Demeter-Fischzüchter für Otter-Regulierung durch Abschüsse

Vorsicht Otter – Verkehrsschild in Slowenien Nähe Murska Sobota. Eigentlich sind Fischotter scheue Tiere. (Foto: Marc Mößmer)

Ohne behutsame Regulierung des Fischotter-Bestands ist im Waldviertel keine nachhaltige Fischzucht möglich, meint Biofisch-Pionier Marc Mößmer. Ein Gastkommentar von Österreichs wichtigstem Biofisch-Züchter.

[Debatte] Vor mehr als 20 Jahren habe ich aus Betroffenheit über die Richtung, in der sich die Fischzucht entwickelt und industrialisiert, mit Ideen zur biologisch geführten Fischzucht angefangen und entwickle sie bis heute über viele Stationen weiter, auch international – und so sind zuletzt Demeter-Fisch-Richtlinien entstanden, die dem höchsten Standard im Bio-Bereich entsprechen.

Dabei ist mir vor allem die sehr naturnahe Karpfen-Teichwirtschaft schon immer ein besonderes Anliegen gewesen, da hier in vorbildlicher Weise im Einklang mit der Natur in all ihrer Vielfalt gearbeitet wird und diese sogar eher gefördert als ausgenutzt wird.

Die typische Fraßspur eines Fischotters. Der Rest des Karpfens bleibt liegen. (Foto: Ökologische Station Waldviertel/Günter Gratzl)

Sehr überraschend ergeben sich daraus in den letzten Jahren dennoch gravierende Probleme, die ich kurz schildern möchte: Am Anfang meiner Laufbahn als Fischzüchter habe ich viele „alte“ Bücher gelesen in denen Aufzuchtverluste (nach der sensiblen Phase als Brütling) von 3 bis 5 Prozent der Fische als normal bezeichnet werden. Und das gilt für jedes Aufzuchtjahr – Karpfen brauchen ca. 3 bis 4 Jahre bis sie als Speisefisch groß genug sind.

Als ich im Jahr 2002 meine jetzige Teichwirtschaft im Waldviertel pachten konnte, lagen die jährlichen Verluste schon bei 10 bis 20 Prozent (im Durchschnitt) und heute sind es gewaltige 30 bis 50 Prozent, mit großen Schwankungen und Ausreißern nach oben.

Selbstverständlich können Fischverluste aus unterschiedlichen Ursachen herrühren – neben natürlichem Tod, Problemen mit Wasser und Sauerstoff, Krankheiten, Schwarzfischerei etc. oder eben aus natürlichen Räubern. Und von diesen Räubern haben sich durch Schutzmaßnahmen in den vergangenen 20 Jahren zuerst Kormoran und Reiher wieder in großer Anzahl an den Teichen zurückgemeldet – und in den letzten 10 Jahren mehr und mehr auch der Fischotter. Heute haben wir einen so hohen Bestand, dass auch die meisten Naturschutz-Organisationen anerkennend von einem (sehr) guten Erhaltungszustand sprechen. Und so sehr wir das auch als Bio-Fischzüchter begrüßen, so ist dieser (aus unserer Sicht mehr als) sehr gute Erhaltungszustand v.a. auf den gesetzlichen Schutz – und nicht zuletzt natürlich auf die immer verlässlich gut gefüllten Teiche zurück zu führen.

Und hier fängt das Dilemma an.

Der Fischfraß – v.a. von Fischotter und Kormoran – geht aber über das Erlegen und den Fraß der Fische teilweise weit hinaus und hat vor allem im Winter einen überaus großen Kollateralschaden durch Schwächung der Fische. Im Winter sind die Fische selbst so kalt wie das Wasser (ca. 2°-4° C) und ihr Organismus ist daher sehr auf Sparflamme und Ruhezustand programmiert. Sie fressen nichts und leben von speziellen, leicht und schnell verfügbaren Reserven, die sie einzig in der Leber speichern können. Denn für einen funktionierenden und schlagkräftigen Stoffwechsel ist es einfach zu kalt. In der Leber wird also die Energie für die gesamte Ruheperiode des Winters gespeichert. Wenn nun Kormoran-Schwärme oder einzelne Fischotter die Fische in ihren Winter-Ruhezonen aufsuchen und jagen, dann flüchten die Fische reflexartig aus ihrem Ruhezustand und brauchen mehrere Tage bis Wochen bis sie wieder in den absoluten Ruhezustand zurück finden – und verbrauchen dabei die sehr limitierte Energie.

