Die Katze: Der neue König der Tiere

Im Fahrwasser des Menschen hat es die Hauskatze bis in die hintersten Winkel der Welt geschafft. Ob seltener Singvogel, Gottesanbeterin oder Haselmaus – vor ihren Krallen und ihrem Killerinstikt ist nichts mehr sicher. Katzenbuch-Autorin Abigail Tucker über Kindchenschema, Giftköder und das Erfolgsgeheimnis des „Superraubtiers“, das Australiern bereits als gefährlicher als der Klimawandel gilt.

„Fühle mich irrational zu Hauskatzen hingezogen“, gesteht Abigail Tucker, Wildlife-Journalistin und Autorin „Der Tiger in der guten Stube“. Ihr Katzenbuch ist ein Bestseller und wird sich als Standardwerk behaupten.

BIORAMA: Wie geht es Cheetah?
Abigail Tucker: Traurigerweise ist meine armer Cheetoh – sein Name war ein Wortwitz aus „Cheetah“ und einem amerikanischen Käsesnack namens Cheetos – schon bald nachdem ich mein Buch beendet hatte, gestorben. Ich bin noch nicht bereit für eine neue Katze. Cheetoh war so ein bemerkenswertes Individuum und die Muse hinter meinem Buch.

Gab es einen Moment in dem Ihnen bewusst wurde, dass Ihr Liebling eigentlich ein „Löwe im Wohnzimmer“ ist (wie das Buch ja auch im englischen Original betitelt wurde)?
Abigail Tucker:
Ich war schon immer fasziniert wie sehr der Körperbau von Hauskatzen jenem von anderen, größeren Mitgliedern der Katzenfamilie, etwa dem Leoparden, ähnelt. Eine gescheckte Katze ist einem Tiger deutlich ähnlicher als ein Pudel einem Wolf. Was ich bei meinen Recherchen gelernt habe, ist, wie die kleinen Hauskatzen eigentlich ihre großen Cousins von der Spitze der globalen Nahrungskette verdrängt haben und zu einem der dominantesten Organismen auf Erden wurden. Die Hauskatze ist tatsächlich der neue König der Tiere. Das 21. Jahrhundert war und ist eine schreckliche Zeit für die meisten wilden Großkatzen, weil die Menschen ihre Territorien und ihre Beute in Besitz genommen haben. Aber kleine Hauskatzen haben vom menschlichen Regime erst Recht profitiert! Der Löwe, zum Beispiel, war einst das am weitesten verbreiteten Landsäugetiere weltweit. Diese Ehre gehört heute der bescheidenen Hauskatze.

Im deutschen Buchtitel – „Der Tiger in der guten Stube“ – werden Katzen nicht mit Löwen verglichen, sondern mit Tigern. Ist dieser Tigervergleich nicht deutlich treffender, weil unsere Hauskatzen ein eher einzelgängerisches und asoziales Leben führen?
Abigail Tucker:
Ja! Hauskatzen verhalten sich eher wie Luchse, Leoparden, Tiger oder andere einzelgängerische Katzenartige. Löwen leben in familienbasierten Rudeln und sind als einzig wirklich sozial lebende Katzen die Ausnahme zur Regel. Nichtsdestotrotz gibt es eine Annäherung: Ein Grund dafür, dass Hauskatzen die Weltherrschaft übernommen haben, ist ihre unglaubliche Flexibilität. Sie können sich an neue Ökosysteme, andere Klimabedingungen, neue Beutetiere anpassen. Und diese Flexibilität umfasst sogar ihr Sozialleben. In engen Gässchen und Stadtgebieten haben Katzen gelernt, gemeinsam in familienbasierten Sozialverbänden zu leben – fast so wie in einem Löwenrudel. Sie tun das, um Schlüsselressourcen wie Müllcontainer mit Speiseresten kontrollieren zu können. Und das ist durchaus vergleichbar mit dem Grund, warum sich Löwen zusammengetan haben – um besonders beutereiche Wasserstellen für sich allein zu haben.

