CO2-Pfotenabdruck: Bilanz eines Hundelebens

Eine Studie errechnete erstmals, wie schwer der ökologische Pfotenabdruck von Hunden im CO2-Rucksack von Herrchen und Frauchen wiegt: Ein Hundeleben in Deutschland verursacht so viele Treibhausgase wie 13 Flüge von Berlin nach Barcelona und zurück.

Bild von zwei Hunden.
Die Haltung von Haustieren spielt eine große Rolle im CO2-Fußabdruck ihrer HalterInnen. Der genaue Hundepfotenabdruck wurde in einer deutschen Studie erstmals errechnet. Bild: iStock.com/shelmal.

Emil ist an allem schuld, und vermutlich auch eine handfeste Midlife-Crisis. Denn Emil, ein fünfjähriger Gebirgsschweißhund, ist Teil jenes ausschweifenden Lebenswandels, den sein Herrchen, ein erfolgreicher IT-Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen, rund um seinen 50. Geburtstag radikal infrage stellte. Er wolle der Welt seiner fünf Kinder dereinst keine CO2-Hypothek hinterlassen, war sich Dirk Gratzel plötzlich sicher. Um sich selbst spätestens bis zu seinem Ableben »klimaneutralisiert« zu haben, zog er erst einmal persönlich Bilanz. Das Ergebnis ist durchaus spektakulär: die weltweit erste Ökobilanz eines Individuums, errechnet am Fachgebiet Sustainable Engineering der TU Berlin.
Die ungeschönte Bestandsaufnahme des Lebens eines deutschen Mannes um die 50 hat Dirk Gratzel auch in einem Buch ausgebreitet. In »Projekt Green Zero« schildert er, wie es ihm gelang, seinen selbst für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlichen CO2-Ausstoß drastisch zu verringern. Aufs Fliegen verzichtet er komplett, aufs Auto weitgehend. Geduscht wird nur noch 45 Sekunden lang, gegessen nur noch regional und saisonal. Milchprodukte gibt es gar keine mehr, Fleisch von Nutztieren auch nicht mehr – nur mehr, was er als Jäger selbst erlegt.

Bild des Buchs "Projekt Green Zero"

Menschenleben mit Hund
Im Buch »Projekt Green Zero« (Ludwig Verlag, 2020) schildert Dirk Gratzel, IT-Unternehmer und ehemals Vielflieger, seinen beschwerlichen Weg zur persönlichen Klimaneutralität. Ohne den Ablasshandel des Kaufs von CO2-Zertifikaten möchte er ihn mit einem Hund an seiner Seite beschreiten. Bild: Ludwig Verlag.

Und hier kommt sein vierbeiniger Gefährte ins Spiel – sowohl als Gehilfe draußen im Revier als auch als Fleisch- und Ressourcenfresser. Denn zu viel Fleisch ist schlecht fürs Klima. Das gilt auch fürs Tierfutter – und gewinnt bei europaweit mittlerweile 66,4 Millionen Hunden im Jahr 2017 durchaus an Brisanz. Denn 2016 waren es noch 63,7 Millionen Hunde gewesen.
So wurde Jagdhund Emil für die Klimaforschung, was Hündin Laika einst für die Raumfahrt gewesen ist: Versuchshund Nummer eins. Um den CO2-Rucksack seines Besitzers genau berechnen zu können, war es schließlich notwendig zu wissen, wie sehr sein Hund diesbezüglich ins Gewicht fällt.
»Ziemlich signifikant«, wie die beiden Forscherinnen Kim Maya Yavor und Annekatrin Lehmann unter der Leitung von Matthias Finkbeiner an der TU Berlin herausfanden. Anhand von 15 Parametern erfassten sie ein ganzes Hundeleben. Als ausdauernder Gebrauchshund mit ordentlichem Kalorienverbrauch ist Emil eher am oberen Ende der entwickelten Skala anzusiedeln (im Detail nachzulesen im Paper »Environmental Impacts of a Pet Dog. An LCA Case Study«).

