Bio-Saatgutwerk vor Wien

In den Saatgutwerken der Raiffeisen Ware Austria (RWA) in Korneuburg, Niederösterreich, werden jährlich Tausende Tonnen Saatgut aufbereitet. Jetzt wurde ein Bio-Saatgutwerk eröffnet. Was ist bio am Biosaatgut?

Worin unterscheidet sich konventionelles Saatgut von biologischem? Foto: Lucia Scarpatetti.
Worin unterscheidet sich konventionelles Saatgut von biologischem? Foto: Lucia Scarpatetti.

Im Jahr 2019 wurden 25 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen Österreichs biologisch bewirtschaftet. Biolandwirtschaft beginnt beim Saatgut. Bevor das Biokorn zu den BäuerInnen gelangt, wird es nach biologischen Kriterien – von anderen LandwirtInnen – produziert, und dann in Saatgutwerken aufbereitet und kontrolliert, so zum Beispiel von der Raiffeisen Ware Austria (RWA).

An einem Freitag Anfang September versammelten sich weitaus mehr Menschen am RWA Gelände in Korneuburg, als an einem gewöhnlichen Wochentag. Rund 400 TeilnehmerInnen, darunter hauptsächlich LandwirtInnen, nahmen am Bio-Symposium der RWA in einer Lagerhalle teil. Der Grund? Die RWA eröffnete ein Bio-Saatgutwerk.

Die RWA ist das Großhandels- und Dienstleistungsunternehmen der Lagerhausgenossenschaften in Österreich. Sie ist ein Beteiligungskonzern mit Tochterunternehmen wie dem »Agro Innovation Lab«, welches Start-ups aus der Agrarbranche beim Markteinstieg unterstützt. Die Marke »Die Saat« ist für Handel, Lagerung, Bearbeitung, Verarbeitung und Verwertung land- und forstwirtschaftlicher Produkte zuständig. Damit sind nur zwei von vielen Subunternehmen und Marken der RWA genannt.

1/3 des RWA-Saatguts zukünftig bio

In der Saatgut-Branche ist die RWA jedenfalls nicht wegzudenken. Im Saatgut-Kompetenzzentrum in Korneuburg werden jährlich Tausende Tonnen an Saatgut aufbereitet. Saatgutwerke reinigen Saatgut. Abhängig von der Getreidesorte durchläuft das Saatgut verschiedene Maschinen. Es wird kurzes von langem und leichtes von schwerem Korn getrennt. In manchen Fällen wird das Saatgut auch nach Farbe sortiert.

Bisher wurde biologisches Saatgut in denselben Saatgutwerken wie konventionelles Saatgut aufbereitet. Das Saatgut-Kompetenzzentrum wurde nun um ein Bio-Saatgutwerk erweitert. Dafür wurden knapp sieben Millionen Euro in die Hand genommen. Zukünftig werden in Korneuburg 20.000 Tonnen Getreide aufbereitet. Mit 6.000 Tonnen wird Biosaatgut knapp ein Drittel der Ware ausmachen. Das heißt aber auch, dass weiterhin zwei Drittel konventionelles Saatgut aufbereitet wird.

Im neuen Bio-Saatgutwerk der RWA werden künftig 6.000 Tonnen biologisches Saatgut aufbereitet. Foto: Lucia Scarpatetti.

»Ziel der gemeinsamen Bio-Saatgutstrategie von RWA und Lagerhäusern ist es, der Biolandwirtschaft speziell geeignete, hochqualitative Sorten in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen«, erklärt der zuständige RWA-Bereichsleiter für Saatgut, Johann Blaimauer. Die 6.000 Tonnen Biosaatgut werden für ungefähr die Hälfte der biologischen Ackerfläche in Niederösterreich ausreichen.

Was ist bio am Bio-Saatgutwerk?

Das neue Bio-Saatgutwerk unterscheidet sich nicht von den herkömmlichen Saatgutwerken. Die Reinigungsprozesse sind dieselben. Im neuen Bio-Saatgutwerk wird zukünftig aber ausschließlich Biosaatgut aufbereitet. Das Bio-Saatgutwerk entstand also vor allem aus logistischen Gründen.

Bei den Saatgutwerken kann also kein Unterschied festgestellt werden. Beim Saatgut aber schon. Was Saatgut biologisch macht, sind zwei Bedingungen. Erstens kommt das Getreide aus zertifiziert biologischer Landwirtschaft. Das wird im neuen Bio-Saatgutwerk auch geprüft. Nach dem Reinigungsprozess entnehmen Roboter in einem gewissen Intervall Proben des Saatguts, welche dann auf Reinheit, Keimfähigkeit und Besatz untersucht werden. Die Ergebnisse bieten die Basis für die Saatgut-Anerkennung und Bio-Zertifizierung.

Schädlingsbekämpfung ohne Gas

Der zweite Unterschied zwischen herkömmlicher und biologischer Saatgutaufbereitung findet sich in der Entwesungsmethode. Wenn bei Stichprobenentnahmen von Saatgut Schädlinge gefunden werden, müssen diese bekämpft werden, um das Saatgut verwenden zu können. Dieses Vorgehen heißt Entwesung oder Desinsektion.

Eine CO2-Druckentwesungsanlage vernichtet Schädlinge im Saatgut. Diese Methode zur Entwesung ist biozertifiziert. Foto: Lucia Scarpatetti.

In der konventionellen Saatgutaufbereitung wird die Entwesung mittels Pflanzenschutzmittel auf Phosphorsäurebasis durchgeführt. Diese Methode ist in der biologischen Landwirtschaft nicht erlaubt. Die RWA investierte daher 500.000 Euro in eine CO2-Druckentwesungsanlage. Diese biozertifizierte Methode entwest Saatgut innerhalb von zwei Stunden. Die Bio-Saatgutaufbereitungsanlage der RWA ist damit die erste, die eine CO2-Druckentwesungsanlage verwendet. Bisher kam diese Anlage in Österreich nur bei den Gewürz- und Kräuterherstellern Sonnentor und Kotanyi zum Einsatz.

Die Anlage kann übrigens nicht nur Getreide entwesen, sondern alles Mögliche – von Büchern bis zu Antiquitäten. Die RWA wird diese Methode auch als Dienstleistung anbieten.

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