20 Jahr’ natürlich

÷STERREICH FEIERT 20 JAHRE JA! NAT‹RLICH

BILD Ja! Natürlich/ APA-Fotoservice/ Rossboth

Seit den Anfängen von Ja Natürlich 1994 hat sich viel getan – heute ist die Biomarke die österreichische Nummer 1. Geschäftsführerin Martina Hörmer verrät, was Jubiläumsjahr und Zukunft bringen. 

 

BIORAMA: Vor zwanzig Jahren war Ja Natürlich mit dem Ziel, biologische Lebensmittel für jedermann erhältlich und erschwinglich zu machen, Pionier. Mittlerweile ist Bio im Mainstream angekommen. Wie sieht die Zukunftsvision der Marke aus?

Martina Hörmer: Die erste Version hat geheißen „Bio für alle“ – das haben wir erreicht. Wir haben an die 2.000 Standorte in Österreich, an denen die Konsumenten unsere Produkte kaufen können. Es kostet zwar mehr, ist aber leistbar und das muss es auch bleiben, das ist das Erfolgsgeheimnis. Zwischendurch hatten wir den Gedanken „Alles Bio“, den haben wir dann aber verworfen, weil wir erkannt haben, dass nicht alles bio sein kann und auch nicht soll. Die neue Vision lautet „ein Ja Natürliches Leben“ – wir möchten die Marke soweit in den Alltag der Menschen hineinbringen, dass sie damit ein Ja Natürliches Leben führen können. Das ist nicht nur aufs Produkt bezogen, in diese Richtung gehen auch unsere Kochkurse, unser Garten- und unser Urlaubsprogramm. Wir möchten die Marke aufmachen, damit sie Lebens- und nicht nur Essensprogramm ist.

Wenn Bio für alle sein soll, inwiefern spielen 2014 Spezialprodukte für Ernährungsbedürfnisse wie Intoleranzen, Allergien oder Veganismus eine Rolle?

In der Vergangenheit haben wir uns darauf konzentriert, dass wir die Hauptwarengruppen abdecken und das, was täglich auf den Tisch kommt, in Bio- bzw. in Ja Natürlich-Qualität verfügbar ist. Deshalb haben wir mit Obst und Gemüse, Milch, Brot, Butter, Joghurt begonnen, dann die Nudeln dazu genommen, den Reis, die Tomatensugos und später Gruppen wie Öle und Wein. Jetzt stehen wir an einem Punkt, wo wir auch solche Produkte anbieten, die eher zu Spezialitäten zählen und Mikrotrends abbilden. Lebensmittel für Unverträglichkeiten sind eine stark wachsende Gruppe. Für Kuhmilchallergiker haben wir Produkte mit Ziegen- und Schafmilch im Angebot. Für Laktose-Unverträglichkeit gibt es laktosefreie Milch und Joghurt. Es gibt viele Fleischliebhaber, aber auch Flexitarier, Vegetarier und Veganer, also haben wir begonnen nicht nur vegetarische, sondern auch vegane Aufstriche einzuführen. Ebenso mehr Convenience-Produkte wie Müslis, damit derjenige, der wochentags keine Zeit hat, Obst zu schnippeln und mit Joghurt zu mischen, auch etwas Fertiges bekommt. Diese Trends können wir aufgreifen, weil wir so groß sind und das andere schon mitanbieten.

Bild: Ja! Natürlich/APA-Fotoservice/Rossboth

Bild: Ja! Natürlich/APA-Fotoservice/Rossboth

Zusammen mit dem Kurier haben Sie Stipendien an im Ausland Studierende vergeben und diese zu Bio-Trendscouts gemacht. Welche Länder sind Vorbilder in Sachen Bio-Angebot?

