Ist ein Ausbau der Atomkraft nachhaltig? Ja …

sagt der Geschäftsführer des Nuklearforums Schweiz, Lukas Aebi. Denn sie braucht von allen Arten der Stromproduktion am wenigsten Platz und schont Klima und Umwelt.

Fotomontage pro Atomkraft
Bild: Biorama/c-istock-vlastas-vencavolrab.

Der Aufschrei war gross, als das EU-Parlament Anfang Juli Investitionen in Gas- und Kernkraft als nachhaltig eingestuft hat – Betrug! Das finden wir auch. Aber im Gegensatz zu vielen lauten Kritikern im deutschsprachigen Raum sehen wir den wahren Skandal im Umstand, dass Gaskraftwerke das gleiche grüne Label wie Kernkraftwerke erhalten. Wie man in einer Zeit, wo der Klimawandel eines der drängendsten Probleme der Menschheit ist, einen fossilen Energieträger fördern kann, entzieht sich unserem Verständnis. Anders als Gaskraftwerke verdienen Atomkraftwerke das Nachhaltigkeitslabel der EU, denn die Kernenergie ist eine der CO2-ärmsten Formen der Stromproduktion und schont dank ihres geringen Platz- und Rohstoffbedarfs auch Natur und Landschaft. Auch die Entsorgungsfrage, übrigens ein Nachhaltigkeitskriterium der EU, ist technisch gelöst. Der Abfall wird in einem geologischen Tiefenlager fernab vom Lebensraum des Menschen in Hunderten Metern Tiefe in einer geeigneten Gesteinsschicht sicher eingeschlossen, weder Unterhalt noch Überwachung sind notwendig.

Sauberer Schweizer Strom

Laut Berechnungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) stossen mit Erdgas befeuerte Gaskombikraftwerke pro Kilowattstunde rund 490 Gramm CO2-Äquivalente aus. Kernkraftwerke produzieren mit 12 Gramm etwa 40 Mal weniger Treibhausgase. Anders gesagt: Würde der in der Schweiz in Kernkraftwerken produzierte Strom mit modernen Gaskombikraftwerken erzeugt, würden diese jedes Jahr gut 10 Millionen Tonnen CO2 ausstossen. Das ist etwa gleich viel, wie alle Autos in der Schweiz jährlich in die Luft blasen. 

Demgegenüber gewinnt die Schweiz ihren Strom zu über 90 Prozent aus Wasserkraft und Kernenergie. Aus der erwähnten Lebenszyklus-Analyse geht hervor, dass die Schweizer Stromproduktion nur sehr geringe Mengen an Treibhausgasen freisetzt. Vor allem diesem klimafreundlichen Produktionsmix verdankt die Schweiz ihr Ranking auf den Spitzenplätzen des »Energie-Trilemma-Berichts« des Weltenergierats (World Energy Council, WEC). Beim Kriterium der ökologischen Nachhaltigkeit liegt sie dabei jeweils auf Platz 1. Und der Weltenergierat ist nicht alleine mit seiner Einschätzung: Auch andere Fachgremien wie die Internationale Energieagentur (IEA) der OECD und die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen sehen Kernenergie als probates Mittel zur kohlenstoffarmen Stromerzeugung und als zentrale Technologie, um zügig und kostengünstig von fossilen Energieträgern wegzukommen. 

Miteinander statt gegeneinander!

Wir meinen, dass es keinen Sinn macht, saubere Energiequellen gegeneinander auszuspielen. Die Schweiz ist mit der nahezu CO2-freien Kombination von Kernenergie und Erneuerbaren sehr gut gefahren. Es hätte aber auch anders kommen können, denn als die Schweiz in den 1960er-Jahren den Bau von Kernkraftwerken beschlossen hat, wären Ölkraftwerke die Alternative gewesen. Nun scheint sich der Kreis zu schliessen: Da der Bau von Kernkraftwerken seit dem Volksentscheid von 2017 verboten ist, plant die Regierung, um dem Strommangel zu begegnen, Gaskraftwerke, die bei Gasmangel auch mit Öl betrieben werden könnten. Das kann unmöglich nachhaltiger sein als der Ausbau der Atomkraft. 

Portrait von Lukas Aebi.

Lukas Aebi ist Geschäftsführer des Nuklearforums Schweiz, das sich für eine sachliche und faktenbasierte Debatte über die Nukleartechnologie einsetzt und ein ergänzendes Zusammenspiel von Erneuerbaren und Kernenergie fordert.

Eine andere Meinung hat Leonore Gewessler österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Sie sagt: Nein. Ein Ausbau der Atomkraft ist nicht nachhaltig. Hier kannst du ihren Gastkommentar des Formats Pro/Contra nachlesen.

BIORAMA #80

Dieser Artikel ist im BIORAMA #80 erschienen

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