Ziel: Pestizidreduktion. Bewegt sich was?

Pestizidverkauf Datenquelle: Foodwatch Report 2022.

Der Einsatz von Pestiziden soll weltweit reduziert werden. Was passiert in der EU? 

Mutmaßlich seit Beginn des Ackerbaus beschäftigt Pflanzenschutz die Menschheit. Vor allem der Schutz der Pflanzen gegen Tiere, die dem Menschen Nahrungskonkurrenz machen, als auch der Schutz gegen einerseits Krankheiten, die die Pflanze schädigen, und andererseits auch solche, die den Menschen, der eine kranke Pflanze isst, gefährden, waren historisch relevant.

Pestizide oder auch Pflanzenschutzmittel schützen nur die Kulturpflanze, für mehr oder weniger andere Pflanzen oder Tiere sind sie schädlich – denn dazu sind sie da. Insektizide – also Gifte gegen Insekten –, Herbizide – gegen Pflanzen – und Fungizide – gegen Pilze – sind vor allem sind damit gemeint. Nun gibt es natürliche Pflanzenschutzmittel und chemisch-synthetische. Beide sind wirksam und insofern sind auch beide nicht grundsätzlich immer harmlos. Wenn von Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden die Rede ist, sind allerdings meist die chemisch-synthetischen gemeint. 

Der Begriff »Integrierter Pflanzenschutz« fasst eine Kombination aller verfügbaren Methoden zum Pflanzenschutz zusammen: chemisch-synthetische und biologische, wie auch Pflanzenzüchtung, Biotechnologie und Anbauverfahren. Ob es für nachhaltigen Pflanzenschutz einen Mix aus allen diesen Aspekten braucht, oder ob hier nur der Anschein der Ausgewogenheit erzeugt wird, indem man vermeidbare hochgiftige Stoffe mit anderen Mitteln und Methoden kombiniert, statt komplett auf sie zu verzichten, bleibt umstritten. 

Unumstritten sind allerdings nicht nur die gesundheitlichen Schäden, die Pestizide nicht nur theoretisch haben können und auch in jährlich tausenden dokumentierten Fällen haben, sondern auch die Unvereinbarkeit des derzeitigen Pestizideinsatzes mit unseren Klima- und Nachhaltigkeitszielen in Europa und in der UNO. Die weltweit eingesetzte Pestizidmenge steigt seit Jahrzehnten an: zwischen 1990 und 2017 um etwa 80 Prozent. Ein weitgehender Verzicht auf Pestizide würde eine andere Art landwirtschaftlicher Produktion notwendig machen, als sie heute weltweit dominiert. Viel ist die Rede von immerhin in der EU inzwischen gesunkenen Pestizidmengen – das gilt allerdings nur von einem erst vor Kurzem erreichten Höhepunkt aus betrachtet. 

Da die Europäische Union für die Jahre zwischen 2003 und 2010 keine Daten von den Mitgliedsstaaten erhoben hat, fehlen für viele Staaten die Informationen, der Vergleich mit denen um die Jahrtausendwende macht allerdings deutlich, wie schnell sich die Arbeitsweise auch in der europäischen Landwirtschaft verändert hat – und grundsätzlich verändern kann. 

Im Rahmen der letzten Weltnaturkonferenz in Montreal Ende 2022 wurde beschlossen, die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Bereits ein Jahr zuvor haben sich die EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie zum Ziel gesetzt, den Einsatz von Pestiziden bis 2030 zu reduzieren. Damit es nicht beim hehren Ziel bliebt, hat die EU-Kommission im Sommer 2022 eine Richtlinie (Sustainable Use Regulation – SUR) vorgeschlagen, die alle Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Gesetze zur Umsetzung zur Halbierung des Pestizideinsatzes zu beschließen. Sowohl für als auch gegen diese gesetzliche Verankerung wird nun hart gekämpft, von Umweltorganisationen, von Saatgutherstellern und inzwischen auch von den Mitgliedsstaaten im Rat. Ausgerechnet der Bio-Europameister Österreich beispielsweise bremst – und versucht gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten diese, auf staatlicher Ebene zu messbaren Ergebnissen verpflichtende, Regelung zu verhindern. Auf den folgenden Seiten kommen zwei von vielen möglichen Positionen dazu zu Wort. 

4 Millionen Tonnen Pestizide
werden weltweit jährlich ausgebracht. Fast die Hälfte davon sind Herbizide, knapp 30 Prozent sind Insektizide und etwa 17 Prozent sind Fungizide.

Mehr Informationen, u. a. zu den Entwicklungen der seit 2004 beigetretenen (und verbliebenen) EU-Staaten finden sich im Report von Foodwatch e.V. unter foodwatch.org.

Datenquelle: »LOCKED-IN PESTICIDES«, Foodwatch-Report 2022. 

BIORAMA #83

Dieser Artikel ist im BIORAMA #83 erschienen

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