Der deutsche Durchschnittshund wiegt 15 Kilo und wird 13 Jahre alt

Denn auch wenn der Jagdhund den Anlass dazu gab, sollte die Studie auch allgemeingültige Aussagen über den Impact von Haushunden ermöglichen. Deshalb ermittelten die ForscherInnen auch einen Durchschnittshund, mustergültig für Deutschland und Mitteleuropa. Der gemeine Hund wiegt demnach 15 Kilogramm und wird 13 Jahre alt.
Um wirklich seinen gesamten Lebenszyklus bewerten zu können, sah man sich nicht nur sein Futter (»Input«), sondern auch seinen »Output« genauestens an: Bei täglich 0,2 Kilogramm Kot und 0,4 Litern Urin kommt im Laufe eines Hundelebens schließlich ein ordentlicher Haufen zusammen: eine Tonne Kot und 2000 Liter Urin.
»Dass unsere Ökobilanz auf den Umweltauswirkungen des gesamten Tierfutters, das ein Hund im Laufe seines Lebens frisst, basiert, aber auch auf den Umweltauswirkungen von Urin und Kot, ist ein Novum«, sagt Studienleiter Matthias Finkbeiner.

Dirk Gratzel und sein Jagdhund Emil. Mit bis zu 35 Kilogramm Körpergewicht gehört ein männlicher Gebirgsschweißhund zu den eher größeren Hunden. Bild: Miriam Gratzel.

Auch Ansätze, den Impact zu verringern, werden in der Studie ermittelt – und ebenso bewertet wie die Grenzen des Machbaren. »Da Hunde urinieren, um ihr Territorium zu markieren und untereinander zu kommunizieren, ließe sich der Einfluss von Urin vermutlich nicht reduzieren, ohne die soziale Struktur des Hundes zu verletzen«, schreiben die AutorInnen. Das wirkt sich negativ auf Pflanzen aus, macht Bäume anfälliger für Krankheiten, trägt zur Versauerung der Böden und der Süßwasser-Ökotoxizität bei. Beim Einsammeln der Exkremente allerdings lassen sich die negativen Einflüsse von Emil und seinesgleichen durch das konsequente Einsammeln in Plastikbeuteln begrenzen. Die durchschnittlich zwei Plastiktüten täglich sind verhältnismäßig vernachlässigbar.

Größten Impact hat das Futter

Bewusst nicht berücksichtigt wurden die ökologischen Kosten tierärztlicher Checks, von Medikamenten, Waschmitteln oder Hundespielzeug. Bei fast allen untersuchten Parametern sorgte das Hundefutter – mit fast 90 Prozent – für den Löwenanteil der Belastungen: das Soja, mit dem die dafür geschlachteten Rinder und Hühner aus Massentierhaltung gefüttert werden, die Konservenbüchsen, ihr Transport – all das wiegt schwer. Im »Optimieren des Futters« sehen die drei AutorInnen auch das größte Potenzial, um den negativen Umwelteinfluss zu reduzieren. Genauer werden sie nicht. Aber gemeint sind wohl Schlachtabfälle, Biofleisch und generell ein geringerer Fleischanteil in der Futterzusammensetzung.
Explizit angesprochen wird der positive Einfluss, den Hunde auf die Gesundheit ihrer HalterInnen haben. Die Conclusio ist dennoch eindeutig: »Ausschließlich vom Standpunkt des Umweltschutzes betrachtet sind ganz offensichtlich weniger Haustiere zu begrüßen – und wenn überhaupt, dann jedenfalls kleinere Haustiere.«
Auf Emil an seiner Seite möchte Dirk Gratzel jedenfalls ebenso wenig verzichten wie auf seinen allmorgendlichen Aufweckkaffee. Was Versuchshund Nummer eins zu fressen bekommt, hat er allerdings verändert. »Emil wird wahlweise mit Futter aus den Wildabschnitten und Innereien meiner Jagderfolge, die wir nicht verzehren, ernährt, und hilfsweise mit zugekauftem Futter aus Wildtier- oder Schlachtabfällen«, sagt Gratzel. »Das reduziert seinen und meinen Fußabdruck erheblich.«
Und auch wenn sein Jagdgefährte statistisch noch viele Jahre vor sich hat. Dirk Gratzel weiß, dass ihm auch nach Emil wieder ein Hund ins Haus kommt. »Ein Leben ohne Hund ist für mich kaum vorstellbar, auch wenn mir der Abschied jedes Mal das Herz bricht.«

Eine Studie machte den Anfang und berechnete erstmals den CO2-Abdruck eines Hundelebens – mittlerweile wird dieser Pfotenabdruck auch im CO2 Rechner des deutschen Umweltbundesamtes mit berücksichtigt. Bild: Privat.

BIORAMA #70

Dieser Artikel ist im BIORAMA #70 erschienen

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