings nicht nur unproblematisch: »So führt der gestiegene Kunststoffanteil etwa in der Anlage der AWM München teils zu einer zu heißen Verbrennung, was auf Dauer Anlage und Aggregate schädigt bzw. den Durchsatz verlangsamt.«

BIORAMA #73

Dieser Artikel ist im BIORAMA #73 erschienen

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