Der Selfmadevisionär

Inspiriert von WC-Würfeln und einer umweltbewussten Kundin trimmte Sepp Dygruber die von ihm propagierten Geschirrspültabs auf öko. Ein Besuch in seiner »Hexenküche«.

Sepp Dygruber Portrait
Die Geschichte des Gründers Sepp Dygruber kennt Höhen und Tiefen. 2008 landeten seine Öko-Geschirrspültabs bei Stiftung Warentest auf dem letzten Platz. 2019 triumphierte er als Testsieger. Bild: Claro

CDs werden hier heute keine mehr gepresst. Dafür Geschirrspültabs. Vor kurzem ist Sepp Dygruber mit Sack und Pack hierher übersiedelt, »bei laufender Produktion«, wie er nicht ohne Stolz anmerkt. Während im alten Werk am Mondsee noch Rohstoffe gemischt wurden, lief hier in Anif, auf dem alten Areal von Sony Music, bereits die Hardware heiß: sechs Geschirrspüler, identisch eingeräumt mit bunten Bechern, schwarzen Tellern, Silberbesteck, Kristallgläsern und Kaffeetassen, maximal verdreckt, um zu überprüfen, ob Spülgang für Spülgang die Leistung passt, alles sauber geworden ist und glänzt. Denn das Versprechen seiner Claro-Pulver und Tabletten lautet »grün, aber gründlich«. Und Fehler kann sich Sepp Dygruber heute keine mehr erlauben, das weiß er. Da wäre der Markt gnadenlos. 2008, als er sich bewusst entschieden hatte, bei seinen Tabs den problematischen Bestandteil Phosphat wegzulassen, hatte ihm ein vernichtendes Testurteil der Stiftung Warentest fast das Genick gebrochen. Als Testsieger ist ihm 2019 zwar ein später Triumph geglückt. Aber Sepp Dygruber ist demütig geblieben.

Der Traum von der Ökofabrik

Mittlerweile ist auch die Produktion ganz in Anif angekommen. »Hexenküche« nennt der Gründer die Halle, in der die Ingredienzien zusammengemischt, in Tabs gepresst und in auffällig taillierte Kartons verpackt werden. 6000 Quadratmeter des Geländes, an dessen Einfahrt noch das Sony-Logo an das einstige Prestigeprojekt der Salzburger Kreativwirtschaft erinnert, hat Dygruber gemietet.

Das mit der Miete ist ihm wichtig. Denn eigentlich lägen Pläne für eine Ökofabrik in der Schublade; mit Photovoltaikanlage, weitgehend autarker Energieversorgung, eine »gläserne Fabrik«, durch die man gehen und sehen könne, wie die Tabs rausschießen, 1200 Tabs in der Minute; alles ein bisschen wie in der »Sendung mit der Maus«. »Aber momentan brauche ich die Kraft für den Markt«, sagt der 53-Jährige, »die Ökofabrik zu bauen würde mich ablenken und ich muss noch ein bisschen wachsen«. Dass nichts hier für die Ewigkeit gedacht ist, zeigt er im Vorbeigehen. »Da ist nix geschweißt, sondern alles geschraubt«, deutet Dygruber auf die Stahlträger. Soll heißen: Alles hier ist auf seine künftige Wiederverwendbarkeit hin konstruiert und soll dereinst mit in die gläserne Ökofabrik übersiedeln. Aber eben nicht jetzt.

Damgmar Koller am Set eines Werbedrehs
Mitte der 90er-Jahre am Set mit der Schauspielerin Dagmar Koller: Der Werbespot ist legendär. Die damit eingeführte selbstauflösende Folie von Claros Geschirrspültabs veränderte eine Branche. Bild: Claro.

Jetzt beschäftigen ihn die Start-ups, die jede Woche bei ihm anfragen, ob er ihnen nicht Tabletten pressen könne: Unternehmen, »die absurde Bewertungen einfahren, Hypes generieren, selbst aber null Substanz und schon gar kein Know-how haben«. Und die großen Mitbewerber, allesamt börsenotierte Konzerne, die Nachhaltigkeit bis gestern gründlich ignorierten, nun aber ebenfalls grün sein wollen, zumindest ein bisschen. »1995 war ökologisches Geschirrspülen nicht wirklich sexy«, sagt Dygruber. Auch er selbst war alles andere als ein Ökofundi, als er sich mit Ende zwanzig selbständig machte – weil sein damaliger Chef, der Manager eines deutschen Markenartikelkonzerns, nicht an die Zukunft der Geschirrspültabs geglaubt hatte (»So kann man sich täuschen!«). »Der Visionär in mir ist mit den Jahren gewachsen«, sagt er. »Und wir waren auch gar nicht so gescheit, wir hatten nur die Gabe, den Leuten zuzuhören«. So verdankt Claro die erste richtige Innovation auch der Verkäuferin eines Salzburger Unimarkts. Die klagte eines Tages über den Plastikmüll und fragte, ob man die Tabs nicht wie WC-Würfel in selbstauflösender Folie anbieten könne. So gelangte das Know-how aus dem Klo in den Geschirrspüler. Dass heute nicht längst alle Geschirrspültabs auf die Einwegplastikhülle verzichten, liege einzig an der Praxis in den Konzernmanagements, meint Dygruber: »Das sind börsenotierte Unternehmen, wo das Management Verträge für vier bis fünf Jahre hat, da haut sich wegen ein paar Kommastellen niemand seine Marge zusammen. Und dann ist halt der Nächste dran.«

»Wir sind ja bei Gott nicht perfekt, aber wir lernen jeden Tag dazu.«

Claro-Gründer Sepp Dygruber hört genau hin, wenn Feedback kommt.

