Einweg ist zu wenig

Die meisten Kartonagen landen im Altpapier nachdem sie ein Mal verwendet wurden. Es gibt andere Lösungen.

Die beiden GründerInnen und GeschäftsführerInnen von Sendmepack.
Die beiden GründerInnen und GeschäftsführerInnen von Sendmepack: Michelle Reed und Philip Bondulich. Bild: Irina Gutyryak.

In Deutschland werden jährlich über elf Millionen Tonnen Pappe für Verpackungen hergestellt, unter anderem für Versandkartons. Jährlich werden 4,51 Milliarden solcher Pakete versendet. 99 Prozent dieser Versandkartons landen direkt nach dem Auspacken wieder in der Papiertonne. Dabei sind die meisten – genau genommen 95 Prozent davon – zu schade für die Tonne. Was spricht dagegen, die Kartons dem Altpapier zuzuführen? Tatsächlich wird Altpapier recycelt und wiederverwendet. Versandkartons sind aber so stabil gemacht, dass sie mindestens zwei Mal verwendet werden können. Erst dann verlieren sie nach und nach ihre schützenden Eigenschaften. Intakte Kartons vorzeitig zu entsorgen, verbraucht demnach Ressourcen, deren Einsatz noch gar nicht notwendig wäre. Der Recyclingprozess benötigt neben Wasser und Energie auch Rohmaterialien. Denn damit ein recycelter Karton stabil bleibt und die Ware schützt, muss man beim Verarbeitungsprozess einen gewissen Anteil neuer Holzfasern untermischen. 

16,4 Milliarden Liter Wasser wurden im Jahr 2020 in Deutschland verbraucht, um Kartons herzustellen.

Senden und wiederverwenden

Es gibt bereits einige Unternehmen, die aus der mehrmaligen Nutzung von Kartons ein Geschäftsmodell entwickelt haben. Firmen wie 2ndpack und Sendmepack entwickelten unabhängig voneinander Mehrwegsysteme für existierende Versandverpackungen. Bei Sendmepack fangen beispielsweise die MitarbeiterInnen Kartons in den sogenannten Fullfillment-Centern (Logistiker für Onlineshops und Brands) ab. Eine Riesenaufgabe, denn wie Michelle Reed, die Geschäftsführerin von Sendmepack, erzählt, werden die Kartons auf einer über 120.000 Quadratmeter großen Logistikfläche geleert. Die Mitarbeitenden an den Standorten Berlin, Leipzig und Nürnberg untersuchen die Kartons von Hand auf Flecken, weiche Stellen, Stabilität und Löcher. Immerhin muss ein wiederverwendeter Karton die Ware genau so gut schützen wie ein neuer. Im zweiten Schritt wird der Karton von Adressetiketten und Verpackungsbändern befreit, bei Bedarf repariert und mit dem Sendmepack »Reused«-Label versehen. »Darauf befindet sich ein individueller QR-Code. Mit dem und der App sehen die KundInnen, wie viel CO2 mit dem wiederverwendeten Karton gespart wurde«, erzählt Michelle Reed. Inzwischen ist Sendmepack aber auch Linzenzgeber für Unternehmen, die Kartons mit eigenem Design verwenden möchten und die Aufbereitung alter Kartons selbst durchführen, aber das Sendmepack-Label hierzu verwenden.
Zum Spaß haben sie und ihr Partner Philip Bondulich einmal einen Karton zehn Mal hin-und-her-geschickt. Erst danach sei dieser tatsächlich »reif für die Tonne« gewesen. Laut ihren Erfahrungen ist bei den meisten Kartons aber spätestens nach dem fünften Mal Schluss. Bisher hat das Paar über eine Million Kartons gesammelt und wiederverwendet. »Jeder Karton, der nicht neu produziert werden muss, macht aus nachhaltiger Perspektive Sinn. Im Bereich der Mode sind Rücksendungen von bis zu 70 Prozent keine Seltenheit. Wenn wir im Durchschnitt bis zu 50 Prozent der Verpackungen wiederverwenden können, eröffnet dies unseren Kunden erhebliche Einsparpotenziale im Vergleich zum Kauf neuer Kartons.«
Neben dem Angebot für Versender und Empfänger von Paketen gibt es bei der Firma 2ndpack eine Börse für Kartonagen und Verpackungsmittel. Hier kommen Recycling- mit Verpackungs- und Versanddienstleistern zusammen und können dort ihre Kartonagen handeln. Das spart Entsorgungsaufkommen und Kosten.

Weitere Informationen zu verschiedene Verpackungsmaterialien mit ökologischen Vorteilen gibt es hier.

BIORAMA #87

Dieser Artikel ist im BIORAMA #87 erschienen

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