Großer Tag – kleiner Fußabdruck
Vermeintlich notwendige Hochzeitsusancen – und ihre Vermeidung.

Wer heiratet und es nicht radikal spartanisch angeht, hat einiges zu organisieren, unter Umständen auch tief in die Tasche zu greifen. Vom Hochzeitskleid übers Festbuffet bis zur Hochzeitsreise kostet alles Geld. Und am Ende stellt sich heraus, dass die ganze Festlichkeit in ökologischer Hinsicht katastrophal ist. Mit etwas Planung und ein bisschen Nachdenken lässt sich der Fußabdruck auch einer großen Hochzeitsgesellschaft deutlich verringern – und eine Menge Geld sparen.
Kleider und Anzüge
Kleidung für einen Tag – ein weniger nachhaltiger Kauf ist kaum denkbar. Wer nun versucht, aufgrund der kurzen Einsatzzeit von Hochzeitskleid und -anzug sehr preisgünstig einzukaufen, landet schnell bei in der Produktion wie im Gebrauch umweltschädlicher Fast Fashion, die oft auch unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurde. Die Alternative lautet Erbstücke aus dem Kasten holen oder die verheirateten FreundInnen fragen, ob sie bereit zum borgen sind. Außerdem gibt es inzwischen auch vielfältigere Möglichkeiten, sich das Hochzeitsgewand bei einem professionellen Verleih zu borgen – das spart Platz, denn schließlich tragen die meisten, selbst wenn mehrfach geheiratet wird, ein Hochzeitsensemble nur ein Mal im Leben. In der Regel bewegen sich die Mietpreise bei Hochzeitskleidern bei etwa 50 Prozent des Kaufpreises, bei Anzügen kommt man noch deutlich günstiger weg.
Ein Drittel lässt sich scheiden
2023 heirateten in Österreich 45.855 Paare, 14.721 Paare ließen sich scheiden. 1955 PartnerInnenschaften wurden eingetragen und 181 aufgelöst. In Deutschland gab es im selben Jahr 360.979 Eheschließungen und 129.008 Scheidungen.
Essen und Trinken
Am Ende ist es immer zu viel. Deshalb ist es sinnvoll, den zentralen Teil jeder Hochzeitsfeier von Beginn an genau zu planen. Es kommt nicht nur darauf an, was gegessen wird, sondern auch darauf, wie treffsicher Mengen kalkuliert werden. Mittlerweile ist ins Bewusstsein der meisten Menschen vorgedrungen, dass die Verschwendung von Lebensmitteln ein gesellschaftliches Problem ist. Deshalb darf man auf Verständnis dafür setzen, wenn das Buffett zu irgendeinem Zeitpunkt auch mal leer ist. Will man das nicht, sollte zumindest für plastikfreies Verpackungsmaterial gesorgt werden, in das die ausdauerndsten Partygäste am Ende noch Reste fürs Frühstück einpacken können. Regionale, biologisch erzeugte Lebensmittel beim Hochzeitsschmaus sorgen dafür, dass die Verpflegung erheblich nachhaltiger ist. Denn biologische Produktion verbessert die CO2-Bilanz der landwirtschaftlichen Produktion, vor allem aber sorgt sie nachweislich für lebendigere Böden und belastet Luft, Gewässer und unsere Nahrung nicht mit Präventiv-Antibiotika und chemisch-synthetischen Spitz- und Düngemitteln. Wenn Fleisch und Fisch allenfalls in Nebenrollen vorkommen, ist die Klimabilanz gleich nochmal ehrheblich verbessert.
Übrigens gilt auch für den Blumenschmuck: Wenn nur der Händler in der Region gesucht wird, die Blumen aber in anderen Teilen Europas oder der Welt unter massivem Pestizideinsatz produziert wurden – was leider der Normalfall ist –, haben sie eine verheerende Ökobilanz. Glücklicherweise gibt es inzwischen Bioblumen und immer häufiger auch auf bioregionale Produktion spezialisierte Blumenhändler und FloristInnen.
Die billigste Variante
Wer es einfach, günstig und garantiert nachhaltig haben will, geht aufs Standesamt. Für eine Eheschließung oder Verpartnerung benötigt man auf der Behörde nicht mehr als ein paar Dokumente.
