Design für Alle! Finn Petrén im Interview

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Finn Petrén betreibt ein Consulting Unternehmen im Bereich Design und ist seit 2007 Präsident der Organisation Design for All Europe. Am 25. Jänner spricht er in der Grazer Helmut Liszt Halle bei der Creative Industries Convention 2013. Dabei steht Design für soziale Innovation und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Grund genug für BIORAMA, sich mit dem Schweden über inklusives und nachhaltiges Design zu unterhalten. 

 

BIORAMA: Sie haben Soziologie und Philosophie in Stockholm studiert. Heute beschäftigen Sie sich hauptsächlich mit Design. Was ergab ihre persönliche Verbindung zwischen ihrem intelektuellen Hintergrund und Design?

Finn Petrén: Das ist eine gute Frage und ich könnte ein ganzes Essay zur Beantwortung verfassen. Ich habe mich mein Leben lang für Architektur interessiert und ich fand immer soziale Fragestellungen interessant, die darum kreisen, wie bestimmte Dinge gesellschaftlich gelöst werden. Einige Jahre lang habe ich in schwedischen Ministerien gearbeitet und auch für den Nordischen Rat. Dort hatte ich die Aufgabe, neue Programme für unterschiedliche Politikfelder zu entwickeln. Damals entdeckte ich Design als tool um gesellschaftliche Verbesserungen zu schaffen.

Zum Beispiel habe ich damals, vor etwa zwanzig Jahren, realisiert, dass klassische Behindertenpolitik niemals Barrierefreiheit und Zugänglichkeit für alle würde bewirken können. Man musste von einer special-interest Perspektive zu einer society-for-all Perspektive kommen. Aus diesem Blickwinkel wurden Design-Konzepte immer wichtiger für meine Arbeit. Das ist der Hintergrund, vor dem ich Anfang der 1990er Jahre begonnen habe, das Design-for-All Konzept zu entwickeln, und vor dem ich vor acht Jahren entschieden habe, unabhängiger Freelancer zu werden.

Schweden scheint der Ort vieler Vorreiter-Entwicklungen in kulturellen Bereichen wie Design und Musik, aber auch im Sozialen und im Politischen zu sein. Was glauben sie, macht Schweden zu einem so innovativen Land?

Ich hatte das Glück, zu einer Zeit in der Politik zu arbeiten, in der das noch viel mehr der Wahrheit entsprach, als es heute der Fall ist. Schweden hat eine lange und starke Tradition in technischen Innovationen und social engineering. Das ist, wo wir herkommen, und wo wir noch immer halbwegs erfolgreich sind. Aber die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft liegen im right-brain-thinking,  im visuellen Denken, im Querdenken und in der Kreativität. Das bedeutet auch, Politik und bürokratische Strukturen zu hinterfragen. Das ist es, wo Schweden genau wie viele andere westliche Länder, zurückfallen könnte. Unsere Traditionen und rigiden bürokratischen Strukturen werden zum Feind für kreatives Denken und zum Feind für die Innovationen, die heute dringend gebraucht werden.

Aber um zur Frage zurückzukommen: Ich denke, dass es in Schweden eine große Menge kreativer Leute gibt. Die Herausforderung besteht darin, die Strukturen flexibler zu machen, damit diese Leute, zum Beispiel Designer, stärker an sozialen Entwicklungen mitwirken können.

“Design for All” ist Design, das die gesellschaftliche Diversität anerkennt und versucht, soziale Inklusion zu fördern. Würden Sie sagen, dass die sozialen Aspekte von Design heute ein Indikator zum Unterscheiden zwischen gutem und schlechtem Design sind?

Es gibt viele Indikatoren für gutes Design. Aber der wichtigste ist für mich die Qualität. Eine gute Design-Lösung sollte eine Reihe von Qualitäten aufweisen. Eine davon ist es, für möglichst viele unterschiedliche Leute nutzbar zu sein. Der Beitrag eines bestimmten Designs zur sozialen Inklusion ist damit ein wichtiger Indikator für Qualität. Um es kurz zu sagen: Gutes Design ermöglicht, schlechtes Design behindert.