In Australien werden Katzen mittlerweile als gefährlicher für die Biodiversität erachtet als die globale Klimakrise. Katzen werden von Kammerjägern als Schädlinge bekämpft, in Fallen gefangen und mit „Eradicat“ wurde sogar ein eigens für Katzen gedachter Giftköder entwickelt. Alles mit dem Ziel, bedrohte und seltene Tierarten zu retten, von denen viele gern von verwilderten Katzen gefressen werden. Die am weitesten verbreitete Methode der Katzenkontrolle – das Einfangen, Kastrieren und anschließende Freilassen, ist in seiner Wirksamkeit aber nicht wirklich überzeugend. Wie soll die Menschheit im Zeitalter des Anthropozän mit 600 Millionen Katze umgehen?
Abigail Tucker:
Es gibt weltweit so viele Hauskatzen, von denen die meisten nicht aufs Füttern oder menschliche Obhut angewiesen sind, dass ich ehrlich gesagt glaube, dass wir an einem Punkt angelangt sind, wo wir wenig tun können. Es ist schon unglaublich schwierig, eine Katzenpopulation von einer kleinen, unbesiedelten Insel wegzukriegen – ganz zu schweigen von Australien! Wissenschaftler haben alles Erdenkliche versucht – von der Jagd mit Bluthunden bis hin zu Biowaffen, nichts hat richtig funktioniert. Weil Katzen so unglaublich reproduktionsfähige Überlebenskünstler sind. Du musst nur zwei von ihnen übersehen und die Population wird in atemberaubender Geschwindigkeit wieder hochschnellen! Offensichtlich sollten wir deshalb vermeiden, die Probleme noch schlimmer zu machen. Wir sollten unsere Katzen kastrieren und behutsamst darauf achten, dass unsere Kätzchen nicht auch noch jene Ökosysteme erobern, die bislang noch vor ihnen sicher waren. Darüber hinaus ist uns das Problem entglitten – und auch höchst kompliziert durch das Faktum, dass Menschen Katzen lieben. Ihre Zahl zu reduzieren ist das Letzte, was die meisten Menschen wollen!

Noch wirken sie exzentrisch: Katzen an der Leine. An diesen Anblick werden wir uns gewöhnen. (Foto: Theresa Sarah Kaspar)

Haben Sie jemals darüber nachgedacht wie groß eine verträgliche, sagen wir ruhig „gesunde“ Hauskatzenpopulation sein könnte?
Abigail Tucker: Aus der Perspektive eines Öko-Hardliners wäre das globale Ideal wahrscheinlich eine glatte Null! Ganz einfach weil es sich bei Katzen um eine invasive Spezies handelt, die Ökosysteme stört und dabei unvermeidbar auch noch Krankheiten verbreitet. Kompromissbereite Umweltschützer sagen deshalb, dass ausschließlich indoor gehaltene Haus- und Wohnungskatzen okay sind. Man könnte argumentieren, dass es die hundert Millionen Streunerkatzen und die verwilderten Tiere draußen sind, die das Problem darstellen. Aber die Realität ist natürlich komplizierter. Einige Haustiere entkommen immer und pflanzen sich in Freiheit fort. Außerdem stören und zerstören auch die Millionen Wohnungskatzen weit entfernte Ökosysteme ohne dass wir es mitbekommen – etwa weil sie Millionen Tonnen wild gefangenem Fisch als Dosenfutter vertilgen. Öko-Puristen könnten deshalb sagen, dass Hauskatzen am besten gleich gar nicht existieren sollten. Ich selbst bin aber selbstsüchtig genug, über Hauskatzen froh zu sein, weil sie uns so viel Freude bereiten.

Seine Besitzerin feiert McKinley mit einem eigenen Instagram-Account. Dort werden Ausflüge der stets an der Leine ausgeführten „Adventure Cat“ dokumentiert. (Foto: Charlotte Simons)

