»Die Leute gucken zu viele Krimis!«

Deutschlands lauteste Stimme gegen Lichtverschmutzung stellt klar: »Das Gegenteil von hell ist sternreich, nicht dunkel.«

Ein Foto eines wolkenverhangenen Nachthimmels.
Der Himmel bei Nacht. Bild: Unsplash.com/Thor Alvis.

Alles blinkt, leuchtet, strahlt. Das vergeudet Ressourcen und geht auf Kosten von Lebensqualität wie Biodiversität. Im Sternenpark Rhön im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen verdunkelt und dimmt man deshalb ganz bewusst. Und die natürlichen Nachtlandschaften des Schutzgebiets gelten bereits weit über das Unesco-Biosphärenreservat hinaus als leuchtendes Beispiel für die Vermeidung von Lichtverschmutzung. Sabine Frank, Koordinatorin des Sternenparks, ist eine gefragte Vortragende und auch in der Region selbst tagsüber wie nachts aktiv. Nach Sonnenuntergang führt die Kulturwissenschafterin und Amateurastronomin Interessierte durch die sternenhelle Nacht. Tagsüber berät sie Gemeinden und Unternehmen dabei, Licht nur sinnvoll einzusetzen. Im Gespräch mit BIORAMA erklärt sie, was jede und jeder Einzelne gegen Lichtverschmutzung tun kann.

BIORAMA: Auffällig viele Menschen, die sich gegen Lichtverschmutzung engagieren, haben ein privates Faible für Astronomie oder beschäftigen sich beruflich mit dem Sternenhimmel.

Sabine Frank: Das sind diejenigen, die auch nachts draußen sind und nicht einfach nur schnellstmöglich nach Hause wollen. Ihnen fällt der schleichende Verlust der Nacht auf. Aber durch den Artenrückgang und das Insektensterben ist Lichtverschmutzung auch in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fokus gerückt. Mittlerweile muss ich nicht mehr erklären, was Lichtverschmutzung ist. Das war schon mal anders.

Sie selbst leben im Unesco-Biosphärenreservat Rhön, das 2014 von der International Dark-Sky Association (IDA) als Internationaler Sternenpark anerkannt wurde. Das klingt ein wenig nach Fantasy, aber vor allem nach einer touristischen Positionierung …

Aus unserer Sicht ist es eine Strategie, Lichtverschmutzung klar entgegenzutreten und damit den Naturschutz ganzheitlich zu machen. Viele Maßnahmen sind einfach zu fokussiert. Aber die besten Insektenhotels bringen nichts, wenn wir den Lebensraum nachts mit Licht fluten.

Welche Menschen suchen denn gezielt die Dunkelheit? Sind das nur Sternenbegeisterte?

Nein, aber oft verpasse ich denen einen Sternenvirus. Ich habe Astronomie früher selbst als sehr männlich dominiert erlebt. Nach dem Motto: Wer das größte Fernrohr hat, ist der tollste Kerl. Demgegenüber habe ich eine Sternenführung entwickelt, die mit maximaler technischer Unterstützung durch ein Fernglas auskommt, die aber die Nachtlandschaft miteinbezieht: Wolken, Schatten, die Kulturgeschichte der Nacht – alles wird berücksichtigt. Auf unserem Breitengrad ist es oftmals bewölkt. Da kann ich eine Führung nicht jedes Mal absagen, wenn oben am Himmel Wolken sind. Dabei geht es auch immer um den Schutz der Nacht.

Lässt sich objektiv messen, dass es uns in einer Umgebung, die nachts dunkler ist, besser geht?

Es gibt Tausende Untersuchungen, die zeigen, dass es etwa für Insekten große Unterschiede macht. Wir reden ja über natürliche Beleuchtungsstärken: Das Sonnenlicht tagsüber hat 120.000 Lux. Das hellste Licht der Nacht ist der Vollmond. Was schätzen Sie, wie stark der leuchtet?

Gute Frage, vielleicht mit 40.000 Lux?

Ha! Mit maximal 0,3 Lux! Da ist es kein Wunder, dass sich Tiere bei Neumond ganz anders verhalten als bei Vollmond. Viele paaren sich zum Beispiel lieber bei Neumond, weil sie da von Fressfeinden nicht gesehen werden. Das zeigt, wie stark wir alles verändern. Auch für uns Menschen ist der Tag-Nacht-Wechsel der natürlichste Rhythmus des Lebens. Durch unseren verschwenderischen Umgang mit Licht schaffen wir aber ganzjährig ein nächtliches Dauerlicht, oft stärker als der Vollmond. Dadurch gerät die Natur aus dem Takt! Das heißt, funktionierender Naturschutz muss den Faktor Dunkelheit berücksichtigen.

