Regionale Produktion als Rendite

Nach dem Vorbild der in Freiburg und Hamburg bestehenden Regionalwert AGs soll nun auch Österreich eine bekommen. Die GründerInnen Andrea Heistinger und Alfred Schwendinger im Interview.

Andrea Heistinger und Alfred Schwendinger sind zwei der InitiatorInnen der Regionalwert AG Krems, der ersten ihrer Art in Österreich. Sie suchen BürgerInnen, die in den Ausbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten zur Produktion regionaler Biolebensmittel investieren.

BIORAMA: Warum gründet ihr eine Regionalwert AG?

Andrea Heistinger: Meine Motivation ist das Wissen, dass die regionale Produktion gesunder Biolebensmittel nur durch das Investment von VerbraucherInnen gesichert werden kann. Unternehmerisches Handeln ist in diesem Sektor nur durch das Investment von sehr viel Geld möglich. Um einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft zu schaffen, muss ich – damit wird gerechnet– rund 400.000 Euro investieren. Viele Menschen wollen sich hier engagieren, haben dafür aber dasKapital nicht. Andererseits haben Menschen Kapital und wissen nicht, wohin am besten damit.

BIORAMA: Wer steht dahinter?
Andrea Heistinger:
Eine Gruppe von über 50 Menschen. Frauen und Männer, junge Menschen, die gerade mit ihrer Ausbildung fertig sind, mitten im Arbeitsleben stehen oder gerade in Pension gegangen sind. Und: Einige BiopionierInnen. Darunter Reinhild Frech-Emmelmann für den Bereich Gemüsezüchtung, Ernst Gugler für den Bereich nachhaltige Druckverfahren, Alfred Schwendiger für die Naturkostläden oder Alfred Grand für regionalen Kompost.Woran beteiligt sich die Regionalwert AG? Nur an ProduzentInnen und VerarbeiterInnen von Lebensmitteln?

BIORAMA: Woran beteiligt sich die Regionalwert AG? Nur an ProduzentInnen und VerarbeiterInnen von Lebensmitteln?
Alfred Schwendinger: Wir konzentrieren uns auf die Biolebensmittelwertschöpfungskette vom Saatgut bis zum Teller, inklusive Einzelhandel und Gastronomie – in der Region. Also vor allem Produktion, Verarbeitung und Handel von Lebensmitteln, aber da kann prinzipiell auch eine Abfüllanlage oder eine Steuerberatungskanzlei dabei sein.

Andrea Heistinger: Alles, was wir machen, ist bio. Eine Ausnahme könnte ich mir in Form von betrieben vorstellen, die gerade in der Umstellung, also im Prozess der Biozertifizierung sind, vorstellen. Die Details werden die Diskussionen der kommenden Wochen bringen, unser Konzept entsteht nicht nur auf dem Papier. Wir haben Vorstellungen, aber es braucht auch die UnternehmerInnen, die das machen – sie werden die Ausrichtung mitprägen. Ein Beispiel: In vielen Schulen wird nach ernährungsphysiologischen Konzepten gekocht, die 50 Jahre alt sind. Wenn jemand ein Biocatering für Schulen mit einem guten Konzept anbietet, würden wir das gern unterstützen. Doch es wird sicherlich kein Geld in Betriebe fließen, die absehbar nicht rentabel sind.

BIORAMA: Wo endet die Region?
Alfred Schwendinger: Mit den Grenzen Niederösterreichs.Es gibt bereits Beteiligungsgesellschaften. Was ist Rechtsform und Alleinstellungsmerkmal dieser Regionalwert AG?
Andrea Heistinger: Das Grundkonzept ist, dass Menschen aus einer Region sozial und ökologisch verantwortungsvolle Wertschöpfungskreisläufe aufbauen. Die Kriterien für die Investments wird der Aufsichtsrat in den nächsten Monaten ausarbeiten. Und wir haben einen Beratervertrag mit Christian Hiss (Entwickler des Konzepts der Regionalwert AGs in Deutschland). Aber wir machen hier keine Kopie der Regionalwert AG in Freiburg, wir setzen unsere Schwerpunkte selbst. Wir sind eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Diese gibt vinkulierte Namensaktien aus. Das heißt, es ist uns bekannt, wem die Aktien gehören, und diese dürfen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates der Regionalwert AG gehandelt werden.

BIORAMA: Was ist eine »Bürgeraktie« und wie viele darf einE BürgerIn halten?
Alfred Schwendinger: Die Bürgeraktie kann nur eine Person – auch eine juristische Person – lösen. Wir zielen darauf ab, dass viele BürgerInnen jeweils wenige solcher Namensaktien halten und nicht nur zwei, drei wesentliche EigentümerInnen. Eine Beschränkung diesbezüglich wird in der Satzung festgelegt werden. Ein Vorbild könnte Deutschland sein, da liegt sie bei 20 Prozent.