Ein richtiges Bioland in Europa ist Dänemark, wo einer unserer Trendscouts studiert. Wir schauen aber auch über den Ozean – einer unserer Trendscouts ist z.B. in New Orleans, wo Cajun Food besonders spannend ist. In Amerika hat sich, vor allem an der Westküste rund um San Francisco, sehr viel in Sachen Bio getan – denken Sie etwa an Wholefoods Market, eine Kette, die von Amerika nach England gekommen ist. Von New Orleans erwarte ich mir viel, weil es dort viele Gourmets gibt und Essen wichtig ist. Die schwarzamerikanische Kultur ist eine ganz andere – da wird sicher viel dazukommen, auch im Bereich Convenience, nehme ich an. Eine Gruppe aus Industrial Designern von der Uni Linz geht nach China. Da gibt es eine zunehmende Schicht an Wohlhabenden und die Umwelt ist wahnsinnig belastet. Ich glaube, dass es auch dort Menschen gibt, die bessere Lebensmittel möchten. Weitere Trendscouts gehen nach Chile und Holland. Dieser breite Blickwinkel über den Tellerrand war uns ganz wichtig. Wir können nicht stehen bleiben und sagen wir sind so toll, Österreich ist Bio-Weltmeister. Auch in anderen Ländern passiert und ändert sich vieles und fast jeder Studierende macht heutzutage ein Auslandsemester. Wir haben eine wahnsinnig tolle Resonanz bekommen und die Auswahl war bei den vielen Bewerbungen richtig schwer.

Wie kommt Ja Natürlich zu seinen Bio-Bauern? Oder kommen sie zu Ihnen? Worauf kommt es Ihnen bei der Kooperation mit den immerhin rund 7.000 Betrieben an?

Es gibt beide Zugänge. Teilweise kommen sie zu uns und sagen „Ich bau’ diese Äpfel an, braucht ihr die?“ oder wir kommen zu den Bauern. Das kann auf dem direkten Weg sein, weil die Bauern die uns kennen oder weil wir von ihnen gelesen haben, aber auch indirekt wie z.B. über die Molkereien. Bei der Heumilch war das so: Wir wollten unbedingt die beste Milch in Österreich anbieten und das war nicht so leicht. Wir hatten unsere Vorstellungen, was die Bauern können müssen, was die Tierhaltung betrifft und wie wir uns die Qualität vorstellen und die Molkerei hat für uns gesucht.

Unter der Marke werden Lebensmittel aus acht Qualitätsregionen angeboten. Was zeichnet diese aus?

Das Prinzip dahinter ist „die besten Produkte aus der besten Region“. Jede Region ist aufgrund ihrer geografischen und klimatischen Lage für gewisse Produkte prädestiniert – so etwa der Pinzgau mit seiner Almwirtschaft für Milch und Rinder. Der Flachgau war immer schon Heumilchland. Die angrenzenden Gebiete rund um die Nationalparks sind besonders wertvoll, weil sie häufig biologisch bearbeitet werden. Der Seewinkel ist für Obst und Gemüse zuständig. Aus der Nationalpark Region Gesäuse kommen die Fische – da ist das Wasser besonders klar. Österreichische Fisch müssen nahe am Ursprung schwimmen, die Anforderungen an die Wasserqualität sind besonders hoch. Ein anderes Beispiel ist das Waldviertel, das aufgrund seiner Höhenlage für Kartoffeln prädestiniert ist. So kann jede Region etwas anderes besonders gut. 

Das heißt, jede Region soll das anbauen, was ihr am besten liegt?

Genau, denn nur dann gedeihen die Lebensmittel auch wirklich gut. Es würde keinen Sinn machen, wenn wir versuchen im Pinzgau große Mengen an Birnen anzubauen, da gibt es Gegenden, in denen das einfacher ist und wo die Bauern über das dafür nötige Wissen verfügen. Danach selektieren wir und suchen aus.

2012 wurde Ja Natürlich für eine nachhaltige Heidelbeer-Verpackung mit dem ECMA-Award ausgezeichnet. Welche Wege werden zukünftig in Sachen Green Packaging beschritten?

