Boot 2020: Die vertane Chance

Kaum zu glauben: Nachhaltigkeit und Meeresmüll waren auf der BOOT Düsseldorf de facto kein Thema. Für 2020 ist das enttäuschend – für 2021 ein Muss.

Zurecht als Yacht des Jahres ausgezeichnet und ein tolles Boot: die Amel 60. Aber wer 2 Millionen Euro für eine Alu-Yacht ausgeben kann, kann sich auch für den Schutz der Meere stark machen – oder zumindest spenden. (Foto: Amel)

In Zeiten dreckiger Meere und brennender Outbacks pilgern mehr als 250.000 Menschen zur weltgrößten Wassersportmesse nach Düsseldorf. Das vom Messedirektor der BOOT 2020 versprochene Wachrütteln findet allerdings nur sehr spärlich statt. Ein Kommentar

Im Vergleich zu den Jahren davor, war 2019 ein Jahr mit Omnipräsenz der Themen Klimawandel, CO2-Fußabdruck und Meeresverschmutzung, letzteres insbesondere durch Plastik. Es war so gut wie unmöglich, mit diesen Themen nicht in Berührung zu kommen, unabhängig von der eigenen Position. Es entstanden neue Bewegungen, bereits Bestehende forcierten ihr Engagement und viele andere Akteure – auch viele Unternehmen – starteten ihre eigenen Initiativen in ihrem spezifischen Wirken. Das weiß 2020 jedes Kind.
Dieser Kontext lässt sich nun mal nicht ignorieren, und so ist es letztendlich auch dieser Kontext, in dem im Jänner die BOOT 2020 in Düsseldorf ihre Pforten geöffnet hat. Für alle, die es nicht wissen: Es handelt sich hierbei um die weltgrößte Wassersportmesse. Jährlich reisen über 250.000 Menschen aus aller Welt in die NRW-Metropole, um sich über jegliche Art des Wassersports auf den neuesten Stand zu bringen – von Segelyachten und Motorbooten über Bootsausrüstung aller Art, Tauchsport, Fischen, Kanu- und Kajakfahren bis hin zu Surfen und maritime Kunst wird alles geboten.

MotorbootfahrerInnen kann man ja erst mal grundsätzlich ausklammern.“

Florian Grassl, Segler und Alpinist sowie BIORAMA-Autor und Besucher der BOOT 2020

Man braucht nicht zwingend zu unterstellen, dass dieses Klientel trotz Affinität zu Wasser und damit Natur überdurchschnittlich umweltbewusst lebt – und hier möchte ich gar nicht auf den CO2-Fußabdruck der Anreise der BesucherInnen hinaus, sondern rein auf das Umfeld des selbstgewählten Hobbys. MotorbootfahrerInnen kann man ja erst mal grundsätzlich ausklammern. Aber selbst bei den SeglerInnen ist ein CO2-armer Lifestyle in der Regel nicht das Ausschlag gebende Argument für diesen Sport und die Entsorgung oder das (schwierige) Recycling von GFK Segelyachten wird unsere Gesellschaften noch auf Dekaden hinaus beschäftigen. Bei den TaucherInnen braucht es für die beliebtesten Tauchspots Langstrecken-Flugreisen, denn die tollen Unterwasserwelten liegen nun mal nicht ums Eck, sondern eher in Ägypten, Südostasien oder Australien – Destinationen, die auch auf der Messe sehr präsent ist.

Aber eine Reduzierung der Meeresverschmutzung durch Plastikmüll könnte oder sollte doch im Interesse so gut wie aller 250.000 angereister BesucherInnen sein. Wer will denn schon im Plastikmüll bootfahren, tauchen, schnorcheln oder fischen. Man könnte meinen, jegliche Initiative in diesem Zusammenhang würde den Nerv vieler BesucherInnen treffen. Es würde die BesucherInnen besser fühlen lassen, wenn sie im Zuge des Messebesuches die Chance haben, möglichst bequem einen Beitrag zur Lösung dieses unfassbaren Problems zu leisten. Und was passiert diesbezüglich am Messegelände Düsseldorf?

„Love Your Ocean“- Aktionsstand auf der BOOT (Foto: BOOT 2020)

Initiativen gegen die Meeresverschmutzung auf der BOOT
Es gibt den „Ocean Tribute“-Award, mit dem die Messe nunmehr zum dritten Mal internationale Projekte zum Meereschutz unterstützt. Dieses Jahr ging er an die „Sea Women of Melanesia“, in diesem Projekt werden Melanesinnen aus Papua-Neuguinea, Salomonen, Fidschi und Vanuatu von einem internationalen MeeresbiologInnen-Team geschult, um rund um Korallenriffe Meeresschutzzonen errichten zu können. Und es gibt den auf Meeres- und Gewässerschutz ausgerichteten „Love Your Ocean“-Aktionsstand, inklusive Mitmachmöglichkeiten für Groß und Klein. Beides zweifelsohne gute Aktionen und Initiativen – aber ob sie die Menschen „wachrütteln“ wie es Messedirektor Michelidakis behauptet, darf angezweifelt werden. Jene, die gezielt zum Aktionsstand gehen, sind vermutlich bereits wachgerüttelt, jene, die sich dorthin verirren, werden es vielleicht. Aber da man diesen Stand gemeinsam mit ein paar Ständen einschlägiger Organisationen (Greenpeace, WWF, Sea Sheperds, Gesellschaft zur Rettung der Delfine) in ein Eck des Messegeländes gepackt hat, kann man ohne Probleme drei oder auch mehr intensive Tage auf der Messe verbringen ohne mit dem Thema auch nur im Entferntesten in Berührung zu kommen.

