Das Anziehende an der Natur

km/a

BILD Michèle Pauty

Das österreichische Designer-Duo km/a setzt die heimischen Nationalparks modisch in Szene. Willkommen am Catwalk der Schutzgebiete.

BIORAMA: Ihr habt euch mit km/a auf Upcycling-Mode spezialisiert. Was sind die Dinge, auf die ihr bei euren Kollektionen besonders Wert legt?

Michael Ellinger: Wichtig sind die Oberflächenbeschaffenheit und die Geschichte der Materialien. Bei den Fallschirmen und Zelten, mit denen wir arbeiten, sind bereits Nähte drinnen, Ösen, Nummern draufgedruckt. Das macht jedes Ausgangsmaterial zu etwas Besonderem.

Katha Harrer: Die Besonderheit jedes Materials wird ins Kleidungsstück transportiert und ich glaub das spürt man auch, wenn die Stücke an der Stange hängen. Es gibt dann zwar gleiche Schnitte, aber jedes Teil hat einen anderen Charakter.

Was haben eure Mode und die Natur gemeinsam?

Michael Ellinger: Gemeinsam haben sie sicher das Ausgangsmaterial. Unsere Rohstoffe kommen aus der Natur. Die Strukturen unserer Kleider kann man vielleicht auch mit der Natur vergleichen und ich denke, dass auch der Alterungsprozess eine Gemeinsamkeit ist.

Sind nicht High-Fashion und Natur oftmals Dinge, die sich irgendwie ausschließen?

Katha Harrer: Unsere Sachen dürfen auf jeden Fall »mitleben«.

Michael Ellinger: Ich denke, dass die Natur der Mode übergeordnet ist, denn wir entnehmen der Natur ja nur die Materie. Die Natur füttert uns mit Material und mit Ideen. Ich glaub also nicht, dass ich Natur und Mode vergleichen oder sie auf eine Stufe stellen kann. Das wäre so, wie wenn ich das Werkzeug mit dem fertigen Produkt vergleichen würde.

Für eure Upcycling-Kollektionen macht ihr euch normalerweise auf die Suche nach Materialien. Im Rahmen des Projektes mit den Nationalparks arbeitet ihr nun mit Materialien, die in und rund um die Nationalparks gefunden wurden?

Katha Harrer: Genau. Aus den Nationalparks darf ja eigentlich kein Material entwendet werden. Nur »totes« Material. Deshalb wurde auch rund um die Nationalparks gesammelt. Alle Materialien spiegeln aber etwas Typisches des jeweiligen Nationalparks wider. Wir sind selber gespannt, was dabei rauskommt! Ob und in welcher Form wir es schaffen, daraus etwas zu kreieren.

km/a

BILD Michèle Pauty

Die Materialsammlung ist bereits hier bei euch im Atelier. Wie ist euer erstes Gefühl? Kann man Natur überhaupt anziehen?

Michael Ellinger: Ja, das wird funktionieren. Inwiefern man die Materialien dann nachbehandeln muss, werden wir noch sehen. Je roher man die Materialien lässt, desto schwieriger wird es, sie alltäglich zu tragen. Das Material zerfällt ganz einfach auch. Die Rinde zerbröckelt irgendwann – spätestens wahrscheinlich am Laufsteg (lacht). Je mehr man es verkleinert, einbettet, mit anderen Materialien wie z.B. Leim zusammenbringt oder konserviert, kann es wieder tragbarer werden. Horn oder Stein sind wieder Materialien mit einer ganz anderen Beschaffenheit, die sich nicht verändert.

Was ist im Zuge der Kreationen der Nationalpark Signature-Outfits etwas Neues für euch?

Katha Harrer: In erster Linie sind das praktische Fragen: Wie bekommt man gewisse Materialien an den Stoff? usw.

Michael Ellinger: Und auch die Schwierigkeit, das Ganze so natürlich wie möglich zu belassen. Wir wollen ja nicht ins Kostümhafte übergehen, sondern schon im Bereich des Tragbaren bleiben. Das ist eine Herausforderung.

Katha Harrer: Es wird Stücke geben, die man auch im Nachhinein noch tragen kann, und Stücke, die nur für die Performance kreiert werden. Da kann es eben auch sein, dass etwas direkt am Laufsteg zerfällt.