Alternative Vertriebswege

Auch alternative Vertriebswege hat sich Claro einst »rein aus der Not heraus gesucht«. Selbst heute, wo Claro breit im Handel vertreten ist und mit »100% Claro« auch eine eigene Produktlinie für den Biofachhandel entwickelt hat (»das Härteste, Ecocert-zertifiziert und in Graskartons verpackt«), bleibt der Elektrofachhandel eine wichtige Vertriebsschiene. Von dort aus drängte Dygruber in den 90er-Jahren – in enger Zusammenarbeit und in gemeinsamen TV-Spots mit Miele – auf den Markt.

Um Feedback und Vertrieb künftig zusammenzuführen und um vorab exklusive Produktentwicklungen abzutesten (»vielleicht gelingt uns ja sogar einmal ein Hype«), baut er seit einiger Zeit auch den Claro-Onlineshop aus. »Wir sind heute vielfach in Kontakt mit den EndverbraucherInnen. Wir sind ja bei Gott nicht perfekt, aber wir lernen jeden Tag dazu«, sagt Dygruber. »Von ihnen erfährst du manchmal extrem Relevantes. Und auch was die gesammelten Daten künftig für uns bedeuten, das begreifen wir heute noch gar nicht, da bin ich sicher«.

Worüber sich Josef Dygruber ebenfalls Gedanken macht: Tests haben eindeutig ergeben, dass es noch einmal ökologischer wäre, die selbstauflösende Polyvinylalkoholfolie seiner Geschirrspültabs durch eine Laktosefolie zu ersetzen, die bei der Milchproduktion anfällt. »Laktose wäre deutlich besser, denn dann würde sich endlich die ganze Folie vollständig rückstandsfrei auflösen. Aber viele Menschen achten halt auf vegane Produkte, und vegan lebende Menschen würden Claro dann vermutlich nicht mehr kaufen.«

Sepp Dygruber vor einem Labor
»Wir sind entwicklungsgetrieben«, sagt Sepp Dygruber. Sieben seiner 45 MitarbeiterInnen bei Claro arbeiten in der Produktentwicklung – darunter »drei Chemiedoktoren«. Bild: Claro.

Tiere würdevoll zu nutzen, damit hat Dygruber selbst – der 2020 nebenbei die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter abschloss und von Streuobstwiesen und Selbstversorgung schwärmt – jedenfalls kein Problem. Als naturverbundener Familienmensch denkt er in Kreisläufen und in Generationen. »Mein Ziel war es immer, Claro vererbbar zu machen.« Auch wenn der Vater selbst durchaus zurückhaltend bleibt: Tochter Laura ist 24 und möchte dem Vater irgendwann nachfolgen. »Wenn sie es doch nicht möchte oder ihr die Fähigkeiten fehlen, dann gibt’s als Plan B halt ein Fremdmanagement«, sagt er. »Oder wir verkaufen doch irgendwann. Als Gründer habe ich ja zum Glück nicht diesen familiären Druck ganzer Generationen auf mir lasten, dass sich der Großvater im Grab umdrehen würde oder so.«

Buchcover Vom Tellerwäscher zum Visionär
»Vom Tellerwäscher zum Visionär«. Der Journalist Wolfgang Maria Gran erzählt auf 143 Seiten, »wie Öko-Pionier Sepp Dygruber mit Claro Geschichte schrieb«. Nah an der PR, aber lesenswert. Ecowin Verlag, 2021. Bild: Ecowin.

Der Unternehmer und das ewige Leben

Dass hier irgendwann keine Geschirrspültabs mehr gepresst werden, steht für Dygruber ohnehin fest. Denn nichts ist für die Ewigkeit. Durch den »Angstreduzierer Religion« sehe er das auch gelassen. »Ich bin zwar kein Bibelfanatiker«, sagt Dygruber, »aber ich lese täglich darin«. Frühmorgens zehn Minuten im Bad, nach dem Zähneputzen, das habe er sich zum Ritual gemacht. Sein Lieblingsgleichnis ist das, »in dem Jesus einem jungen Burschen, der sein Lebtag die Gebote eingehalten hat, aber nun ganz Jesus nachfolgen möchte, sagt, er müsse all sein Hab und Gut verschenken und den Armen geben. Das beschäftigt mich: Könnte ich fürs ewige Leben alles aufgeben?«

Am Tag nach dem Besuch bei ihm in Anif schickt Sepp Dygruber das Foto einer Bibelstelle aufs Handy. Frühmorgens, wahrscheinlich gleich nach dem Zähneputzen. Markus-Evangelium 9,10. Die »Frage eines Reichen nach dem ewigen Leben«; eine alte Erzählung von Jesus, die sich auch in den Evangelien von Matthäus und Lukas findet. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib (den Erlös) den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach. Er aber ging, entsetzt über das Wort, traurig weg, denn er hatte viele Güter. Danach spricht Jesus zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes hineinkommen. Die Interpretation hat er bereits am Tag davor abgegeben. »Das ist brutal.«

Sepp Dygruber mischt nicht nur im Biofachhandel mit. Doch die Produktlinie »100% Claro« hat er eigens dafür entwickelt. Konventionelle Supermärkte würden sie längst gerne listen, doch der Salzburger bleibt dem Ökofachhandel im Wort. Putzmittel sind nicht von der EU-Öko-Verordnung erfasst. Es gibt unter anderem Verbändesiegel, auf diese setzt Dygruber aber nicht. Er hält sich an die Sortimentsrichtlinie des deutschen Bundesverbands Naturkost Naturwaren: Für eine Aufnahme ins Sortiment müssen Reinigungsmittel leicht biologisch abbaubar sein, auf gentechnisch veränderte Enzyme verzichten und dürfen nicht auf Erdöl basieren.

BIORAMA #72

Dieser Artikel ist im BIORAMA #72 erschienen

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