Interessanterweise ist dieses Eck auch am weitesten von jenen Hallen entfernt, in denen die besser Betuchten die fabrikneuen Superyachten betrachten.

Sea Shepherd, eine der wenigen einschlägigen Organisationen auf der Messe (Foto: Florian Grassl)

Vorschlag zum echten Wachrütteln
Um jetzt nicht in den „Hätte, hätte, …“-Modus zu verfallen, hier ein Vorschlag wie ein echtes Wachrütteln von 250.000 MesserbesucherInnen nächstes Jahr aussehen könnte:
Es gibt mittlerweile eine Reihe an Organisationen, die sich dem Problem des (Plastik-)Mülls im Meer verschrieben haben: 4Ocean, Bluemata oder die auf der Messe präsenten Sea Shepherd um nur drei Beispiele zu nennen. Kaum vorstellbar, dass solche Orgnisationen eine sinnvoll gestaltete Partnerschaft ausschlagen würden. Es ließe sich hierzu grob in drei Ebenen denken: Bewusstsein, Unterstützung, Veränderung

Problembewusstsein schaffen
Ganz einfache Infostände, klein aber mehrere, verteilt auf möglichst viele Messehallen, mit provozierenden Bildern und Infomaterial ermöglichen den Anfang. Das Problembewusstsein möglichst vieler MessebesucherInnen zu schärfen – warum nicht so ein Stand auch mitten zwischen stylish glänzenden Motoryachten? Die Flächen dafür zur Verfügung zu stellen kann kein Problem sein und sollte nicht mal Opportunitätskosten verursachen. Mit vereinten Kräften könnten solche Organisationen vermutlich auch durchaus eine größere Anzahl solcher Stände stemmen.

Europas Yacht des Jahres (Foto: Amel)

Unterstützung – den Leuten ein bissl Geld aus der Tasche ziehen
Um die nächste Ebene zu verbildlichen, wollen wir die am Eröffnungsabend der Messe prämierte „Europas Yacht des Jahres 2020“ im „Luxury“-Segment heranziehen: es handelt sich um eine Amel 60. Amel ist eine französiche Werft, die für ihre Qualitäts-Segelyachten bekannt ist, die „60“ steht für die Länge des Schiffes, also 60 Fuß oder ca. 19 Meter. Das ist für ein Sportboot am größeren Ende der Skala. Und so kostet eine Amel 60 segelfertig aber ohne große Extras knapp 2 Millionen Euro. Offensichtlich geht die Werft auch davon aus, auf dieser Messe neue KundInnen zu gewinnen, denn sonst würde ein Exemplar dieses schicken Kahns nicht vor Ort stehen. Jetzt ist natürlich nicht jeder Messebesucher oder jede Messebesucherin Zielkunde von Amel, und Segelyachten im Brot-und-Butter-Segment sind nur 30 bis 45 Fuß lang und kosten in Großserie gefertigt „nur“ in der Dimension ein- bis dreihunderttausend Euro. Aber man darf auf dieser Basis schon von einem signifikanten Anteil zahlungskräftiger BesucherInnen ausgehen.
Der Kreativität, wie man in einer Partnerschaft aus Messe und 4Ocean & Co diesen Leuten etwas Geld aus der Tasche zieht, um damit die Ozeane sauberer zu machen, sind keine Grenzen gesetzt. Egal ob die Möglichkeit beim Ticketkauf im Webshop gleich mal 1 Kilogramm Plastik aus dem Ozean symbolisch mitzukaufen, vor Ort am Infostand die verschiedenen Devotionalien der Ozean-rettenden Organisationen zu erwerben oder auch über ganz andere Wege. Es muss nur einfach sein für die BesucherInnen – und viele werden da einen Beitrag leisten oder sich auch einfach nur ein besseres Gewissen erkaufen wollen.

Eine der wenigen Firmen auf der Messe, die explizit auf Nachhaltigkeit setzen: Waterhaul (Foto: Florian Grassl)

Veränderung
Und die dritte Ebene wäre der Versuch einer Veränderung bei Ausstellern wie BesucherInnen hervorzurufen. Auch hier könnten die Infostände wieder beitragen: Was sind denn „Best Practices“ im Wassersporturlaub möglichst ohne Plastik auszukommen? Man stelle sich mal an einem x-beliebigen Sommersamstag in eine x-beliebige Mittelmeermarina und schaue den Yachtcrews bei der Provisionierung ihrer Schiffe vor dem Auslaufen für den Urlaubstörn zu und bestaune die Mengen an Plastik, die – frisch eingekauft – an Bord geschleppt werden. Darüber hinaus ließe sich neben „Europas Yacht des Jahres“ auch die Wassersportfirma mit dem besten Nachhaltigkeitskonzept prämieren, egal ob dies Nachhaltigkeit im Unternehmen und/oder für deren KundInnen bedeutet. Gut vermarktet schafft es gegebenenfalls auch solch ein Award in die breitere Presse – so wie die Yacht des Jahres und im Unterschied zum „Ocean Tribute“ Award – den wirklich niemand kennt. Es gab sie übrigens, die Firmen, die auf das Thema setzten: zum Beispiel Flossen aus recycelten Fischnetzen. Aber man musste sie suchen wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen.

Win-Win-Win Situation
Ideen ließen sich beliebig weiterspinnen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wären Nachhaltigkeitsinitiativen nicht nur für die Ozeane gut, sondern auch für die Messegesellschaft und das Messe-Event an sich; für die Bluematas der Welt sowieso.
Eine Win-Win-Win-Situation also. Für 2021 ein Muß, letztendlich aber für 2020 eine vertane Chance, leider.



VERWANDTE ARTIKEL