BIORAMA: Mit welcher Reaktion der Finanzmarktaufsicht wird gerechnet?
Andrea Heistinger:
Das Konzept Regionalwert AG ist in Deutschland in Abstimmung mit der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht entstanden und ich gehe davon aus, dass auch die österreichische Finanzmarktaufsicht grünes Licht geben wird. Wir legen Wert darauf, dass die Betriebe, in die investiert wird, betriebswirtschaftlich eigenständig agieren können – mit Kapital der Regionalwert AG. Wir sind keine Bank. Die Eigenkapitalquoten, die bei einem Betrieb für ein Investment durch die Regionalwert AG Voraussetzung sind, müssen erst festgelegt werden.


BIORAMA: Wie werben Sie für Investments?
Alfred Schwendinger:
Viele fragen: Ist das eine Spende oder ein Investment. Ich antworte: Es ist ein Investment, dass dazu dienen soll, mehr regionale, biologische Produkte in der Region auf den Teller zu kriegen. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern man muss an diese Produkte auch praktisch und unkompliziert herankommen.
Die Aktionäre werden in ein Miteinander mit den Unternehmen treten, mit dem Ziel, sukzessive zu einer Kostenwahrheit zu kommen: Es sollen die Kosten, die in einem Betrieb anfallen, um verantwortungsvoll zu wirtschaften, von den KonsumentInnen getragen werden. Regionalwert AGs sollten Übergangslösungen sein.

BIORAMA: Wann gibt es Aktien?
Alfred Schwendinger:
Wir streben an, Anfang September zu gründen und Anfang 2021 die ersten Aktien auszugeben. Eine Aktie wird 500 Euro plus Agio kosten.

BIORAMA: Was sind die Parallelen und Unterschiede, die sich zum deutschen Vorbild abzeichnen?
Alfred Schwendinger:
Ein Unterschied zur ersten Regionalwert AG, die vor 15 Jahren in Freiburg gegründet wurde, ist die große Anzahl unserer GründerInnen: fast 50. Bei der Grundstruktur der AG und den Kriterien für die Betriebe werden wir uns sehr an die deutschen Vorbilder anlehnen. Für mich ist es natürlich ein Ziel, mehr Einnahmen zu lukrieren – ob uns das gelingt, bleibt spannend.
Was wir aber vermeiden wollen: dass vom Anlagekapital relativ viel für die laufenden Kosten – etwa die Personalkosten der Regionalwert AG – verwendet wird, statt als Investmentkapital.
Ich persönlich habe auch bei der Gemeinwohlgenossenschaft (Projekt »Bank für Gemeinwohl«, Anm. d. Red.) eingelegt – Das war eine wertvolle Erfahrung, aber die Einlage von 1000 Euro war dann nach ein paar Jahren nicht einmal mehr 500 Euro wert. Das kann uns auch passieren, das muss allen klar sein. Ich hoffe aber, dass unser Aufsichtsrat hier Grenzen einziehen wird, also dass zum Beispiel maximal 10 Prozent der Einlagen für den laufenden Betrieb aufgewendet werden dürfen.

BIORAMA: Aber Sie haben es trotzdem nicht bereut?
Alfred Schwendinger: Nein. Ich komme aus der Bildungsarbeit und weiß, wie wichtig Bewusstseinsbildung ist. Das hat die Genossenschaft ja geleistet. Geld gab es dafür nicht ausreichend, der Ansatz war trotzdem gut. Wenn man nichts probiert, geht auch nichts.
Man sollte nicht unterschätzen, dass die Leute bereit sind, Geld in die Hand zu nehmen, um ihren Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen.

BIORAMA: Woran erkennen die Aktionäre, dass sinnvoll investiert wird?
Andrea Heistinger: Es gibt eine ausführliche Berichtspflicht, durch die ökologische und soziale Kriterien über von Christian Hiss entwickelte Kennzahlen Eingang in die Buchhaltung findet. Das heißt, wir schielen nicht nur auf die Rendite. Durch ein Schielen auf die Rendite kann man die Welt nicht ändern. Und: Eine Geldanlage in Form von Aktien einer Regionalwert AG ist keine Geldanlageform für den Notgroschen, in den ersten Jahren ist nicht mit einer monetären Rendite zu rechnen.
Schnelle Effekte gibt es an anderer Stelle, nämlich durch den Zuwachs an regionaler Versorgungssicherheit mit wertvollen Lebensmitteln aus artgerechter Tierhaltung und gesunden Böden durch die Schaffung von neuen Betrieben in der Biolebensmittelwirtschaft.

Andrea Heistinger
Die Agrarwissenschaftlerin ist Organisationsberaterin und Biogartenbuchautorin – unter anderem durch ihre Bücher vermittelt sie einem breiten Publikum die Relevanz von Biogartenbau und Sortenvielfalt.

Alfred Schwendinger
Der Getreide- und Erdäpfelbauer in Maria Laach am Jauerling ist Biobauer seit 1984 und Betreiber vom EVI – Bioladen und Biorestaurant in Krems.
Mehr Information: regionalwert-ag.at

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