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema im zeitgenössischen Design. Sind nachhaltige Lösungen heute schon der ,state of the art’ in Design-Schulen, oder mangelt es vielen Designern an Bewusstsein für Nachhaltigkeit?

Ich denke, wir sind heute noch weit davon entfernt, Designer mit ausreichend Nachhaltigkeits-Bewusstsein auszubilden. Aber darin spiegelt sich nur die Schwierigkeit der Gesellschaft, mit komplexen Herausforderungen und Konzepten umzugehen. Nachhaltigkeit ist so ein schwieriges Konzept, weil es mindestens zwei Herausforderungen in sich trägt: Einmal den Klimaschutz, und dann den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bei gesellschaftlichem Zusammenhalt geht es um Design for All. In diesem Zusammenhang gibt es noch enorme Potenziale für nachhaltiges Design.

“Design for All” fordert Design, dass den Bedürfnissen der Produzenten und Anwender entgegenkommt. Deshalb sollen ökologische Materialien verwendet werden und es soll fair produziert werden. Dieser Design-Ansatz ist sehr idealistisch. Glauben sie, dass solche idealistischen Aspkete von Design einen Einfluss auf die Ästhetik der Konsumenten haben werden? Werden wir irgendwann Dinge, die solchen Kriterien nicht entsprechen, einfach nicht mehr als schön empfinden?

Erstens, wenn etwas nicht schön ist, dann ist es kein “Design for All”! Gutes Design muss immer eine große ästhetische Qualität haben. Die anderen Aspekte sind genau so wichtig, aber für den Design for All Ansatz als solchen nicht so relevant.

Ein Bereich, bei dem “Design for All” besonders starke Effekte hat, ist die Stadt- und Raumplanung. Öffentlicher Raum wird von vielen verschiedenen Menschen und Gruppen benutzt und sollte daher unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Haben Sie den Eindruck, dass viele Städte schon auf einem richtigen Weg in Richtung Design for All sind?

Die Stadt- und Raumplanung ist ein absoluter Schlüsselbereich für die Anwendung des „Design for All“ Konzepts, weil das Design von öffentlchem Raum und das Design der urbanen Infrastruktur einfach jeden betrifft. Aktuell verläuft die Urbanisierung rasant und in Kombination mit einer Alterung vieler Gesellschaften. Das erfordert eben ganz besonderes Design.

Das Bewusstsein dafür wächst in Europa definitiv aber es ist noch ein weiter Weg, bis das “Design for All” Konzept flächendeckend zum Standard in der Raumplanung wird.

Glauben Sie, dass die Politik generell eine Verantwortung hat, sozial inklusives Design stärker zu fördern und zu fordern?

Absolut. Das politische Bewusstsein ist ein Schlüssel. Wenn es in der Politik kein Bewusstsein für die Bedeutung inklusiven Designs gibt, dann werden wir keine guten, informierten Entscheidungen treffen können. Und die sind nun einmal notwendig, um gutes und professionelles Design auf allen Ebenen zu fördern.

Könnten Sie Beispiele für Design nenne, die den Forderungen von “Design for All” entsprechen? Gibt es best practice Besipiele, die wir alle kennen?

Es gibt viele gute Beispiele für Design, das der Forderung von “Design for All” entgegenkommt, obwohl es heute noch einfacher wäre, Beispiel für das Gegenteil zu finden. Beispiele für schlechtes Design gibt es überall. Verpackungen und Beschilderung sind zwei gute Beispiele dafür. Aber die schlimmsten und lächerlichsten Beispiele finden sich immer dort, wo Dinge, die von Beginn an schlecht geplant wurden, später korrigiert werden sollten. An solchen Dingen erkennt man, wie wichtig es ist, beim Design von vorne herein höchste Ansprüche zu stellen.

In meinem Vortrag während der Creative Industries Convention werde ich Beispiele für gutes Design aus städtischen Umgebungen zeigen. Daran lässt sich nämlich veranschaulichen, wie aus demokratische Entscheidungsprozessen Möglichkeiten für Kreativität und gutes Design entstehen können.

Design for All
25. Jänner 2013, 19.30 Uhr
Graz, Foyer der Helmut-List-Halle

www.designforall.at

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