Urban Future: Viele Marketing-Labels für Lebensräume von morgen

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In Graz findet gerade die Konferenz Urban Future statt. Ein Marktplatz für Technologien und Dienstleistungen für unsere Städte der Zukunft. Wir haben uns dort umgehört und umgesehen. 

Graz Anfang März 2016. Da treffen also ein Haufen “City Changers” bei der Urban Future Konferenz, um über die Zukunft unserer Städte, unserer Technologie und unseres Planeten zu referieren und sich auszutauschen. Vertreter aus 300 Städten, aus 51 Ländern, 1600 Besucher. Der Kongress ist ausverkauft. Das unterstreicht auf jeden Fall die Wichtigkeit und Aktualität des Kongresses: aufgrund des Andrangs musste die Anmeldung gestoppt werden. Und das, nachdem sich der Kongress, der nun zum zweiten Mal stattfindet, im Vergleich zum Vorjahr ohnehin schon stark vergrößert hat. Die Zukunft unseres Planeten wird in den Städten entschieden, heißt es immer. Das stimmt durchaus, vor allem wenn man sich abseits europäischer Perspektiven bewegt. Arab Hoballah von der UNEP (United Nations Environment Programme) geht bis 2050 von einer um 2-3 Milliarden Menschen gewachsenen urbanen Mittelschicht aus. Logisch, dieses Wachstum spielt sich nicht in den westlichen Städten ab.

Smart City sells

Das urbane Wachstum soll durch das Smart City Konzept auf einen grünen Weg gebracht werden. Verschiedene neu errichtete Städte, wie etwa Masdar City in Abu Dhabi, dienen dabei als Leuchtturmprojekte. Diese auf dem neuesten Stand der Technik errichteten Städte sind laut Hoballah Augenauswischerei, reine Flagshipprojekte, ähnlich der Elektroautos großer Automobilkonzerne, um sich ein grünes Label umzuhängen. Labeling ist alles. Marketing ist alles.


Ebenso hier bei der Konferenz. Viele Panels drehen sich eher um das Verkaufen von Planung, als um Planung selbst. Siegfried Nagl, der Bürgermeister der Stadt Graz, forciert seit Jahren ein äußerst umstrittenes Seilbahnprojekt vom Stadtrand in die Grazer Innenstadt. Prompt gibt es ein eigenes Panel zu diesem Thema, gesponsert von den Seilbahnunternehmen Doppelmayr und Leitner. Konzerne und Unternehmer referieren über ihre Produkte, die BesucherInnen hören zu. Elke Rauth, Herausgeberin des Magazins für Stadtforschung Dérive und Leiterin des Festivals “Urbanize”, welche als kritische Stimme leider nicht eingeladen war, meint: “Das Problem mit der Smart City ist nicht die Idee, dass Technologie zur Ressourcenschonung und Verbesserung des Lebens in unseren Städten beitragen kann. Das Problem ist vielmehr, dass globale IT Konzerne mit der Smart City das Denken über die Stadt massiv bestimmen und unsere Städte in erster Linie als gigantische Absatzmärkte für ihre Technologien sehen – und natürlich für den Handel mit Big Data.” Sie würde ihre Befürchtung bestätigt sehen.

Manche Panels fehlen einfach

Natürlich ist die Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen, vor allem mit so drängenden wie der Bekämpfung des Klimawandels, lobenswert und absolut richtig. Vor allem, da der Klimawandel ja längst ein Thema der Gegenwart ist. Hier zeigt die Urban Future Konferenz auch gute Ansätze, indem etwa innovative Methoden der Wiederverwertung und effektiven Nutzung urbaner Ressourcen vorgestellt werden, gleich wie neue Mobilitätskonzepte. Unsere Städte stehen allerdings noch anderen Anforderungen gegenüber, wie etwa der Integration und Aufnahme von Flüchtlingen und der Schaffung von leistbarem Wohnraum. Hier gab es kein einziges Panel, das sich intensiver mit dieser Frage auseinandersetzt, obwohl es von betroffenen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ja wimmelt. Siegfried Nagl dazu: “Vielleicht wurde keiner gefunden, der sich da drüber getraut hat”. Ein anderer Punkt ist, wie beschrieben, dass sich das globale urbane Wachstum hauptsächlich in den Städten des geographischen Südens abspielt. Hierzu wurden aber quasi keine VertreterInnen geladen.


Wie auch immer, es bleibt der schale Beigeschmack, dass sich mit dem Smart City Thema mehr verkaufen lässt. Die Konferenz richtet sich an die Macher, mit “urbanen Leadern” also an jene, die diese Produkte auch kaufen können. Der Normalbürger bleibt außen vor, schließlich wissen die Entscheider schon, wie die Stadt von morgen aussehen soll.  Zur nachhaltigen Stadtplanung gehört auch ganz maßgeblich der soziale Aspekt, Stichwort Community Building und Armutsbekämpfung.  Sonst werden wir in Zukunft zwar technologisch moderne Städte haben, aber Teile der Bevölkerung ausschließen. Und das will wohl niemand, oder?

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