Neues aus der Giftküche – Monsantoprozess

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Monsanto Tribunal nennt sich ein Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen, die dem Konzern nächstes Jahr den Prozess machen wollen – symbolisch. Gleichzeitig wird über die erneute Zulassung des umstrittenen Pflanzengifts Glyphosat gestritten.

2004: Ein französischer Landwirt atmet bei der Feldarbeit das Unkrautvernichtungsmittel „Lasso“ ein, spuckt daraufhin Blut und muss ins Krankenhaus eingeliefert werden. Seitdem leidet er an neurologischen Problemen: Gedächtnisverlust, Stottern, chronische Kopfschmerzen. Dafür verantwortlich macht er den Megakonzern Monsanto – der amerikanische Saatgut- und Herbizid-Hersteller wurde in den letzten Jahren zum Symbol für Umweltverbrechen im großen Stil, Lobbying und die Schattenseiten der Agrarindustrie.

Der Vorwurf des Bauern lautet, der Hersteller hätte nicht genügend über die Gefahren der Substanz informiert. Er gewann einen Prozess und der Konzern musste den Getreidebauern schließlich finanziell entschädigen. Das von ihm verwendete Mittel ist außerdem nicht mehr zulässig. Doch die geltende Zulassung von Glyphosat, einem Bestandteil von Pestiziden wie Monsantos “Roundup” – von der WHO und der Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft – wird gerade von der EU-Komsission und Mitgliedsstaaten diskutiert. Die aktuelle Zulassung läuft im Frühjahr 2016 aus. Mehrere andere Produkte des Konzerns stehen unter Verdacht, schwer gesundheitsschädigend zu sein. Die Vorwürfe an den Marktriesen wurde in den letzten Jahren immer lauter und zahlreicher, Initiativen wie March Against Monsanto, die seit 2013 immer wieder zu weltweiten Protesten aufriefen, haben regen Zulauf.

Selbstmord Saatgut

Im Fall des französischen Landwirts gewann eine Einzelperson erstmals einen Prozess gegen Monsanto. Doch es gibt viele, die indirekt oder unmittelbar unter den Auswirkungen der Firma leiden:

Sensible Ökosysteme werden gestört, Kleinbauern wird ihre Existenz erschwert und sozial-politische Probleme entstehen, wie zum Beispiel in Indien: Der Konzern kaufte 1999 den größten lokalen Anbieter von Saatgut auf. Es wurden gentechnisch veränderte Baumwollpflanzen eingeführt. Monsanto gelang es in kurzer Zeit, praktisch den gesamten Markt des Landes für Baumwoll-Saatgut zu kontrollieren, sodass selbst Bauern, die eigentlich kein gentechnisch verändertes Saatgut kaufen wollten, keine Alternative mehr hatten, da kein anderes Produkt mehr am Markt erhältlich war.

Der Konzern kontrolliert Landwirte, die ihr Saatgut verwenden und patentiert es, sodass die Verwendung der Saat aus der letzten Ernte illegal wird, wodurch es jede Saison neu gekauft werden muss. Außerdem besteht der Verdacht, dass die sogenannte Terminator Technologie eingesetzt wurde: Das ist ein System zur Kontrolle, um die Fortpflanzungsfähigkeit des Samens ohne die Frucht zu beeinträchtigen. So verlieren Feldfrüchte ihre Keimfähigkeit.

Schließlich entstand für die Bauern in Indien der Zwang, das Monsantoprodukt zu verwenden, das aber fast sechs mal teuerer als das bislang verwendete ist. Die Kosten wurden teilweise untragbar, Existenzen wurden zerstört und die Selbstmordrate unter den Bauern stieg rasant an. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie bestehende Agrar-Systeme durch die Ausnutzung von Marktmacht dauerhaft geschädigt werden. Die Liste der Vorwürfe ließe noch sehr lange weiterführen. Eines scheint klar: Monsanto hat eine immense Machtposition in der globalen Agrar- und Lebensmittelindustrie, und das funktioniert nicht ohne sehr effektives politisches Lobbying.

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Anklagepunkt Ökozid

Am 3. Dezember ging eine neue Initiative mit Sitz in Amsterdam, die sich Monsanto Tribunal nennt, mit ihrem Vorhaben an die Öffentlichkeit. Terminlich natürlich nicht zufällig am Rande des Klimagipfels und in Paris stattfindend. Die industrielle Landwirtschaft, welche Monsanto verkörpert, ist schließlich laut  Klimaschützern massgeblich für die Freisetzung von Treibhausgasen mitverantwortlich.

Ziel der Initiative ist ein Prozess gegen Monsanto, der von 12. bis 16. Oktober 2016 in Den Haag ausgetragen wird. Anklagepunkt: „Mord am Ökosystem“ – Ökozid. Das Tribunal setzt sich aus Vertretern verschiedener Umweltorganisationen, NGOs und Einzelpersonen zusammen. Unter ihnen ist auch die Inderin Vandana Shiva, die zahlreiche Initiativen zum Schutz der Artenvielfalt gestartet hat. 2003 wurde sie vom Time Magazine als Heldin der Umwelt gewürdigt und 2010 vom Forbes Magazin als eine der sieben mächtigsten Frauen bezeichnet. Das Patronat des Monsanto Tribunals übernimmt Marie-Monique Robin, Investigationsjournalistin und Schriftstellerin, die Buch und Film „Mit Gift und Genen – Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert“ geschrieben hat.

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Der (Schein-)Prozess

Es soll darum gehen, die zahlreichen Vorwürfe gegen Monsanto zu überprüfen, transparent zu machen und den Ökozid als Verstoß gegen das internationale Völkerrecht anzuerkennen. „Die Anerkennung des Ökozides als Verbrechen kann in Zukunft garantieren, dass die Menschenrechte, das Recht auf unversehrte Umwelt und das Recht der Natur geschützt werden“, heißt es auf der Homepage. Dazu sollen Fallbeispiele, unabhängige Gutachten und Zeugenaussagen von Betroffenen herangezogen werden. Laut zahlreichen Kritikern des Konzerns wurden beispielsweise Studienergebnisse manipuliert, um die Schäden an Umwelt und Menschen durch seine Produkte zu vertuschen. Die Verhandlungen des Monsanto Tribunals sollen ein Präzedenzfall werden und maßgeblich richtungsweisend im zukünftigen rechtlichen Vorgehen gegen Megakonzerne sein, denn Monsanto ist natürlich nicht das einzige Problemkind. Das Gericht beruft sich auf die im Jahre 2011 von der UNO verabschiedeten Leitlinien betreffend Menschenrechte und Unternehmen. Wie genau der Prozess aber im Detail gestaltet wird und ob Monsanto teilnimmt, oder sich von Pflichtverteidigern vertreten lässt, steht noch nicht genau fest. „Das Tribunal wird formell keinen rechtlich-juristischen Status haben und wird auch nicht staatlich finanziert. Aber es gibt echte Kläger, Verteidiger und Richter“, so Arnaul Apoteker, Vertreter des Tribunals: „Echte Konsequenzen sollen natürlich auch folgen“.

Die Welt gegen Monsanto

Zur Finanzierung wurde nun ein Crowdfunding-Kampagne gestartet: Es soll die größte Finanzierungsaktion dieser Art werden, denn die Kosten für den Prozess sind hoch: Für den Moment schätzt der Lenkungsausschuss das notwendige Budget für das Tribunal auf eine Million Euro.

Hier geht’s zur Homepage des Monsanto Tribunals

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