Un-konventionelles Bio-Wissen

Die Website bio-wissen.org stellt Fakten und Infos aus den Bereichen Bio-Lebensmittel auf äußerst ansehnliche Weise vor. BIORAMA stellte Reinhard Gessl vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), einem Mitinitiator der Website, ein paar Fragen.

 

BIORAMA: Warum ist es so wichtig Bio-Wissen zu teilen?

Reinhard Gessl:Landwirtschaftliches Wissen ist ein Brennpunkt des 21. Jahrhunderts. Unser Ernährungssystem hat große gesellschafts- und umweltpolitische Auswirkungen: z.B. auf Tierhaltung, Klimawandel, Arbeitsbedingungen, den ländlichen Raum oder die Geopolitik. Um einen Wandel von industriellen Monokulturen zu einer regionalen, nachhaltigen Wirtschaftsweise zu ermöglichen, muss Wissen nicht nur geteilt, sondern auch neues Wissen geschaffen werden. Dies betrifft den Forschungsbereich ebenso wie bäuerliches Wissen und das grundlegende Verständnis der Konsumentinnen und Konsumenten für Fragen der landwirtschaftlichen Produktion.

Wie wird derzeit Wissens-Transfer in diesem Bereich betrieben? Durch welche Sprachrohre? Und welchen Status hat Bio-Wissen?

Der Austausch, speziell zwischen Forschung und landwirtschaftlicherer Praxis, ist schwierig. In letzter Zeit interessieren sich verschiedene Disziplinen zum Glück mehr für lokales Wissen und bäuerliche Experimente, aber ein projektorientierter Austausch auf Augenhöhe ist schwer zu realisieren, wenn man die Ziele und Rahmenbedingungen der sehr unterschiedlichen Systeme Forschung und Landwirtschaft kennt. Außerdem ist es schwer, größere Forschungsmittel für alternative Forschungen zu lukrieren.
Ein anderer Bereich, der uns immer interessiert hat, war die Frage nach dem landwirtschaftlichen Regierungswissen. Auf welchen Forschungen – Daten, Theorien, Modellen – beruhen denn landwirtschaftspolitische Entscheidungen? Wer berät den politischen Prozess? Hier gibt es in der Landwirtschaft wesentlich weniger „evidence based policy“ und Transparenz, als in anderen technologiepolitischen Feldern.

Was bedeutet „un-konventionelles“ Wissen?

Zum einen ist damit jenes Wissen gemeint, das nicht aus den Wissens- und Technologiefabriken der konventionellen, chemisch-industriellen Landwirtschaft stammt. Die biologische Landwirtschaft hat sehr stark aus der Praxis heraus, aber zunehmend auch über Forschungen, ein alternatives Wissen produziert, das andere Fragen stellt: Fragen nach dem Boden, den Sorten, den Umweltfolgen von Eingriffen ins System, aber auch nach lokalem Wissen und Innovationen.
Zum anderen geht es aber auch um ein anderes Verständnis und andere Darstellungsweisen von Wissen. Wir wollen weg von den fertigen Fakten und hin zum „knowledge in the making“, das immer an der Grenze zum (Noch-)Nicht-Gewussten hergestellt und verhandelt wird. Mit landwirtschaftlicher Produktion sind enorme Interessen und damit auch Propaganda verbunden. Wir finden, dass es Zeit ist, über offene Forschungsfragen der Zukunft anstatt über fertige Marketing-Antworten zu diskutieren.

Wie kam es zu der Idee die Website mit diesen anschaulichen Facts/Grafiken zu spicken?

Das Projekt haben wir in Zusammenarbeit mit DesignerInnen und Partnern entwickelt, die mit kulturwissenschaftlichem Hintergrund Wissenschaftskommunikation betreiben. Die Grafiken oder eigentlich „Isotypen“ (International System of Typographic Picture Education) verstehen sich in der volksbildnerischen Tradition eines Otto Neurath, der über Bildzeichen komplizierte Sachverhalte und statistische Werte einfach verständlich darstellte, ohne dabei ihre Komplexität und Fragilität zu zerstören. Wir haben dann begonnen, Plakate zu machen, die wir unter anderem den Adamah Bio-Kistln beigelegt haben. In der Bio-Kommunikation war das etwas Neues, wir haben unglaublich postive (und wenige unglaublich negative) Rückmeldungen dafür bekommen. Mittlerweile ist die Plakatserie 16-teilig. Deshalb bieten wir sie nun auch im Internet für Computer und vor allem Tablets an. Und für SammlerInnen gibt es jetzt eben auch eine von Designern gestaltete Plakat-Kollektion in limitierter Auflage.

Die Zusammenarbeit mit Bio-Expertinnen und –Experten ermöglicht den Konsumentinnen und Konsumenten einen persönlicheren Zugang zur Materie. Was macht den österreichischen Bio-Markt so besonders? Welches Potential steckt in ihm?

Der österreichische Bio-Markt hat sich dank visionärer politischer Entscheidungen in Kombination mit dem Engagement der Supermärkte schon Mitte der 1990er Jahre und damit international gesehen sehr früh sehr gut entwickelt. Bio einzukaufen gehört damit in den meisten österreichischen Haushalten einfach zum Alltag dazu. In der Zwischenzeit gibt es fast alle Lebensmittel in Bio-Qualität, was durchaus wieder kritische Fragen aufwirft. Auch wenn sich einzelne Lebensmittel wie Bio-Eier und Bio-Milchprodukte mit Marktanteilen von um die 20 % gut verkaufen, so grundelt der Bio-Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt  nach wie vor bei unter 10 % herum, bei Fleisch z. T. auch unter 1 %. Das Potenzial für Bio ist also noch riesig.

 

Wissenswelten der Biolandwirtschaft
mit Bio-Palaver (u.a.  mit BIORAMA-Herausgeber Thomas Weber) un Plakat-Ausstellung

am Dienstag, 11. Dezember 2012 um 18 Uhr
Wien, Gschwandner


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www.bio-wissen.org

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