Das große 1×1 für Sex und Menstruation

Sex und Menstruation – zwei Themen, die vor allem in Kombination noch immer viele Mythen und Missverständnisse nach sich ziehen. Das muss nicht sein.

Nur 15 Prozent aller Frauen gehen während ihrer Menstruation ihrer gewohnten sexuellen Tätigkeit nach. Dabei kann Sex während der Periode auch Vorteile haben. Martina Gröschl von der Wiener Jugendberatungsstelle räumt Mythen rund um Sex und Menstruation aus dem Weg. Bild: iStock.com/PhotographyFirm.

Starten wir beim Thema Periodensex mit einer kurzen Aufklärungsstunde für alle, die sich vor einem großen Blutbad fürchten. Insgesamt verlieren Personen mit Menstruation nur rund 30–70 Milliliter Periodenblut pro Monat – das entspricht also nur einer kleinen Kaffeetasse und keinem litergroßen Eimer. Warum es manchmal gerade beim (vaginalen) Sex blutiger wird? Es wird angenommen, dass sich durch die Muskelkontraktionen während des Geschlechtsverkehrs tatsächlich mehr Gebärmutterschleimhaut löst. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Periode danach kürzer ausfallen kann, weil die Schleimhaut schneller abgeblutet wird.

Mythen und Missverständnisse

Noch immer bestehen beim Thema Sex und Periode gerade bei der jungen Generation viele Missverständnisse. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass das tabuisierte Thema auch in Filmen und Jugendmedien in den wenigsten Fällen auftaucht und auch die Mainstream-Werbung durch den Einsatz von blauem Blut nach wie vor Unreinheit in Sachen Periodenblut suggeriert. 
Auch in sexualpädagogischen Workshops kommen ganz grundlegende Fragen, Unsicherheiten, Ängste und  viele Mythen bezüglich der Regelblutung der Frau auf: Will ein Mädchen Sex während der Regelblutung, was kann man tun gegen Regelbeschwerden, kann ein Mädchen während der Regelblutung schwanger werden oder wenn sie noch gar nicht ihre Tage hatte? All diese Fragen könnten oder dürften mitunter nicht im Freundeskreis oder in der Familie besprochen werden, sagt Sozialarbeiterin Martina Gröschl, die die Jugendsuchtberatung Wiener Neustadt (Niederösterreich) leitet. »Es stimmt überhaupt nicht, dass Jugendliche – und auch Erwachsene – rund ums Thema Sex keine Fragen mehr haben, weil eh alles im Internet steht«, denn man müsse auch zu filtern lernen: Wo werden nur Mythen reproduziert, wo findet man fundierte Information? »Natürlich finden sie online Pornos, auch welche im Zusammenhang mit Menstruation, aber sie suchen ja Informationen über echte Sexualität.« 
Laut einer Befragung der Menstruationsplattform Erdbeerwoche unter 1100 Jugendlichen in Österreich aus dem Jahr 2017 glauben beispielsweise 53 Prozent der Buben, dass Menstruation der Verhütung dient. Hinzu kommt, dass die Begriffe Menstruation und Masturbation gerne verwechselt werden, und 17 Prozent der Mädchen und jeder dritte Junge geben an, gar nicht zu wissen, was Menstruation bedeutet. Das Frauengesundheitszentrum Graz hat 2017 in einer verhältnismäßig kleinen Studie 150 junge Mädchen befragt und hierbei herausgefunden, dass zehn Prozent der Mädchen überhaupt mit niemandem über ihre Periode sprechen. In eine ähnliche Richtung deuten auch die Erfahrungen von Martina Gröschl: »Die Mädels sagen gern ›da unten‹ und haben wenig Gespür für ihren Körper. Und je mehr Werbung und Umwelt einem gerade als jungem Menschen suggerieren, dass der Körper klinisch sauber sein muss, desto mehr Distanz entwickelt man zu seinem Körper.«
Insgesamt sei das Thema Menstruation bei den jungen Menschen, mit denen Gröschl zu tun hat, schon ein Tabu, Fragen zu Sex während der Menstruation würden selten direkt gestellt. »Auf das Thema angesprochen reagieren die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unseren Workshops – unabhängig vom Geschlecht – uns gegenüber mit: ›Wäh! Das will ich überhaupt nicht.‹ Wir versuchen, Verständnis dafür zu erreichen, dass diese Fragen individuell zu beantworten sind, und wir möchten ihnen ein partnerschaftliches Verständnis von Sex näherbringen – eines, in dem man miteinander über Sex redet.«