Ist das nicht die Horror-Vorstellung eines jeden Designers, dass am Laufsteg die eigenen Kreationen zerfallen?

Katha Harrer: Nein, ich find das spannend. Wenn man es vorher in voller Perfektion hat und bei der Show, am Höhepunkt zerfällt es … eine schöne Idee.

Michael Ellinger: Der Zerfall liegt ja auch in der Natur. Das eine wird zerstört, um Platz zu machen für etwas Neues. Mode ist ja vom Prinzip her auch etwas Morbides. Jede Saison, der Sale ist ja im Prinzip ein permanentes Zerstören. Die alte Kollektion wird ausverkauft, um Platz für Neues zu schaffen.

km/a

BILD Michèle Pauty

Apropos Sale: Ihr sagt ja »Wir lieben langsam«. Ist das euer Statement gegen Fast-Fashion?

Katha Harrer: Ja, auf jeden Fall. Die Rhythmen der Modewelt sind einfach viel zu schnell geworden. Da können wir nicht mit und wollen auch nicht mit, weil wir Produkte erschaffen, die einen längeren Wert haben und länger tragbar sein dürfen. Unseren Namen km/a haben wir auch als »Kilometer im Jahr« interpretiert also: langsam.

Was ist denn das Anziehende an der Natur, an den Nationalparks?

Katha Harrer: Dass einfach alles so bleiben darf, wie es ist. Dass Sachen zerfallen dürfen. Das komplett Naturbelassene, das spürt man einfach.

Michael Ellinger: Wir erschaffen ja eigentlich auf künstliche Weise einen Nationalpark. Deswegen sind die Nationalparks ja auch so absurd faszinierend. Wir haben so viel Natur in Österreich und müssen trotzdem diese Inseln schaffen und einwirken drauf, dass dieser Zyklus erhalten bleibt. Es ist heute nichts Selbstverständliches, diese natürlichen Verläufe zu haben, weil das Rundherum auf einen Nationalpark einwirkt. Das Schöne und Anziehende ist, dass man diesen Zyklus bzw. die sich selbst regulierende Natur sieht. Das ist ein Juwel. Das ist ein Naturschatz, den wir pflegen müssen.

Modebewusstsein ist so etwas wie ein angesehenes gesellschaftliches Attribut. Kann Umweltbewusstsein zu etwas Ähnlichem werden?

Katha Harrer: Das ist es glaube ich schon. Ich habe das Gefühl, dass das stark im Kommen ist.

Michael Ellinger: Und Mode wird verwendet, um dieses Bewusstsein an die Leute heranzutragen.

Katha Harrer: Auch über das Thema Essen wird viel gesprochen. Der Urban-Gardening-Trend beweist das auch ganz gut. Es ist cool, seinen eigenen Acker zu haben. Man geht dann nicht gemeinsam in den Biergarten, sondern sein Gemüse gießen.

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„Es geht um die Sichtbarmachung der Schnittstelle von Natur und Kultur“, sagt Diana Gregor, Projektleiterin von „Nationalparks Austria Öffentlichkeitsarbeit 2012-2014“. In der vergangenen Monaten hat sie gemeinsam mit ihrem Team des Umweltdachverbands, den Nationalparkverwaltungen und dem Ministerium für ein lebenswertes Österreich zahlreiche Projekte initiiert und umgesetzt, die die österreichischen Nationalparks, die Natur, die Bewohner, Gerüche und Geräusche ins Rampenlicht gestellt haben.

Im Rahmen der MQ Vienna Fashion Week 2014 findet nun – quasi als krönender Abschluss der Projektreihe – die „Nationalparks Austria Fashion Show“ statt. Das Upcycling-Designerduo km/aalias Katha Harrer und Michael Ellinger präsentieren dort die Schönheit der heimischen Nationalparks in Form exquisiter Haute Couture. Zusätzlich zur Nationalparks-Austria-Kollektion kreiert km/a zu jedem der sechs österreichischen Nationalparks ein extravagantes, avantgardistisches und charakteristisch einzigartiges „Signature“-Outfit aus Naturmaterialien. Die modischen Designs werden von audiovisueller Untermalung aus den Schutzgebieten begleitet.

 

Nationalparks Austria Fashion Show
10. September 2014
Wien, MuseumsQuartier

www.nationalparksaustria.at

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