Die norische Viehseuche und das Bienensterben – Tierkrankheiten der Antike

Teil 6 unserer Serie ESSEN IN DER ANTIKE: Krankheiten und Seuchen bereiteten auch der Landwirtschaft vor 2000 Jahren Probleme. In seinem vierbändigen Lehrgedicht Georgica berichtet Vergil allerhand darüber. 

Themen, die schon vor 2000 Jahren Autoren beschäftigten, sind noch heute brandaktuell: Krankheiten und Seuchen zum Beispiel. Jeder erinnert sich noch daran, wie in den 1990er Jahren Rinder der Seuche BSE zum Opfer fielen und das Aussterben von Bienenvölkern taucht immer wieder in der Berichterstattung auf. Ganz aktuell knicken Eschen aufgrund eines tödlichen Pilzbefalls reihenweise um.

Aber das Alles klingt im Vergleich zu dem, was uns Vergil in der Georgica, seinem vierbändigen Lehrgedicht über die Landwirtschaft, von der norischen Viehseuche erzählt, wie ein Kinderschnupfen. Was nämlich eine richtige Seuche anrichten kann, so Vergil, das sieht noch heute jeder, „der die luftigen Alpen die norischen Bergsiedlungen sieht, die jetzt noch nach so langer Zeit einsamen Reiche der Hirten und die weit und breit verödeten Täler.“ Norikum, so wurde in der Antike die Region um Kärnten, Salzburg, Steiermark, Ober- und Niederösterreich genannt, verlor durch eine Seuche apokalyptischen Ausmaßes seinen gesamten Tierbestand. „Hier entstand vor Zeiten durch Verpestung der Luft ein jammerbringendes Wetter, entbrannte durch volle Herbsthitze zur Weißglut und raffte alle Arten von Vieh und wilden Tieren dahin, verdarb die Seen und verseuchte das Futter mit Peststoff“. Viele weitere Verse wendet Vergil auf, um die Gräuel dieser an hämorrhagische Septikämie („Wild- und Rinderseuche“) bzw. Milzbrand erinnernde Krankheit en detail zu schildern.

Opfertiere, die kein Blut mehr für das eigentliche Opfer in sich tragen. Kälber, die in den Krippen verenden, Hunde die tollwütig werden, Pferde, die lethargisch und mit dürrem Fell qualvoll ersticken. Verzweifelte Menschen, die sich selber unter den Pflug spannen müssen, das Feld mühevoll mit den bloßen Händen aufhacken, Wölfe, die, zu schwach, um diese Situation auszunützen, in der Wildnis verhungern. Sogar das Meer schwemmte tote Fische ans Ufer. An dieser Stelle merken Sie vielleicht, dass Vergil hier nicht von einer historischen, tatsächlich in Norikum und seinem nicht vorhandenen Meer stattgefundenen Katastrophe erzählt. Als die Menschen schließlich versuchen, die Felle der Tiere zu tragen, erleiden sie selber schlimme Beulen und Ausschläge und „verfluchtes Feuer zerfraß den verpesteten Leib“.

Vergil beschließt auf diese Weise äußerst episch sein drittes Buch der Georgica, das sich mit der Tierhaltung beschäftigt. Nachdem er lange erzählt hatte, wie Groß- und Kleinvieh richtig zu halten sind, beschreibt er auch die grausamen Schrecken, welche den tierhaltenden Bauern ins Verderben stürzen können.

Tod und Seuche? Frag Cato!

Hach, dabei hätte man unter den Vorgängern der heutigen norischen AMA-Gütesiegel-Bauern nur ein Röllchen von Catos „De agri cultura“ verteilen müssen. Ich habe bereits einmal von diesem Meisterwerk eines Lebensratgebers erzählt („So führst du richtig ab“). Natürlich hatte Cato auch bei Tierseuchen das richtige Rezept (wie konnte Vergil das übersehen?): „Wenn du Krankheit befürchtest, gib ihnen, solange sie noch gesund sind, drei Prisen Salz, drei Lorbeerblätter, drei Wurzelfasern von Schnittlauch, drei Lauchzehen, drei Knoblauchzehen, drei Weihrauchkörner, drei Schösslinge vom Sabinerkraut, drei Rautenblätter, drei Zaunrübenstängel, drei kleine weiße Bohnen, drei glühende Holzkohlestücke (autsch) und drei Sextar Wein. Dies alles muss ohne Bodenberührung (vielleicht also auf Holzbrettern?) gesammelt, zerrieben und verabreicht werden. Nüchtern muss der sein, der es verabreicht (also nicht vom Wein naschen!). Gib jedem Rind von diesem Arzneitrank dreimal über drei Tage hin.“

Sie merken schon: Die Zahl 3, die Vermeidung von Bodenkontakt, die Nüchternheit – dies sind eher Vorschriften für eine mythische Kulthandlung als für ein echtes Medikament. Aber ich will dem Cato da nichts vorwerfen (sein abführendes Kohlgetränk funktioniert sicher hervorragend) und wie sagt man so schön: „hüft‘s ned, schod‘s ned“.

Keusche Bienchen

Sehr wohl bedenklich ist die Antwort Vergils auf ein plötzlich auftretendes Bienensterben. Dieses – hört her alle Imker – konnte, so erzählt bereits Plutarch, durch ungezügelte Lust des Imkers ausgelöst werden! Denn Bienen verabscheuen unerlaubte sexuelle Aktivität. In seinem vierten Buch, das der Bienenhaltung gewidmet ist, erzählt Vergil also von einem Ritual, das die Bienen wiederbringen soll und möglicherweise aus dem punischen Raum stammte.

In einem kleinen gemauerten Haus sollten einem zweijährigen Kalb Nase und Maul verstopft werden, es totgeschlagen und die Eingeweide zertrampelt werden, wobei die Haut intakt bleiben sollte. Dann sollte gewartet werden, bis aus den Säften dieses Tieres zuerst kleine wunderliche Wesen ohne Beine und schließlich welche mit schwirrenden Flügeln die Lüfte zurückerobern.

Der Irrglauben, welcher diesem Ritual seine Kraft zusprach, dürfte wohl aus der Beobachtung von Bienen, die in Tierkadavern Nester errichteten und aus der generellen Überzeugung in der Antike, dass der Tod neues Leben hervorbringt, gespeist worden sein. Leider finden wir nichts von Cato zur Belebung von Bienenvölkern, doch ich kann mir vorstellen, wie er an die Sache herangegangen wäre: Nüchtern, ohne Bodenhaftung, dreimal im Kreis drehend und mit Kohl bewaffnet. Aber ein totes Bienenvolk wäre dem keuschen, die Lust ablehnenden Cato ohnehin nie passiert.


Niklas Rafetseder ist Magister des Lehramtes Geschichte und Latein sowie Doktorand am Institut der Alten Geschichte in Wien. Seine Texte entführen in längst vergangene Zeiten und nehmen den Leser mit auf eine historische wie kulinarische Reise, auf der man erfährt, welche Speisen der große Dichter Homer seinen Helden servierte und auf welche Weise die Römer ihr Essen zubereiteten.

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