Neuseeland hat vor einiger Zeit ein Programm namens „PredatorFree2050“ gestartet, mit dem es alle eingeschleppten Raubtiere loswerden möchte, weil diese eine ernsthafte Bedrohung für die ursprüngliche, einheimische Tierwelt darstellen. Alle Bewohner Neuseelands sind eingeladen, sich am Eliminieren von Mäusen, Ratten und Marderartigen zu beteiligen. Katzen allerdings werden in der großangelegten #PredatorFree2050-Kampagne nicht einmal erwähnt, weil das Töten von verwilderten Katzen ein Tabu darstellt. Wie lassen sich denn Katzenhalter davon überzeugen, dass ihre Haustiere eine Bedrohung für die Biodiversität sind?
Abigail Tucker: Neuseeland ist in einer verzwickten Position: Obwohl es eine sehr verwundbare Insel-Umwelt hat, in der gerade Hauskatzen eine große Bedrohung für die Tierwelt und sogar die Landwirtschaft sind, gibt es prozentuell nirgendwo sonst weltweit derart viele Katzenhalter wie in Neuseeland. Die Neuseeländer vergöttern ihre Katzen! Sie sind sogar berühmt dafür einen Weißwein zu produzieren, der nach Katzenpisse riecht. Anderswo haben Behörden versucht, eine klare Unterscheidung zwischen Hauskatzen und verwilderten Katzen zu treffen – etwa in Australien, wo die Regierung Katzen regelrecht verteufelt und Geld investiert, um innovative Mittel zu finden wie sie vergiftet werden können – während zeitgleich verboten wird, Katzen die Krallen zu ziehen. Was mir das etwas lächerlich erscheinen lässt, weil Hauskatze und verwilderte Katze biologisch die exakt gleichen Tiere sind – nur dass die eine draußen lebt und die andere nicht. Es gibt da weder eine physische, noch eine moralische Unterscheidung. So gesehen ist es durchaus bewundernswert, dass Neuseeland anerkennt, dass alle Katzen für uns besonders sind – und deshalb anders zu betrachten sind als etwa Ratten. Auch wenn Neuseeland also das Problem mit den verwilderten Katzen gegenwärtig nicht löst, scheint sich die Regierung doch der Komplexität der Angelegenheit bewusst zu sein und auch der starken, damit verbundenen Emotionen, die für weitere Schritte künftig letztlich wichtig sein könnten. Wenn Katzenbesitzer verinnerlicht haben, welche Gefahren ihre Haustiere potenziell darstellen, dann müssen sie behutsam überzeugt werden.

Wäre eine Katzensteuer oder auch das Bejagen eine gute Idee, um die Katzenpopulation in den Griff zu bekommen?
Abigail Tucker: Das Bejagen von verwilderten Katzen wurde mancherorts versucht und war nicht effizient sofern nicht wirklich alle erlegt wurden. Sowas kann auf Inseln mit ein paar Quadratkilometern durchaus funktionieren, aber in einem Binnenland scheint mir das sehr unplausibel. Von Katzenbesitzern eine Steuer einzuheben könnte sich als schlechte Idee erweisen – es könnte Katzenhalter veranlassen, ihre Katzen auszusetzen, was das Problem mit den streunenden und verwilderten Tieren verschärfen könnte.

In Ihrem Buch schildern Sie auch einen Besuch in der Zentrale des höchst schlagkräftigen Propaganda-Netzwerks „Alley Cat Allies“, eine NGO, in der sich vor allem von Katzenbesitzerinnen engagieren und gegen Stadtverwaltungen und Gemeinden vorgehen, in denen die Kolonien von verwilderten Streunerkatzen verkleinert werden sollen. Wie kommt es, dass sich Tierschützer oft nicht um komplexe Umweltbelange zu kümmern scheinen?
Abigail Tucker: Ich find die Katzenfürsprecher ja auf eine Art faszinierend und fast inspirierend. Manchmal war es mir aber auch zu viel. In ihrem Hauptquartier außerhalb von Washington DC habe ich bemerkt, dass überall an den Wänden kleine Säcke hängen. Mir wurde gesagt, dass für den Fall eines Feuers alle Angestellten dafür trainiert und vorbereitet wären, die drei verwilderten, dort lebenden Katzen einzufangen, in Säcke zu verfrachten und nach draußen zu retten. Das muss man sich mal vorstellen: Im Angesicht des Infernos nicht zu flüchten, sondern stattdessen einen Haufen halbverwilderter Straßenkatzen einzufangen. Diese Katzen-Lobbyisten lieben alle Tiere, besonders halt Katzen, und würden sich fast bedingungslos für diese einsetzen. In ihrer Überzeugung, dass es nichts bringt, ungewollte Katzen einfach im großen Stil umzubringen, liegen sie weitgehend richtig. Es gibt in ihrem Denken aber auch eine Menge Fehleinschätzungen. Etwa wenn argumentiert wird, dass verwilderte Katzen Wildtiere wären, der genauso nach draußen gehören wie ein Feldhase. Das ist einfach falsch. Und obwohl viele Katzenlobbyisten selbst Vegetarier oder gar Veganer sind, scheinen sie nicht zu bemerken, dass der Schutz all dieser Katzen den Tod so vieler anderer Tiere bedeutet – von seltenen, streng geschützten Nagetieren bis zu den Millionen Hühnern, die im Katzenfutter landen. Nichtsdestotrotz differenzieren die meisten Katzen-Aktivisten sehr wohl. Viele einfache Katzenhalter und auch Menschen, die sich bloß Katzenbilder im Internet anschauen, tendieren dazu diese wesentlichen Frage zu ignorieren.