Ich würde sagen, wir sind in der Mitte des Weges. Wir haben gerade die Plastiknetze bei Orangen und Zitronen auf Zellulosenetze umgestellt, bei Zwiebeln und Roten Rüben hatten wir diese schon. Wir haben fast alle Plastiktassen durch Kartonagen ausgetauscht. Bei dem einen oder anderen Lebensmittel dauert die Umstellung ein bisschen länger, weil wir sie mit den einzelnen Bauern abstimmen müssen. Dann widmen wir uns den nächsten Produktgruppen – die Wurst zum Beispiel ist ein typischer Bereich mit sehr viel Plastik, das ist ein schwieriger Weg. Aber eine Verpackung muss auch viel können, sie ist quasi die eierlegende Wollmilchsau. Sie dient zunächst dem Schutz der Qualität der Ware und ist zugleich Verkäufer, sie muss den Transport aushalten, platzierbar sein und soll obendrein der Sprecher der Marke sein. Und sie muss auch, das haben wir hinzugefügt, umweltverträglich sein – das war vor 10 Jahren in dem Maße noch nicht Thema, wird aber immer wichtiger. Wir schauen uns jede Verpackung nach diesen Kriterien an, insbesondere der Umweltverträglichkeit, aber es gibt auch Grenzen. Sie können beispielsweise nicht alles in Glasflasche zurückfüllen oder Joghurt nicht in Papier verpacken. Sie sehen, Verpackung ist ein Riesenthema und jeder Schritt ist ein Erfolg.

Martina Hörmer Bild: Ja! Natürlich/APA-Fotoservice/Rossboth

Martina Hörmer
Bild: Ja! Natürlich/APA-Fotoservice/Rossboth

Ein großes Thema ist auch die Biodiversität. Topaz Äpfel, Green Zebras (Tomaten) und Blaue Elisen (Erdäpfel) gibt es schon unter der Marke. Erwarten uns 2014 weitere Raritäten?

Da gibt es einen ständigen Wechsel. Wir haben mit den Paradeisern begonnen, dann sind die Chilis und Paprika gekommen. In den Erdäpfeln liegt sicher noch etwas drinnen, die sind bei den Kunden noch nicht in der Breite angekommen wie etwa die Paradeiser. Wir haben mit bunten Karotten experimentiert, die sind nicht so gut angenommen worden. Man muss vieles ausprobieren und lernt dazu. Auf der einen Seite steht die Vielfalt der Möglichkeiten und auf der anderen Seite das, wozu der Kunde greift. Bei den Karotten haben es die Kunden lieber orange, während die Tomaten klein und groß, runzelig, lang und bunt sein dürfen. Wir haben die Vielfalt auch in die Pflanzen gebracht und bieten bei den Raritäten-Samenpäckchen im heurigen Jahr ein größeres Sortiment an. Wir bleiben dran, denn das Thema ist wichtig und wird Schritt für Schritt auch größer werden.

Biodiversität ist nicht nur im Regal ein Thema, sondern umfasst auch die Artenvielfalt. Was ist da momentan das Hauptanliegen von Ja Natürlich?

Das Pinzgauer Rind ist uns ein großes Anliegen und wir sponsern jetzt im fünften Jahr das gesamte Zuchtprogramm dieser althergebrachten österreichischen, sehr widerstandsfähigen und schönen Rinderrasse. Die Rinder sind klein und braun mit einem weißen Sattel, berggängig und werden für Fleisch und Milch gehalten. Sie haben nicht dieselbe Leistung wie die gescheckten, weshalb sie viele Bauern durch Rassen mit mehr Milch- und Fleischleistung ersetzt haben. Wir möchten diese Rasse verbreiten und kaufen jedes Jahr einen Stier, der viele neue Stiere bringt. Inzwischen sind 1.000 Nachkommen aus dem Zuchtprogramm hervorgegangen, der Rückgang ist eingedämmt und es geht vorwärts.

Jeden Herbst gibt es den großen Herbststiermarkt in Maishofen und die Versammlung des weltweit tätigen Pinzgauer Rinderzuchtvereins. Letztes Jahr war dort toll zu sehen, dass wieder viele junge Bauern Pinzgauer Rinder züchten, in Südtirol aber auch in Südafrika. Weil die Rasse besser pigmentiert und der Sonne gegenüber sehr widerstandsfähig ist, eignet sie sich gut für höhere Lagen. Sie ist genügsamer – das passt für Südafrika wie auch für den Alpenraum, weil das Futter häufig nicht in Fülle vorhanden ist. Es macht Freude, wenn man sieht, dass nicht nur Leistung und schneller Gewinn, sondern die Ideologien und die Ethik eine größere Rolle spielen. 