In Österreich sind ein Staatsbürgerschaftsnachweis und ein amtlicher Lichtbildausweis mitzubringen. In Deutschland brauchen die Heiratswilligen einen Auszug aus dem Geburtenregister, eine Meldebescheinigung sowie einen Ausweis. Für die Ausstellung einer Eheurkunde verlangen die Berliner Standesämter zwölf Euro – jedes weitere Dokument kostet sechs Euro. In Wien ist eine standesamtliche Trauung oder Verpartnerung ab 70 Euro zu haben. Dafür gibt es laut der Homepage der Stadt Wien einen besonderen Service: »Jedes Standesamtsreferat verfügt über eine Partybox«, mit der mitgebrachte Musik abgespielt werden kann – und das »kostenlos«, wie extra angemerkt ist.
25 Autos
Die Anreise von Hochzeitsgästen belastet das Klima. Je größer die Hochzeitsgesellschaft ist und je weiter die zurückgelegten Wege sind, desto mehr CO2-Ausstoß verursacht die Anreise zur Feier. Ein Rechenbeispiel für 50 mit dem Auto anreisende Gäste macht dies deutlich. Wenn diese 50 Personen sich auf 25 Autos verteilen und eine durchschnittliche Anreisestrecke von hundert Kilometern haben, lässt sich mithilfe von Online-CO2-Rechnern Folgendes ermitteln: Jedes Verbrennerauto stößt bereits bei der Anreise im Schnitt 23 Kilogramm CO2 aus. Für Hin- und Rückfahrt ergibt sich bei 25 Verbrennern ein Ausstoß von mehr als einer Tonne CO2. Um klimaneutral zu leben, darf eine Person nicht mehr als 0,6 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verursachen. Rechnet man den CO2-Verbrauch bei der Anreise der Gäste dem heiratenden Paar zu, dann hat dieses an ihrem schönsten Tag die genannte maximal verträgliche Jahresmenge an CO2 bereits fast zur Gänze verbraucht. Um dies zu vermeiden, sollte der Ort der Feierlichkeit so gewählt werden, dass die Anreise für alle Beteiligten möglichst kurz und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen ist. Auf letzteres sollte man die Gäste auch hinweisen.
Gold und Diamanten
Eheringe aus Gold und diamantenbesetzter Hochzeitsschmuck sind nie aus der Mode gekommen. Dabei kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass keines der beiden Materialien in ökologischer und sozialer Hinsicht nachhaltig gewonnen werden kann. Diamanten lückenlos zurückzuverfolgen ist schwierig. Das liegt daran, dass Diamanten zwischen Abbau und Verkauf an den Endkunden so oft die Hände wechseln, dass ihre Herkunft in vielen Fällen trotz Zertifikaten verschleiert ist. Technische Lösungen – etwa Gravuren oder Hologramme in Diamanten – werden immer wieder diskutiert, wurden aber bislang noch nicht umgesetzt. Wer dennoch nicht auf Diamanten verzichten will, kann auf Gebrauchtschmuck zurückgreifen. Eine weitere Möglichkeit sind Labordiamanten. Künstlich hergestellte Edelsteine haben nicht nur den Vorteil, dass ihre Herstellung sozial und ökologisch nachhaltiger ist – sie sind auch weit billiger als herkömmliche Diamanten.

Goldabbau wiederum hat in ökologischer Hinsicht in jedem Fall negative Auswirkungen. Das Edelmetall wird am häufigsten mithilfe von Quecksilber oder Cyanidlaugen aus dem Gestein gelöst. Dabei entstehen nicht nur gesundheitsgefährdende Dämpfe und Abfälle, sondern auch große Mengen an Giftmüll. Luft, Boden und Gewässer werden verschmutzt, die Gesundheit der GoldarbeiterInnen ist stark gefährdet. Einige Hersteller von Goldschmuck sind auf Recyclinggold spezialisiert. Dieses wird aus alten Stücken ebenso gewonnen wie aus Zahngold oder anderen nicht mehr verwendeten Goldgegenständen. Für Recyclinggoldschmuck wird also kein Gold abgebaut, sondern bereits vorhandenes zu neuem Glanz gebracht. Die Umweltzerstörung für das Produkt ist hier also schon etwas länger her – da es für Gold immer Nachhfrage gibt ist es Abwägungssache, ob man Recyclinggold bevorzugt.