Sie vergleichen Katzen mit Crack, weil Katzenbesitzer kaum einmal rational und zurechnungsfähig bleiben, wenn es um ihre Haustiere geht. Manche sind regelrecht fanatisch. Geht es Ihnen selbst auch so?
Abigail Tucker: Definitiv, Katzen scheinen die meisten Menschen irrational zu machen. Obwohl Katzen mit uns Menschen nicht nah verwandt sind, gleichen ihr Kopf – die großen Augen, das runde Gesicht und die schroffe Nase – unseren eigenen Gesichtern, vor allem jenen unserer Kinder. Das weckt in uns Emotionen, die normalerweise für unseren eigenen Nachwuchs gedacht sind. Diese menschlichen Gefühle der Fürsorge im Kontext einer nicht-menschlichen Kreatur zu empfinden, das ist doch ein wenig irrational. Ich selbst fühle mich definitiv irrational zu Hauskatzen hingezogen! Gerade das war das Vergnügen bei der Arbeit an meinem Buch: die wahre Geschichte dieser gewaltigen Kreatur, die solche warmen und verwirrend mütterlichen Gefühle auslöst, kennenzulernen. Katzen sind keine hilflosen kleinen Geschöpfe wie unsere Babys. Sie stehen als Raubtiere ganz oben an der Spitze der Nahrungskette und die sitzen am Thron des Planeten.

Nichtsdestotrotz sind auch einige aktivistische Vogelschützer ziemlich radikal, gerade beim Thema Katze.
Abigail Tucker: Die Verrücktheit, die Katzen wecken können, macht auch vor ihren Gegnern nicht Halt. Es gibt gleich mehrere respektierte Ornithologen, die schrecklicher Verbrechen gegen Katzen beschuldigt wurden. Ein Wissenschaftler hat versucht, gleich eine ganze Katzenkolonie zu vergiften. Vielleicht hat dieser irrationale Hass auf Katzen auch ein urtümliches psychologisches Fundament: Obgleich Karten wie kleine Kinder aussehen gleichen sie auch unseren furchteinflößendsten Räubern – Tieren wie Tigern und Löwen, die uns für den größten Teil unserer Existenz als Menschheit als Beute verspeist und mehr menschliche Opfer gefordert haben als jeder andere große Fleischfresser. Dass sie schön und süß sind ändert nichts daran, dass Katzenartige manche Menschen – nachvollziehbarerweise – erschaudern lassen. Und natürlich, Katzen können Vögeln wirklich Schreckliches antun und damit Birdwatcher regelrecht traumatisieren.

In Kanada versucht die Initiative Cats&Birds gewissermaßen zu vermitteln. Sie schlägt vor, Katzen strikt im Haus zu behalten, um diese vor Unfällen, Verletzungen durch Autos und Artgenossen – aber auch um Vögel zu schützen. Ein kluger Ansatz, oder?
Abigail Tucker: Katzen komplett drinnen zu behalten ist der beste Weg, die Umwelt zu schützen. Denn auch wenn wir Katzen in einem zur Gänze eingezäunten Garten halten kann das in der Nähe brütenden Vögeln schaden. Gleichzeitig könnte ein permanentes Dasein als Stubentiger für Katzen Stress bedeuten, die letztlich geboren sind, um an der Spitze der Nahrungskette zu jagen. Wenn Sie also gleichermaßen das Beste für die Umwelt wie für Ihre Katze wollen, dann müssen den Preis auch Sie selbst bezahlen – und ihr Zuhause in ein Katzenparadies verwandeln. Katzenverhaltensforscher wie Jackson Galaxy meinen, dass es mit einem simplen Kratzbaum nicht getan ist. Sie müssen sich darauf einstellen, eine eigens gestaltete Rennstrecke zu bauen und anatomisch korrekte Ersatzbeute zur Verfügung zu stellen, die auch individuell angenommen wird: Manche Katzen bevorzugen es Vögel zu jagen, andere Käfer und wieder andere Nagetiere. Das müssen Sie mit Ihrer Katze halt ausprobieren, um sinnvolles Spielzeug anschaffen zu können.