Warum Sex während der Menstruation sogar Vorteile hat

Gemäß einer internationalen Studie der Zyklus-App Clue und des Kinsey Institute Condom Use Research Team gehen nur 15 Prozent aller befragten Frauen während der Menstruation ihren gewohnten sexuellen Aktivitäten nach. Wer sich an den ersten Tagen der Periode vor Regelschmerzen krümmt, kann das gut nachvollziehen. Aber egal ob alleine oder mit PartnerIn: Sex löst Glückshormone aus, die bei der Entspannung helfen können und deswegen ein heißer Tipp gegen Regelschmerzen sind. 
Auch interessant: Die Hormone in der Zyklusphase der Menstruation können bei manchen Frauen das Lustempfinden aktivieren, wodurch aufgrund der erhöhten Durchblutung im gesamten Uterus-Bereich sogar die Orgasmusfähigkeit gesteigert werden kann. Zusätzlich hat das Menstruationsblut den Vorteil, dass es sich um einen Mix aus Scheidenflüssigkeit und Gebärmutterschleimhaut und somit um ein natürliches Gleitgel handelt.

Periodensex-Tipps für AnfängerInnen und Fortgeschrittene

1. Drüber reden!

Damit es zu keinen blutigen Überraschungen kommt: Drüber reden hilft auch bei diesem Thema! Es muss keiner und keinem der Beteiligten peinlich sein und Blut lässt sich – egal ob vom Körper oder vom Laken – abwaschen.

2. Tampon oder Menstruationskappe entfernen 

Während des Penetrations-Sex sollte kein Produkt in der Vagina getragen werden. Es gibt zwar Produkte und sogar Menstruationstassen, die damit werben, dass sie auch während des Geschlechtsverkehrs verwendet werden können, aber die Notwendigkeit soll hier infrage gestellt werden. Apropos Menstruationskappe und Sex: In einer Umfrage der Erdbeerwoche im Sommer 2020 unter 2165 Frauen in Österreich und Deutschland gaben knapp 20 Prozent der Menstruationstassennutzerinnen an, dass sich ihr Sexleben durch die Menstruationstasse verbessert hat, zum Beispiel weil sie ihren Körper besser kennengelernt haben. 

3. Verhütung?!

Abhängig vom Zyklus können die potenziell fruchtbaren Tage auch schon während der Menstruation beginnen, da Spermien mehrere Tage in der Gebärmutter überleben können. Alle, die nicht schwanger werden – oder ein Kind zeugen – möchten, sollten also auch in der ersten Zyklusphase an Verhütung denken. Abgesehen vom Schutz vor Krankheiten empfiehlt es sich auch aus anderen Gründen, ein Kondom zu benutzen. Die Scheidenflora verändert sich meist während der Periode und kann aus dem Takt geraten, sodass auch ein erhöhtes Risiko besteht, sich Infektionen zuzuziehen. Was viele auch nicht wissen: Während die Scheide ein saures Milieu bevorzugt, ist Sperma basisch und kann somit die empfindliche Vaginalflora auch mal stören, was die Entstehung von Intiminfektionen begünstigt. Ein Kondom kann somit auch vor harmlosen, aber lästigen Erscheinungen wie einem Scheidenpilz schützen.

4. Nimm ein Handtuch oder wechsle den Ort

Wer Flecken auf dem Leintuch oder sonst wo vermeiden will, legt einfach ein Handtuch unter. Falls doch mal was danebengeht, einen alten Haushaltstrick anwenden: Den Stoff mit kaltem Wasser auswaschen. Auch dunkle Bettwäsche schützt vor Flecken. Wer es sich noch einfacher machen will, wechselt einfach in die Dusche oder Badewanne.

5. Relax 

Wie immer beim Sex: Entspannung hilft! Und gerade bei Regelschmerzen kann Sex in unterschiedlichster Form eine entspannende Wirkung haben. Einfach ausprobieren, was guttut!

6. Spiel & Spaß

Meistens geht es beim Thema Sex während der Menstruation nur um das Vermeiden von Kontakt zu bestimmten Körperflüssigkeiten. Für alle Fortgeschrittenen geht es aber auch anders: Wer sich besonders wohlfühlt, kann das Menstruationsblut ja auch spielerisch in den Liebesakt einbauen. Somit sind der Fantasie auch in dieser Zyklusphase keine Grenzen gesetzt.

Martina Gröschl leitet die Jugendsuchtberatung der Jugendberatungsstelle Wiener Neustadt und arbeitet an Niederösterreichs Plattform für Mädchenarbeit »Lotta Girlsbase«.
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