Die neue Landlust

Für Journalist und Buchautor Martin Rasper sollten Gärten urbaner werden. Sein neues Buch handelt „Vom Gärtnern in der Stadt“ und den ökologischen und kulturellen Hintergründen dieses vermeintlich neuen Phänomens.

BIORAMA: Herr Rasper, was wächst denn in Ihrem eigenen Garten?

Martin Rasper: Wir haben viel Obst, viele Kräuter, jedes Jahr ein paar Tomatensorten, ein bisschen Salat und Mangold, Kürbis und Kartoffeln, aber mehr nach Lust und Laune. Die Grundversorgung den Sommer über sichert eine Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft, in der ich Mitglied bin (waldgaertner.de). Den Rest kaufen wir im Bio-Supermarkt.

Woraus entsteht Ihrer Meinung nach der Drang, sich die Hände dreckig zu machen, sich den Lebensmitteln wieder so direkt durch das Gärtnern anzunähern?

Das Pflanzen ist etwas Archaisches, so wie der Umgang mit Natur allgemein. Das ist einfach in uns drin. In der heutigen Situation empfinden viele Menschen es als Verlust, von dieser Erfahrung abgeschnitten zu sein, und wollen wieder mehr daran teilhaben.

Grüne Stadtentwicklung »von unten« ist immer noch eine Sache kleiner Netzwerke. Wie kann sich die Gartenbewegung gegen die Interessen von Wirtschaft und Politik durchsetzen?

Die Politik, jedenfalls die kommunale, ist gar nicht so feindlich. Natürlich gibt es Grundkonflikte mit der Flächennutzung, weil die Verwaltungen Brachflächen möglichst gewinnbringend nutzen müssen. Aber jede größere Stadtregierung macht sich Gedanken, wie sie auf den Klimawandel reagiert; und wenn die sehen, dass kompetente Projekte entstehen, sind sie oft recht offen gegenüber neuen Ideen. Auf der Ebene der großen Politik dagegen, wo die Lobbys der Konzerne mitbestimmen, muss man natürlich die Agroindustrie auf klassische Weise bekämpfen: Petitionen, Aufklärung, Aktionen.

In der grünen Stadt spielt der Garten eine wichtige Rolle. Wo hakt es derzeit bei der Umsetzung größerer Konzepte?

Vieles muss es eben erst ausprobiert werden; es gibt da auch viel Unsicherheit in den Verwaltungen. Aber es gibt auch positive Beispiele, etwa Andernach am Rhein mit seinem Konzept der »essbaren Stadt«. Vorbildlich auch London mit seinem »Capital Growth«, das bereits über 1.600 neue Gärten geschaffen hat.

Der Begriff »Stadt« bzw. »urbaner Raum« wird in Zukunft neue Aspekte beinhalten müssen. Wie könnte eine neue, adäquate Definition aussehen?

Ich weiß nicht, ob es neue Definitionen braucht. Gärten, in jeglicher Form, könnten stärker als etwas Urbanes wahrgenommen werden. Was wir sicherlich brauchen, sind lebendigere dörfliche bzw. urbane Zentren in den zersiedelten Ballungsräumen – dass da mehr Leben stattfindet, das zu Fuß und mit dem Rad erreichbar ist.

Wie wäre denn der Idealzustand einer grünen Stadt?

Der Idealzustand wäre eine Stadt, die deutlich weniger CO2 verbraucht – wobei die Gärten und das Grün nur ein Teil der Lösung sind, ebenso wichtig sind Verkehr und Wirtschaft – und die trotzdem als Stadt so lebendig und vielfältig bleibt, wie die meisten unserer Städte es im Moment sind.

Haben Gärten – wie sie in Ihrem Buch sagen – wirklich das Potenzial, die Welt zu retten?

Naja (lacht); man könnte zumindest den Eindruck bekommen, dass die Gärten sich vorgenommen haben, die Welt zu retten – wenn man sich anschaut, welche Vielfalt da entsteht. Ob sie es schaffen werden? Hoffen wir es!

Martin Rasper
„Vom Gärtnern in der Stadt. Die neue Landlust zwischen Asphalt und Beton“
erschienen im Oekom Verlag

Agropolis-Projekt: www.agropolis-muenchen.de

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