CSR-Brille #14: Wertschöpfung in Ketten (Teil 2) – Tampons & Transparenz

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Annemarie Harant beschäftigt sich in ihrem Blog CSR-Brille bei Biorama mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Dieses mal geht es um Transparenz entlang der Wertschöpfungskette. (Teil 2) 

„If something is not legally binding on us, there is NO POINT in having it.“ 

Diesen Satz habe ich vor Kurzem von einem potenziellen Lieferanten als Antwort bekommen, als ich nach den entsprechenden Zertifikaten für die Materialsicherheit von einem Produkt für den erdbeerwoche-Shop gefragt habe. Meine Reaktion war neben Schnappatmung ein kurzer Mailaustausch zur Verantwortung von Unternehmen und die offene Frage: Wo soll ich jetzt anfangen? Eine CSR-Standpauke halten oder ihn aufgrund meines knappen Zeitbudgets einfach ignorieren?

Warum das Ganze: Die Wertschöpfungskette eines Tampons

Wie in der CSR-Brille #13 bereits dargelegt, ist die gesamte Wertschöpfungskette von industrialisierten Produkten mittlerweile immer schwerer nachvollziehbar. ‪Das gilt auch für unsere Produkte. Denkt man alleine an ein Tampon (ein Produkt, mit dem ich mich mit der erdbeerwoche täglich auseinandersetze), so führt der Herstellungsweg über zig Schritte und Lieferanten bis zum fertigen Produkt und dann – zu guter Letzt – darf die Entsorgung nicht vergessen werden! Denn in einer nachhaltigen Lieferkette gehört die unbedingt mitgedacht. Bevor das fertige Produkt bei uns landet braucht es demnach Lieferanten für den Bio-Baumwollrohstoff und den Rückholfaden, dazu kommen die Sauerstoffbleiche des Rohstoffs (Achtung, nur Bio-Tampons sind zu 100% TCF, also total chlorine free gebleicht), die Verpackung und das Produktionsunternehmen, das die einzelnen Komponenten zu dem bekannten Bio-Tampon zusammensetzt. Konventionelle Tampons und Binden bestehen übrigens aus einem Zellstoff-Plastik-Gemisch. Neben der Tatsache, dass Plastik nichts im Intimbereich verloren hat, ist auch der Zellstoff nicht unbedenklich. Der illegale Holzeinschlag bei der Zellstoffproduktion wird auf bis zu 40% geschätzt und bei der in Europa vorrangigen Bleichmethode ECF (elementar chlorine free) können laut Greenpeace halogenorganische Rückstände in der Faser verbleiben. Bei einem Ökotest aus dem Jahr 2007 hat einer der großen Hersteller sogar zugegeben, dass sie nicht zu 100% nachvollziehen können, woher das von ihnen verwendete Rohmaterial stammt! Die Herstellung eines Tampons ist, wie man sieht, ein äußerst komplexes Unterfangen. Aber gerade weil es an den Schleimhäuten der intimsten Körperstelle sitzt, sollte sich jede Frau auch darüber einmal Gedanken machen. Auch bei den hochgelobten Menstruationskappen ist die Lieferkette übrigens genau zu hinterfragen. Hier wird der Markt aktuell geradezu von Billigprodukten aus Fernost aus teils bedenklichem Material überschwemmt und eine Qualitätskontrolle wird immer wichtiger.

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Wo es möglich ist, besuchen wir unsere Lieferanten in den Produktionsstätten. Auf dem Bild sind wir bei einem Bio-Bindenhersteller in Italien.

Transparenz und Kontrolle

Ein ständiges Hinterfragen und laufende Kontrollen der Supply Chain sind bei jedem Produkt wichtig – nicht nur von Prüfinstituten, sondern auch von den Unternehmen selbst. Transparenz und ein strenger Kriterienkatalog für die Auswahl von Produkten und Lieferanten ist hierbei ein erster wichtiger Schritt. Und das hat jede Firma selbst in der Hand. Klar: Auch Zertifikate können gefälscht sein. Aber gleich wie in der Bio-Diskussion bei Lebensmitteln, führen laufende Untersuchungen (und teilweise auch Skandale) in der Regel zu Verbesserungen und zeigen, dass ein Kontrollsystem funktioniert.

In der Kommunikation mit dem Lieferanten, dessen Produkte es nicht in 100 Jahren in die Regale unseres Onlineshops schaffen, habe ich mich übrigens für einen höflichen Verweis auf unsere Qualitätskriterien entschieden. Durch die EU-Modernisierungsrichtlinie wurden übrigens erste gesetzliche Mindestanforderungen für Nachhaltigkeit in der Supply Chain geschaffen. Aber wie immer reicht auch dann ein „legally binding“ nicht aus.

CSR-Facts zum Weiterdenken

  • Laut dem Europäischen Verein der Faserindustrie besteht eine durchschnittliche Binde und Slipeinlage aller konventionellen Hersteller zu 50 Prozent aus Plastik.
  • Bisher gibt es keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht, die einen transparenten Ausweis der Inhaltsstoffe auf den Packungen von Frauenhygieneprodukten fordert, weshalb Konsumentinnen hier komplett im Dunkeln tappen.
  • Für ca. 6000 Unternehmen in der EU wird es in den nächsten zwei Jahren ernst. Sie müssen entsprechend der EU-Modernisierungsrichtlinie einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, in dem die Transparenz der Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle spielt.

CSR-Links zum Weiterlesen


Annemarie Harant

Annemarie Harant

Über mich – Annemarie Harant: Geboren in München und aufgewachsen in einem 100% Öko-Haushalt, arbeite seit über 5 Jahren für die Unternehmensberatung brainbows – the information company im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement mit Großunternehmen und durchlief davor verschiedene Stationen im Nachhaltigkeitsbereich der ÖBB, Fairtrade und der Unternehmensplattform respACT. Seit 2011 stehe ich als Co-Gründerin des Start-ups erdbeerwoche. Nachhaltige Frauenhygiene. DIE NEUE GENERATION. nun selbst vor der täglichen Herausforderung nachhaltiges Handeln im eigenen Unternehmen umzusetzen.

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