Wird das Internet of Things wirklich helfen, Energie zu sparen?

Das bunte Innere der Cloud. (Bild: Google)

Die digitale Vernetzung lässt uns pausenlos Strom verbrauchen. An Orten, von denen wir noch nie gehört haben. Wie steht es um den ökologischen Footprint unserer digitalen Aktivitäten?

Wer an den Stromverbrauch seines Smartphones denkt, der denkt zuerst einmal an den Ladestand des Akkus und den Weg zur nächsten Steckdose. Doch um aus dem Handgelenk mit der ganzen Welt kommunizieren zu können, benötigt es eine gigantische Infrastruktur im Hintergrund. Und die frisst Strom. Viel Strom. Rund 5% des globalen Stromverbrauchs sollen die Informations- und Kommunikationstechnologien weltweit verschlingen, so eine 2014 erschienene Studie der Universität Gent. Das sind mehr als 1.000 Terawattstunden pro Jahr – etwa der doppelte Stromverbrauch Deutschlands. Und das Wachstum ist rasant. Alle zehn Jahre soll sich dieser Energiebedarf der Studie zufolge verdoppeln. Dabei stammt ein großer Teil der notwendigen Energie aus fossilen Brennstoffen – allen voran (Braun)kohle.

Die Entwicklung des Verbrauchs ist jedoch von Land zu Land stark unterschiedlich. So liegt der Wert in Deutschland laut Fraunhofer Institut bei etwa 10% – überraschenderweise mit fallender Tendenz. Vor allem umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen seien dafür verantwortlich. Völlig andere Voraussetzungen finden sich in aufstrebenden Nationen wie China oder Indien wieder.

Um die Ausmaße der vernetzten Industrie zu verstehen, hilft es, sich vor Augen zu führen, was mit unseren Klicks auf Smartphone, Tablet und PC eigentlich passiert. Und das beginnt mit der Übertragung der Daten.

Am Daten-Highway

Immer und überall jagen wir unsere Daten durchs Netz. Sogar wenn wir gerade gar nicht auf unser Handy schauen. Dabei gibt es »das« Internet eigentlich gar nicht. Denn es ist nicht nur ein Netzwerk, es sind unglaublich viele. Sie versorgen Städte, Regionen, ganze Länder. Man bezeichnet das Internet auch als das Netzwerk der Netzwerke. Um diese Netzwerke miteinander zu verbinden, braucht das Web Knotenpunkte. Weltweit gibt es mehr als 700 davon. Per Kabel – an Land und unter Wasser – tauschen sie sich aus. Der wichtigste Internetknoten der Welt steht übrigens in Frankfurt. Er trägt den klingenden Namen DE-CIX. Rund 3 Terabyte an Daten werden hier pro Sekunde durchgeschleust. Das sind mehr als eine halbe Million Urlaubsfotos, jede Sekunde. Insgesamt besteht DE-CIX aus 21 über die Stadt verteilten Rechenzentren. Hier werden Bits und Bytes hin und hergeschoben. Dass eine solche Leistung Energie verschlingt, liegt auf der Hand. Während die Betreiber das hohe Datenaufkommen anpreisen, sucht man Informationen zum Energieverbrauch vergeblich.

Von außen unspektakulär: die Infrastruktur des Internets. (Bild: Google)

In der Cloud

Daten müssen verarbeitet werden. Jede elektronische Nachricht, jede Suchanfrage, jede Aktion in einer App – das alles löst Kaskaden von digitalen Vorgängen aus. Und selbst wenn der Benutzer das Smartphone nur in der Hosen- oder Handtasche trägt – es passiert so einiges. Denn viele Apps kommunizieren in regelmäßigen Intervallen selbstständig mit Servern und verschwenden somit (sinnlos) Energie. Hinzu kommen ständig neue und leistungsfähigere Services wie das Streaming von Videos in HD-Auflösung. All das trägt zum unglaublichen Wachstum des Datenverkehrs im World Wide Web bei. Beschränkte sich dieser 1997 noch auf 100 Gigabyte pro Stunde, sind es mittlerweile mehr als 27.000 Gigabyte pro Sekunde. Alle drei Jahre verdoppelt sich diese Zahl.

Verarbeitet und gespeichert werden die gigantischen Datenmengen in Rechenzentren – heute gerne als Cloud bezeichnet. Eine schöne Umschreibung für riesige Hallen voller brummender Server. Alleine der Internetgigant Google betreibt weltweit 16 solcher Rechenzentren. Deren gemeinsames Problem: die große Hitzeentwicklung. So errichtet man Rechenzentren am Polarkreis, verwendet Meerwasser zur Kühlung und nutzt künstliche Intelligenz zur Optimierung. Die Infrastruktur wird effizienter, die Kosten werden gesenkt. Zusätzlich investiert Google in erneuerbare Energieprojekte, die mehr Strom produzieren sollen, als die eigene IT benötigt. Greenpeace schreibt dem Internetgiganten in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle zu. Jedoch sind Rechenzentren Tag und Nacht in Betrieb – auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Faktisch werden also auch Google, Facebook, Apple, Microsoft und die anderen Big und Small Player des Webs weiterhin auf fossile Energiequellen angewiesen sein.