Heizpilze und Elektrostrahler
Der klassische Monat zum Heiraten ist der Mai – deshalb sind an diesen Wochenenden alle Locations lange vorher ausgebucht. Nun spricht nichts dagegen, auf einen anderen Monat auszuweichen. Im Sommer funkt die Urlaubsplanung dazwischen. Bleibt die kühlere Jahreszeit. Wer dann den Gästen den Aufenthalt im Freien durch Heizpilze oder Strahler ermöglichen will, sollte sich das zweimal überlegen. Der Verbrauch aller Außenheizgeräte ist bei geringer Heizwirkung sehr hoch – mit anderen Worten: es ist Energieverschwendung. Gasbetriebene Heizpilze haben zudem einen hohen CO2-Ausstoß. Eine 11-Liter-Flasche Flüssiggas setzt etwa 20 Kilogramm CO2 frei. Würde man beispielsweise drei Heizpilze über einen Zeitraum von sechs Stunden betreiben und dabei die drei Flaschen jeweils zu etwa einem Viertel leeren, würde man dabei insgesamt 15 Kilogramm CO2 freisetzen. Man sollte also einfach damit rechnen, dass das Wetter nunmal auch kalt oder regnerisch ausfallen kann, und sich damit abfinden. Drinnen ist es dann eh gemütlicher. Mit Zurverfügungstellung von ein paar gut waschbaren Decken und einem Hinweis darauf auf der Hochzeitseinladung ist man aus dem Schneider.
Im chinesischem Stil
Hochzeiten sind teuer. Beim Essen oder bei der Location will kaum jemand sparen, noch weniger bei Kleidung und Schmuck. Bei der Dekoration darf es aber schon ein bisschen billiger sein. Trash ist in, und online ist dieser am billigsten zu haben. Bei chinesischen Onlinehändlern wie Temu gibt es fast alles zu unschlagbaren Preisen. Temu versendet per Flugzeug, weshalb es besonders schnell geht – und besonders klimaschädlich ist. Per Flugzeug versendete Waren weisen einen höheren CO2-Abdruck als etwa per Container verschiffte Waren auf. Allerdings wäre der Verzicht auf Wegwerfdeko aus Plastik ohnehin die bessere Variante. Die Alternativen liegen auf der Hand: Ausleihen, Secondhandkauf oder selber basteln – am besten aus Naturmaterialien, jedenfalls nicht mit Bastelbedarf und Glitzer aus Polyester.
Alter bei der Hochzeit
Wie alt Menschen sind, wenn sie heiraten, hängt davon ab, wo sie leben. In ärmeren Weltregionen liegt das Durchschnittsalter für Frauen bei knapp über 20 Jahren, Männer heiraten etwas älter. In Mitteleuropa steigt das Heiratsalter ständig und liegt derzeit für Frauen bei knapp über und bei Männern bei Mitte 30.
Hochzeitsreise
Die Flitterwochen an exotischen Stränden zu verbringen, ist immer noch weit verbreitet. Dabei sind die Fakten klar: Fliegen ist die mit Abstand klimaschädlichste Art des Reisens. Wer darauf trotzdem nicht verzichten will, sollte zumindest eine kurze Reise vermeiden und die Hochzeitsreise mit einem längeren Urlaub verbinden. Die Flitterwochen könnten aber auch der Anlass dafür sein, mal etwas Neues auszuprobieren und mit Zug, Fahrrad, Schiff oder zu Fuß zu verreisen.
Wer auf manche traditionelle oder eingebildete Konventionen verzichten kann, heiratet oft günstiger, stressfreier und vor allem nachhaltiger. Viele Bräuche machen vielleicht gar niemandem besondere Freude – und sind somit einfach verzichtbar. Andere können etwas adaptiert werden, um schonender für Umwelt und Geldbörse auszufallen. Bestimmte Kleidung oder Dekoration sind eher gesellschaftliche Erwartungen als echte Notwendigkeiten. Opulente Feste sind auch ohne endlos Plastikmüll und Autokilometer möglich – und wer sich auf das für ihn Wesentliche konzentriert, erlebt vielleicht ohnehin eine entspanntere Feier – und schont dabei auch die Umwelt.
Stichwort Party: Eine kleine Anleitung, wie Events im Grünen auch im kleineren Rahmen deutlich umweltfreundlicher gestaltet werden können.
BIORAMA #96