War Cheetoh eigentlich jemals draußen?
Abigail Tucker: Cheetoh ging gelegentlich nach draußen in den Innenhof, aber unter meiner Aufsicht. Aber ganz ehrlich: Bevor ich mein Buch geschrieben hatte, habe ich mich nicht besonders um das Wohlergehen der lokalen Nagetiere und Singvögel gekümmert – zumindest weniger als um Cheetohs Gesundheit. Wie die meisten Katzenbesitzer blieb mein Liebling hinter Schloss und Riegel, weil ich Angst hatte, was ihm beim Überqueren einer Straße oder bei einer Begegnung mit einem aggressiven Hund passieren könnte. Da ist meine Sichtweise heute doch deutlich anders.

Katzen gelten als ideale Haustiere für Singles oder für Menschen, die in Wohnungen leben. Teilen Sie diese Sichtweise?
Abigail Tucker: Ein Grund, warum die globale Katzenpopulation wächst ist, dass mehr Menschen als früher in Städten leben und Katzen dort als perfekte Mitbewohner angesehen werden. In Realität sind sie das nicht. Katzen können in allen möglichen Umgebungen leben und eine vollgerammelte Wohnung ist da keine Ausnahme. Aber es ist ein ordentlicher Aufwand ein kleines Apartment in einen katzenfreundlichen Ort zu verwandeln. Verhaltensforscher empfehlen beispielsweise, einer Katze einen kompletten eigenen Raum als Refugium zu überlassen. In einer Zweizimmerwohnung ist das nicht wirklich einfach. Typischerweise brauchen Katzen auch mehr als ein Katzenklo – besonders wenn der Raum beengt ist. Je mehr von deinem kostbaren Territorium du als Katzenbesitzer an deinen Mitbewohner abtrittst, desto eher kann er seine Instinkte als Katze ausleben.

Ich musste die Lektüre Ihres Buchs immer wieder unterbrechen, um nach den beschriebenen neu gezüchteten Katzenrassen zu googlen – und war fasziniert, etwa von der Munchkin-Dackelkatze oder von den werwolfartigen Lykoi-Katzen. Am meisten beeindruckte mich aber die These, dass es wohl schon bald Säbelzahnkätzchen geben könnte, weil die Säbelzahn-Mutation im Laufe der Evolution der Katzenartigen immer wieder vorgekommen – und bei weltweit mehr als einer halben Milliarde Hauskatzen relativ wahrscheinlich wäre. Könnten Sie sich vorstellen, sich ein Säbelzahnkätzchen als Haustier zu besorgen?
Abigail Tucker:
Also ich war auch sehr fasziniert von den neuen Designer-Rassekatzen und vor allem wie viele Züchter sich punkto Zuchtideal an der Ästhetik von Großkatzen orientieren. Einige der neuen Hauskatzenrassen sehen aus wie Leoparde oder Luchse – und können die Nachbarschaft in Panik versetzen wenn sie entkommen. Eine Säbelzahn-Variante drängt sich nicht gerade auf, wäre aber vielleicht ein unerwarteter Segen. Die einstigen Säbelzahntiger waren ja eher ungeschickte Jäger, die sich darauf spezialisiert hatten, ihre Zähne in den Nacken von großen, ausgestorbenen Tieren wie dem Mastodon zu schlagen. Bei den geschickten, gut angepassten Beutetieren hätten sie heute im Hinterhof wohl kein leichtes Leben.

In Ihren Reportagen für das Smithsonian Magazine sind Wildtiere in aller Welt Thema. Sie seit weltweit von wilden Tieren. Hat sich Ihr Blick auf wilde Großkatzen und andere Raubtiere durch Ihre Recherche über Hauskatzen geändert?
Abigail Tucker: Mein Buch hat mir geholfen zu verstehen, auf welch dünnen, zerbrechlichen Beinen die Existenz des Tigers steht oder auch das Überleben anderer wild und einschüchternd erscheinender Wildtiere. Großkatzen waren der Terror und Schrecken der Wälder – und jetzt gibt es sie kaum noch. Einige von ihnen werden mit Ende des Jahrhunderts wohl ausgerottet sein, weil sie dem Menschen in die Quere kommen. Auf der anderen Seite kommen Hauskatzen verblüffend gut mit uns aus – was eines der Geheimnisse für ihren Erfolg ist. Erst im Verlauf der letzten paar Jahrhunderte haben die Hauskatzen den Löwenanteil des Planeten beansprucht. Und die Art und Weise wie ihnen dieser globale Coup gelingen könnte – das ist unwirklicher als alles, was man erfinden könnte.

 

Weiterlesen zum Thema? „Massentigerhaltung“ eine ausführliche Rezension von „Der Tiger in der guten Stube“.

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