Leise stapfen im Schnee

Einsam durch den Schnee zu stapfen ist nicht nur pandemietauglich, auch aus gesundheitlichen Gründen spricht einiges dafür.

Schneeschuhwandern nah
Schneeschuhwandern gilt nicht nur als relativ ungefährlich, sondern auch als gesund. Bild: Istock.com/Gibsonpictures.

Gerade im Winter schleicht sich schnell der Schlendrian ein. Auch vielen, die das restliche Jahr über begeistert Berge besteigen, regelmäßig laufen oder in die Pedale treten, liefern Nebel und Eis, Kälte, Wind und Matsch einen willkommenen Grund, besser drin zu bleiben. Und plötzlich ist der Bewegungsmangel latent und Kontakt mit frischer Luft gibt es nur beim Stoßlüften. All das schwächt das Immunsystem, macht anfällig für Verkühlungen, die wiederum – ein Teufelskreis der Behaglichkeit – als Grund durchgehen, es sich doch besser drin bequem zu machen. Dabei gibt es – auch abseits der Pisten und teurer, aufwändiger Skiwochen – im Winter genügend Möglichkeiten für schweißtreibende Aktivitäten im Freien. Besonders beliebt seit einigen Jahren: Schneeschuhwandern.


Material
Lange waren Schneeschuhe meist aus Aluminium. Fürs alpine Gelände werden mittlerweile aber Modelle aus Kunststoff empfohlen – für besseren Grip.
Ergonomisch passende Schneeschuhe gibt es auch in Kindergrößen.

Einzige Voraussetzung für dieses intensive Naturerlebnis ist naturgemäß, dass genügend Schnee liegt. Sonst braucht es aber nichts als ein Paar Schneeschuhe in Griffweite – und ein Outfit, das sich in mehreren Zwiebelschichten gut an die aufkommende Hitze anpassen lässt. Denn, so Bergführer Josef Essl vom Alpenverein Innsbruck: »Man glaubt gar nicht, wie anstrengend Schneeschuhwandern sein kann.« Wie schnell einer/einem dabei warm wird, hängt von der Gehgeschwindigkeit ab, vom Steigungsgrad, Gegenwind, Wetter und von der Grundkonstitution. Von Vorteil: Schneeschuhwandern braucht keine Vorbereitung, kein Vorwissen, es ist günstig und kann auch im Flachland flexibel praktiziert werden. »Vom Kindesalter bis zum Opa – Schneeschuhwandern ist für jeden sofort erlernbar«, sagt Essl. Er rät, auf Schneeschuhen jedenfalls mit Stöcken unterwegs zu sein (»für ein besseres Gleichgewicht«) und es, gerade zu Beginn, besser gemächlich anzugehen, um sich nicht zu überfordern.

Gesund und weitgehend ungefährlich

»Schneeschuhwandern ist eine sehr gelenkschonende Sportart. Zudem ist sie ideal geeignet, um die Kondition und das Herz-Kreislauf-System zu trainieren.«


Patrick Weninger, Facharzt für Orthopädie und Sportverletzungen

»Die Sportart ist einfach zu erlernen und macht viel Spaß, da die Lernkurve steil ist und man sich in der Natur befindet. Das Verkanten im patzigen Schnee ist eigentlich die einzige Gefahr«, sagt Patrick Weninger, der als Orthopäde und Traumatologe auf Knie- und Sportverletzungen spezialisiert ist. Zwar könne es auch auf Schneeschuhen zu Verletzungen des Kniegelenkes kommen (speziell Meniskus- oder Bänderverletzungen sind dabei möglich). Diese seien allerdings selten und ließen sich durch ein wenig Training vermeiden. Aus orthopädischer Sicht sei deshalb die Schonung der Gelenke beim Schneeschuhwandern besonders hervorzuheben, betont der Sportmediziner. Denn massive Drehbewegungen werden dabei vermieden, die Belastung erfolgt eher in der Bewegungsachse des Kniegelenkes und nicht in Form von Rotationsbewegungen.

Core-Muskulatur und Cardio-Training

Wer öfters auf Schneeschuhen steht, trainiert dabei die Muskelgruppen am vorderen Oberschenkel (Quadrizepsmuskel), beim Verwenden von Stöcken außerdem die Oberarmmuskulatur. »Da der Untergrund uneben ist, trainiert man beim Schneeschuhwandern auch die Koordinationsfähigkeit«, sagt Weninger, »dementsprechend auch die sogenannte Core-Muskulatur, somit handelt es sich um ein ganzheitliches Muskeltraining.« Insgesamt erachtet er die Sportart als ideal, um die Kondition und das Herz-Kreislauf-System zu trainieren.

Schneeschuhwandern Tour
Kein Fehler, es auch beim Schneeschuhwandern anfangs mit geführten Touren zu versuchen, z. B. am Sonnblick, wo das Salzburger Raurisertal am Rande des Nationalparks Hohe Tauern auch einen kostenlosen Tälerbus anbietet. Bild: Istock.com/Gibsonpictures.

Darüber hinaus gehöre auch im Winter »unbedingt darauf geachtet, Flüssigkeit mitzunehmen – und die Finger und das Gesicht vorm Auskühlen zu bewahren«. Wer sich vorher außerdem aufwärmt und nach dem Abschnallen der Schneeschuhe Dehnungsübungen macht, reduziert das Verletzungsrisiko abermals.

Gedankenlosigkeit kann allerdings fatale Folgen haben, wie Bergführer Josef Essl betont: »Sobald ich mich ins alpine Gelände bewege, habe ich Sonde, Schaufel und LVS-Gerät mitzuführen. Viele unterschätzen die Lawinengefahr, weil sie denken, mit Schneeschuhen kann eh nichts passieren.« Auf diese Gefahr weist auch Stephan Jaroschek hin, Sprecher der AOK Baden-Württemberg.

Es braucht nur Planung und Schnee

Er empfiehlt EinsteigerInnen, die Route im Vorfeld sorgfältig zu planen und sich anfangs, um Erfahrung zu sammeln, einem/einer FührerIn oder einer Gruppe anzuschließen. Den gesundheitlichen Nutzen des Durch-den-Schnee-Stapfens sieht jedenfalls auch die in Stuttgart ansässige Krankenkasse. Weil die SportlerInnen durch den Schnee und die Art der Bewegung deutlich mehr Kraft und Ausdauer anwenden müssen als beim herkömmlichen Wandern auf befestigten Wegen, sei, sagt Sprecher Jaroschek, »unter Umständen beim Schneeschuhwandern sogar von einem größeren Effekt auf den gesamten Organismus auszugehen«. Wohl ein Grund dafür, warum in Deutschland im Rahmen einer »Aktivwoche« mittlerweile neben der AOK Baden-Württemberg auch viele andere Krankenkassen Zuschüsse für Aktivaufenthalte gewähren, bei denen auch geführte Schneeschuhwanderungen angeboten werden. Vorerst gilt das beispielsweise in den Bergsteigerdörfern im Tiroler Wipptal. Es ist aber vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die Idee auch im Flachland verbreitet. Denn wie gesagt: Steigung braucht es zum Schneeschuhwandern keine. Nur Schnee.

Rücksicht auf Wildtiere
Wenn wir beim Schneeschuhwandern in die winterlichen Rückzugsräume von Wildtieren eindringen, flüchten diese oft, bevor wir sie wahrnehmen. Dabei verbrauchen sie viel Energie und verenden im schlimmsten Fall geschwächt. Daher niemals Tierspuren verfolgen!

BIORAMA #76

Dieser Artikel ist im BIORAMA #76 erschienen

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