Herr Hipp, wie war Bio vor 60 Jahren?

Stefan und Claus Hipp (Bild: Hipp)

Claus Hipp (rechts) mit Sohn Stefan. (Bild: Hipp)

Die Familie Hipp aus Bayern produziert seit sechs Jahrzehnten Bio-Babynahrung. Von Claus Hipp wollten wir wissen, was Bio im Jahr 1956 bedeutet hat. 

Biorama: Vor 60 Jahren gab es noch keine EU-Bio-Verordnung und die „Grüne Revolution“ in der Landwirtschaft war noch nicht flächendeckend in vollem Gange. Was hat die Umstellung auf Bio damals eigentlich konkret bedeutet?

Claus Hipp: Vor allem Pioniergeist. 1924 hielt der Anthroposoph Rudolf Steiner einen Kurs über die Zusammenhänge zwischen Natur, Kosmos und Landwirtschaft. Damals hörten nur rund 100 Bauern zu. Aber das war die Geburtsstunde des biologisch-dynamischen Anbaus. Und gleichzeitig kämpfte Hans Müller gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft und empfahl kleinen Familienbetrieben, auf geschlossene Betriebskreisläufe zu setzen. Er entwickelte den organisch-biologischen Anbau. Seine Lehren boten eine gute Basis für mich, um auszuprobieren, was auf meinem Hof umsetzbar war. Natürlich hat nicht immer alles sofort geklappt, aber ich war trotzdem überzeugt, das Richtige zu tun und habe mich deshalb nicht davon abbringen lassen, weiter zu machen.

Oft wird von der Lebensmittelqualität von früher geschwärmt. Waren die Lebensmittel in den 50er und 60er Jahren wirklich natürlicher und besser als heute?

Claus Hipp: Das ist nicht pauschal zu beantworten. Unsere Lebensmittel nehmen Stoffe auf, die sich im Boden, im Wasser und in der Luft befinden. Je nachdem, wo sie wachsen und um welche Pflanzen und Tiere es sich handelt, ganz unterschiedliche. Mit der Industrialisierung hat auch die Verschmutzung der Umwelt zugenommen. Vieles reicherte sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte an. Andere Giftstoffe wurden durch die strengeren Auflagen und die vielen freiwilligen Maßnahmen zum Umweltschutz wieder weniger. Und dann ändert sich auch die Verarbeitung von Lebensmitteln und die Zulassung von Zusatzstoffen laufend.

 

War es denn auch schon vor einem halben Jahrhundert so, dass gerade junge Eltern bei der Ernährung ihrer Kinder Wert auf Bio-Qualität gelegt haben. Oft werden Menschen ja erst durch die Frage nach der richtigen Nahrung für ihre Kinder zu überzeugten Bio-Anhängern. War das auch schon vor einem halben Jahrhundert so?

Sicherlich machten sich Eltern schon immer Gedanken um die richtige Ernährung ihrer Kinder. Der Bio-Gedanke war vor einem halben Jahrhundert allerdings noch nicht verbreitet. Damals hatten die Eltern eher den Anspruch, dass die Nahrung schmackhaft und nahrhaft sein soll, dass das Kind satt wird, gut gedeiht und zufrieden schlafen kann.

Was hat Sie denn damals persönlich – Sie waren ja noch nicht einmal 20 – davon überzeugt, dass biologischer Anbau für Ihren Betrieb die richtige Produktionsweise ist?

Meine Eltern standen in gutem Kontakt zu Hans Müller. Die geschlossenen Betriebskreisläufe, wie er sie beschrieben hatte, waren für mich einleuchtend und passten zu meiner Vorstellung des nachhaltigen Wirtschaftens. In der Natur gibt es nichts Wertloses, alles in der Schöpfung hat seinen Sinn und muss respektvoll behandelt werden.

War das damals eine progressive Haltung? Oder war Bio damals eher ein konservatives Programm?

In den Fünfzigern wurde Technik und Chemie als fortschrittlich betrachtet. Unkraut von Hand zu jäten galt da bei der Mehrzahl als konservativ. Ein Bio-Landwirt galt zu dieser Zeit eher als Eigenbrötler und weniger als Innovator.

Wann wurde der Begriff „bio“ in Ihrer Wahrnehmung zu einem Begriff, den man nicht mehr überall erklären muss?

Zum Schutz der Bio-Landwirte und der Kunden erließ die EU 1991 die Ökoverordnung, die seither den Begriff „Bio“ schützt und genau regelt, was als Bio bezeichnet werden darf. Das hat dem Begriff sicherlich eine größere Bekanntheit verschafft.

In der Landwirtschaft, aber auch in der Wirtschaft allgemein, sind Generationswechsel immer ein Thema. Wird der Generationswechsel bei Hipp größere Veränderungen mit sich bringen, oder geht es „nahtlos“ weiter?

Das ist sicher richtig, Generationswechsel bringen immer gewisse Veränderungen mit sich. Was uns betrifft, haben wir aber sehr gut vorgesorgt. Meine Kinder arbeiten bereits viele Jahre im Unternehmen mit, mein ältester Sohn Stefan ist zudem überzeugter Bio-Landwirt. Schon seit 14 Jahren leitet er seinen eigenen Bio-Betrieb und bringt den Großteil seiner Bio-Erzeugnisse auch in unsere Produktion ein. Heute bin ich froh, dass sie vieles besser machen als ich.


Claus Hipp wurde 1938 in München geboren. Als Jugendlicher begann er in den 1950er Jahren, den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb auf Bio umzustellen. Der promovierte Jurist ist Geschäftsführer eines der größten Herstellers für Kindernahrung in Deutschland. Über das Familien-Unternehmen sagt der Pferdezüchter, Springreiter, freischaffende Künstler und Katholik: „Nachhaltigkeit steht seit 60 Jahren im Mittelpunkt unserer Unternehmensphilosophie.“

 


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