Im Internet der Dinge

Die nächste Stufe der digitalen Vernetzung ist schon greifbar: Das Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IoT). Glaubt man Industriegiganten wie Cisco oder Ericsson, sollen 2020 bereits 50 Milliarden Kleinstcomputer unsere Erde bevölkern. In Form von Sensoren und Mikrochips integrieren sie sich in unser Leben und tauschen permanent Informationen aus. Sie können den Verkehr regeln, unsere Heizung steuern, ganze Städte »smart« machen. Kurz gesagt: Ein effizienteres und einfacheres Leben ermöglichen.

Mit dieser digitalen Zukunft vor Augen ist nicht nur eine Debatte rundum Datenschutz- und Datensicherheit entbrannt. Viele Befürworter sehen in den vernetzten und intelligenten Infrastrukturen das Potenzial, Energie zu sparen und somit CO2-Emissionen zu verringern.

Ein Zielsetzung, die Bettina Köhler kritisch betrachtet – zumindest so lange wir unsere energieintensiven Produktions- und Lebensweisen fortsetzen. Köhler forscht in der Gruppe Internationale Politische Ökologie an der Universität Wien. Schnelle Innovationszyklen würden die Produktion neuer Geräte ankurbeln und somit den Ressourcenverbrauch erhöhen. Lutz Stobbe vom Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration bestätigt diese Ansicht: »Die eingebettete Umweltlast ist gerade bei Consumer-Produkten, also Endgeräten, auf Grund der hohen Stückzahlen enorm.«

Wissenschaft, Industrie und Politik reagieren jedoch: Neben Energieeffizienz stehen heute materialseitige Optimierung, Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit ganz oben auf der Agenda. Natürlich spielen hier auch wirtschaftliche Interessen mit.

Auch bei der Austrian Energy Agency ist man sich der Diskussion rund um das IoT bewusst:

»Einerseits besteht ein großes Potential, weil wir damit viele Prozesse überwachen und auch steuern können. Die Frage ist, ob wir dieses Potential tatsächlich im Hinblick auf eine Steigerung der Energieeffizienz ausnützen können«, so der wissenschaftliche Mitarbeiter Thomas Bogner.

Und wie wird sich das Internet der Dinge nun auf den Stromverbrauch auswirken? Eine Quanitifzierung der Effekte sei derzeit noch nicht möglich, meint Lutz Stobbe. Deshalb werde das IoT auch in der eingangs erwähnten Studie nicht berücksichtigt. »Es muss natürlich irgendeinen Effekt geben, wenn Milliarden von Sensoren, Objekten, Geräten und Maschinen vernetzt Daten produzieren und ferngesteuert werden«, so der Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts.

Wegen des enormen Kühlbedarfs werden Rechenzentren gerne am Polarkreis errichtet. (Bild: Google)

In der Zukunft

Düstere Aussichten? Nicht wirklich. Eine Betrachtung des digitalen Zeitalters sollte nicht einseitig ausfallen. Die fortschreitende Digitalisierung hat uns viele Aufgaben abgenommen, die zuvor mühsam manuell erledigt werden mussten. Einen ökologischen Impact verursachten diese ebenso – meist sogar einen größeren. Eine E-Mail ist wesentlich klimafreundlicher als ein Brief, um ein profanes Beispiel zu nennen. Die Wissenschaft bezeichnet einen Vorgang wie diesen als Dematerialisierung, also eine Reduktion von physischen Stoffströmen. Und auch abseits der direkten ökologischen Auswirkungen, ist der digitale Fortschritt ein wichtiger Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung.

Globale Vernetzung ermöglicht – zumindest theoretisch – nahezu uneingeschränkten Informationsaustausch und kollektives Handeln. Bis 2020 sollen laut UNO auch die wirtschaftlich schwächsten Länder flächendeckend Zugang zum Internet bekommen. Zugang zu Bildung und Information, Einbindung von Menschen mit eingeschränkter Mobilität, wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftliche Teilhabe. Das alles bringt das Informationszeitalter mit sich – wann man die Technologie richtig zu nutzen weiß. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist es absolut legitim und notwendig, die ökologischen Auswirkungen dieser binären Welt zu hinterfragen. Man darf sich ruhig bewusst sein, was ein Klick am Smartphone so auslöst. Man könnte zumindest nicht genutzte Apps löschen und unnötigen Datenverkehr vermeiden. Ob uns das Informationszeitalter jemals helfen wird, Energie zu sparen? Zweifeln darf man.

 

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