Ist es ökologisch vertretbar, Kinder zu kriegen? Ja …

... sagt Umwelt-Aktivistin Hildegard Aichberger. »Ohne Kinder nutzt uns der ganze Öko-Lebensstil nichts«, findet Aichberger und plädiert für mehr Kinder und einen bewussteren Lebensstil.

Hildegard Aichberger ist Umwelt-Aktivistin und hat eine Tochter.
Was spricht in einer Welt des extremen Bevölkerungswachstums und Klimawandels noch für die Entscheidung, Kinder in die Welt zu setzen? Bild: istock.com/singkham

Schwedische Forscher kommen in einer vielbeachteten Studie  (Wynes & Nicholas, 2017) zu dem Schluss, dass die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme ist, weniger Kinder zu bekommen. Die Autoren beziffern den Effekt mit fast 60 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr, die eine durchschnittliche Familie so einsparen kann. Weniger Kinder zu haben wäre damit – so die Autoren – die wirkungsvollste mögliche Klimaschutzmaßnahme noch vor dem Verzicht auf Flüge, Autos oder Fleisch.

Ein Kind zu haben, bedeutet Ressourcenaufwand. Allein für die Windeln stirbt ein mittlerer Wald und sobald die Kleinen sprechen können, wollen sie alles Mögliche haben. Meist mehr, als sie eigentlich brauchen können. So enden junge Familien bald mit einer vollgeräumten Wohnung und einem schlechten Gewissen.

Trotzdem plädiere ich für Kinder – aus folgenden Gründen:

Das Für-wen-denn-das-alles-Argument

Für wen sollten wir die Umwelt schützen, wenn nicht für unsere Kinder? Auch wenn ganz Verwegene argumentieren, dass es der Natur ohne den Menschen besser ginge. Die meisten von uns, mich eingeschlossen, schützen die Umwelt für die nächste Generation. Und das sind nun mal die Kinder.

Das Erkenntnis-Argument

Kinder bringen uns zum Nachdenken. Es ist erwiesen, dass Menschen mehr Wert auf Nachhaltigkeit, nachhaltige Ernährung und gesunde Umwelt legen, sobald sie Kinder haben. Nicht umsonst spielen Bio-Ernährung, unbedenkliche Rohstoffe und Co. gerade bei Produkten für Kinder eine so große Rolle.

Für wen schützen wir die Umwelt, wenn nicht für die Kinder?

Laut Hildegard Aichberger bringen uns Kinder dazu, uns wieder mehr auf die menschliche Ebene und unsere Beziehungen zu konzentrieren. Bild: Kelly Sikkema über Unsplash.

Das Zukunfts-Argument

Kinder sind die Zukunft und werden diese auch selbst gestalten. Auf unsere Generation zu setzen bedeutet, Dinosauriern das Eislaufen beizubringen. Kinder sind viel lernfähiger. Schon heute können wir beobachten, dass die »Jungen« für Sharing– und flexible Ernährungsmodelle deutlich offener sind als Menschen meines Alters.

Das Mathematik-Argument

Um eine Bevölkerung stabil zu halten, müsste die Geburtenrate bei etwa 2,1 liegen. Unsere liegt ohnehin darunter – sie noch viel weiter zu senken, würde die Gesellschaft destabilisieren. Was wir in Industriestaaten aber haben, ist nicht ein Problem mit unserem Bevölkerungswachstum, sondern mit unserem Lifestyle. Den gilt es zu ändern.

Das Beziehungs-Argument

Übermäßiger Konsum ist Ausdruck einer Unzufriedenheit und Kompensation für fehlende Beziehungen. Kinder bringen uns in Balance, sie holen uns auf die Beziehungsebene zurück. Wer Kinder hat und mit ihnen Zeit verbringt, braucht keine Shopping-Exzesse und Kompensationskäufe. Kinder sind lustig, lieb und holen uns im Optimalfall dorthin zurück, wo das Leben Spaß macht: im Jetzt und Hier.

Das Moral-Argument

Die Entscheidung, Kinder zu bekommen, ist eine zutiefst persönliche. Wenn wir weniger Kinder haben sollen, wer entscheidet darüber, wer Kinder haben darf und wie viele? Kein schöner Gedanke. Selbsteinschränkung wäre aber noch schlimmer: Denn freiwillig würde wohl eher der verantwortungsbewusste Teil unserer Gesellschaft die Kinderzahl einschränken, und so würden in Zukunft unverhältnismäßig viele Benzinbrüder und -schwestern den Erdball bevölkern.

Laut Hildegard Aichberger lohnt es sich aus vielen Gründen, Kinder zu bekommen. Nicht zuletzt, weil man dann mehr Bewusstsein für die Umwelt entwickelt.

Hildegard Aichberger. Bild: Krizei.

Hildegard Aichberger ist Geschäftsführerin der Initiative MUTTER ERDE und beim ORF für Nachhaltigkeit im Programm verantwortlich. Sie ist Mutter einer fünfjährigen Tochter.

BIORAMA #56

Dieser Artikel ist im BIORAMA #56 erschienen

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