Stichwort Ethik – Ja Natürlich setzt sich für artgerechte Tierhaltung ein und kooperiert mit der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Was hat in diesem Jahr Priorität?

Die letzten beiden Jahre waren die Gockel ganz vorne. Mit der Aufzucht der Gockel hat meines Wissens nach bisher niemand experimentiert. Insgesamt haben wir zwei Herden mit je 4.000 Gockeln aufgezogen und diese im Herbst vorigen Jahres erstmalig als Spezialität in den Merkur-Märkten vermarktet. Wir haben die Spitzenköche in Wien um ihre Meinung und Rezepte gebeten und die Resonanz aus der Gastronomie und auch seitens Gault Millau war extrem positiv. Dieses Projekt möchten wir weitertragen und ausweiten. Was uns auch nach wie vor beschäftigt, sind die schmerzfreie Ferkelkastration in der Schweinezucht und die Anbindehaltung bei den Milchkühen. Was die Tierhaltung von Schweinen betrifft, ist Ja Natürlich beispielsweise schon lange kastenstandfrei. Nicht nur unsere Freilandschweine, sondern auch alle anderen Schweine haben seit acht Jahren immer Auslauf, werden zu 100% österreichisch gefüttert und haben Stroh als Einstreu im Stall – enggedrängte Spaltböden gibt es da keine.

Ja Natürlich ist nicht nur im TV, sondern auch am Bio-Blog, auf Instagram, Facebook, Twitter und Youtube sehr präsent und liegt im Bioranking ganz vorne. Welche Rolle spielt Social Media für die Marke?

Die Werbung von Demner, Merlicek & Bergmann spielt generell eine riesige Rolle weil sie die Marke verständlich, leichtfüßig und lustig gemacht hat. Nur mit der Werbung ist es möglich gewesen, die Marke so breit zu führen. Ich habe gemerkt, was für eine Wirkung der erste Film nach innen im Haus wie auch nach außen gehabt hat. Sowohl die Jungen als auch die Alten können die Geschichten erzählen. Dann haben wir begonnen, die Linie auf die unterschiedlichen Medien umzulegen. Inzwischen haben wir einen ausgeklügelten Mix aus TV und Hörfunk, Printmedien und Online. Seit mindestens 12 Jahren sind wir mit einer Homepage und seit vier Jahren in Social Media vertreten. 2006 waren wir die Ersten mit einem Weblog auf den Spuren der Qualitätssicherung, bevor dann Facebook modern geworden ist. Wir haben an die 50.000 Fans und eine Gemeinde, die sehr interaktiv und interessiert ist und von der sehr viele detaillierte Fragen kommen. 

Screenshot www.bioranking.eu

Screenshot www.bioranking.eu

Bekommen Sie über diesen Weg auch viel Feedback darüber, wo noch Aufklärungsbedarf besteht?

Ja, sehr viel. Für mich ist das ein Gradmesser dafür, wie die Leute denken und was ihnen wichtig ist. Viele Themen poppen zuerst im Social Media Bereich auf – die Frage „Was passiert mit den männlichen Küken?“ und auch die Bienen-Thematik sind dort aufgekommen lange bevor sie in anderen Medien waren. Im Social Media ist es viel mehr ein Geben und Nehmen als zum Beispiel im Fernsehen, man muss ehrlich, offen und transparent sein. Wir leben in einer darstellenden Welt, die sehr visuell ist, und da ist es mir als große Marke sehr wichtig, auch für die Jungen auf Kanälen wie Instagram präsent zu sein.

Gibt es ein Lebensmittel, das Ja Natürlich noch nicht anbietet, Sie sich aber im Sortiment wünschen würden?

Ja, mein Lieblingslebensmittel: San Marzano Tomaten im Glas. Das ist ein persönliches Anliegen, das ich jetzt auf die Liste habe setzen lassen, weil ich in meiner Küche immer viele Tomatenprodukte verwende. Ich liebe Polpa und Passata, aber manchmal braucht man geschälte Tomaten und die gibt’s von Ja Natürlich nicht. Die hätte ich wirklich gerne und mehr Artischocken könnte ich mir auch wünschen.

VERWANDTE ARTIKEL