Otterbeute am Eisloch. (Foto: Ökologische Station Waldviertel/Günter Gratzl)

Wenn solche Situationen in einem Winter des öfteren vorkommen und der Fisch dadurch zu viel von seinen Reserven braucht, dann „schläft“ der Fisch aus Energiemangel einfach ein, liegt am Boden und wird meist vom Schlamm nicht wieder frei gegeben. Und so kann es passieren, dass ein oder wenige Individuen von Ottern, aber mit oftmaligen Besuchen einen gewaltigen (Kollateral-) Schaden anrichten – mehrere Tonnen (!!).

Und selbst die Fische, die ein Otter erlegt und anfrisst sind meist das Vielfache dessen, was er wirklich zur Ernährung braucht. Fischotter als verspielte Mardertiere verfallen in einen starken Jagdtrieb, in dem sie bald wieder von einem erlegten und angeknabberten Fisch ablassen um einen Neuen zu jagen  – und zusammen mit dem Kollateralschaden kann ein Otter daher der Grund für den Tod mehrerer Tonnen Fisch sein.

Präventionsmaßnahmen wie zum Beispiel die Einzäunung der Teiche als Schutz gegen Otter ist nur im kleinen Maßstab möglich – dieses Potential ist mittlerweile bereits zu ca. 80 Prozent ausgeschöpft (laut Ökostation Waldviertel). Auch ich zäune meine Hälterungs-Teiche mit einigem Aufwand während der Wintermonate mit einem mobilen Elektro-Zaun ein – mit enormem Herstellungs- und Kontroll-Aufwand und erreiche dennoch keinen 100%-igen Schutz. Wenn die Zaunlänge um einen Teich aber mehrere Kilometer beträgt, dann sind neben den Anschaffungskosten auch die Kontroll-, Pflege- und Überwachungskosten so hoch, dass eine Bewirtschaftung langfristig nicht mehr kalkulierbar ist und die Teiche aufgegeben werden müssten, mit allen Nachteilen für die Diversität der Kulturlandschaft – und nicht zuletzt für den Otter.

Trotz Otterzaun, der den Fischotter von den Teichen fernhaften soll, gibt es Schäden. (Foto: Marc Mößmer)

Vor dem Hintergrund des guten Erhaltungszustandes des Fischotters im Waldviertel begrüße und unterstütze ich den politischen Willen der Niederösterreichischen Landesregierung, Abtlg. Naturschutz, mit der Entnahme (das heißt: dem Abschuss) von 20 Ottern an den Fischteichen erste Erfahrungen Richtung Otter-Regulierung und einem zukünftigen Management zu sammeln. Mir persönlich sind trotz Gesprächen mit Naturschutz-NGOs keine weiteren praktikablen Alternativen bekannt, die den Druck auf die Fischteiche reduzieren oder präventiv den Schutz der Teiche vor Fischotter und Kormoran erhöhen könnten.

Unabhängig davon, welchen nachhaltigen Erfolg die Prävention oder ein Management in Zukunft eventuell haben – für die nachgewiesenen Schäden können nur Entschädigungszahlungen den Ausfall unserer Biofische kompensieren. Ansonsten kann weder ein normaler, noch ein engagierter Bio-Fischzüchter langfristig überleben.

Ad personam
Marc Mößmer ist Bio-Fischzüchter im Waldviertel, Fisch-Experte der Bio-Austria und verkauft auf mehreren Märkten in Wien.

 

Eine Entgegnung: Christian Pichler, Artenschutz-Experte beim WWF, hält die geplanten Otter-Abschüsse für sinnlos – und für puren Populismus. Hier geht’s zu seinem Debatten-Beitrag.

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