Viele Menschen fühlen sich weniger sicher, wenn es dunkler ist. Machen es sich viele AktivistInnen nicht zu leicht, wenn sie das einfach als »subjektives Sicherheitsempfinden« aburteilen? Können Sie nachempfinden, dass sich viele in der Dunkelheit unwohl fühlen?

Wissen Sie, ich saß gestern Abend mal vor dem Fernseher. Ich habe mir drei Krimis angeschaut, die alle damit begannen, dass ein Mensch allein in der Dunkelheit ist und ihm etwas zustößt. Die Dunkelheit wird also stark stigmatisiert. Denn die Kriminalitätszahlen belegen das nicht. Eigentlich könnte man sich an richtig dunklen Orten sicherer fühlen, weil man nicht gesehen wird. Es geht also auch um konstruierte und damit unbegründete Angst, die gesellschaftlich und umwelttechnisch mit hohen Kosten verbunden ist. Der Schaden übersteigt den Nutzen oftmals. Das »Gefühl der Angst« kann man nur damit erklären, dass sich jemand allein und schutzlos fühlt. Der Glaube, dass Licht automatisch Schutz bietet, führt zu einer kompletten Übernutzung von Licht. Statistisch sind Frauen im öffentlichen Raum von Gewalt nicht betroffen, sondern eher Männer. Frauen sind eher in Gefahr durch ihre Partner oder Expartner. Im öffentlichen Raum ist Alkohol das Thema, nicht Dunkelheit. Helles Kunstlicht kann Aggression sogar aufschaukeln und auch die Aufenthaltsdauer unerwünscht verlängern. 
Es geht mir beim Thema »gefühlte Sicherheit« nicht darum, Licht aus dem öffentlichen Bereich zu verbannen. Aber der Einsatz von Kunstlicht bei Nacht muss einfach besser gelingen; auch in Bezug auf das Thema Sicherheit. Eines steht aber auch fest: Die Leute gucken zu viele Krimis, die Welt ist gar nicht so böse.

Die hohen Energiepreise haben die Politik veranlasst, schnell gegenzusteuern. Deutschlands grüner Wirtschaftsminister verordnete etwa, dass Leuchtreklame nur zwischen 16 und 22 Uhr eingeschaltet sein darf. Was wird das bringen?

Das sieht man sofort am Himmel: mehr Sterne, weniger Energieverschwendung, dadurch weniger CO2 in der Atmosphäre, mehr natürlicher Lebensraum. Das Gegenteil von hell ist sternreich, nicht dunkel. Das sehen wir jetzt schon ganz deutlich.

Lässt sich verhindern, dass wir als Gesellschaft nach Ende der Energiekrise einfach wieder die Lichter anmachen?

Ich hoffe schon. Wir sehen anhand der aktuellen Maßnahmen, wie unnötig das alles war. Wir lassen ja gerade bloß das Unnötige weg, nichts davon ist ein massiver Einschnitt oder wäre gar gefährlich. Ich habe die Hoffnung, dass wir das beibehalten. Ich merke das bei meinen Sternwanderungen: Die Leute haben eigentlich die Schnauze voll davon, überall reizüberflutet zu werden, dazu gehört auch Dauerlicht.

Was kann ich als BürgerIn selbst gegen die Lichtverschmutzung in meiner Umgebung unternehmen?

Ganz klar: nur funktionale Außenbeleuchtung anbringen – und sehr sparsam mit Licht umgehen. Vor allem: kein Licht im Garten. Wenig Licht hilft uns übrigens auch dabei, besser zu sehen. Das wird Ihnen jeder Augenarzt bestätigen.

Ein Porträtfoto von Sabine Frank.

Sabine Frank koordiniert den Sternenpark Rhön im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen.

Sternenpark Rhön

Seit 2014 ist der Unesco-Biosphärenpark auch als Internationaler Sternenpark anerkannt. Sein Motto: »Licht aus! Sterne an!«

Sternenpark Attersee-Traunsee

Auch Österreichs erster Sternenpark ist von der International Dark-Sky Association anerkannt: ein Nacht-Landschaftsschutzgebiet mit dem Ziel, die Dunkelheit des Nachthimmels zu erhalten.

Sternenweg Großmugl

Auch die niederösterreichische Gemeinde Großmugl schützt die Dunkelheit der Nacht. Eine eigene App führt entlang des Sternenwegs

BIORAMA #81

Dieser Artikel ist im BIORAMA #81 erschienen

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