So nah, so gut?

KöchInnen über ihren Zugang zum schillernden Begriff »Regionale Küche« und dessen Verbindung zu Nachhaltigkeit.

Zu sehen ist ein gedeckter Tisch mit einem Gericht, zwei Händen mit Besteck und einem Glas.
Ein Gericht im Biohotel Rupertus, Leogang. Bild: Hotel Rupertus Leogang Foto Heldentheater.

Regionale Küche ist in der Gastronomie ein gern verwendeter Begriff, um soziale und räumliche Nähe und eine gewisse Form der Nachhaltigkeit auszudrücken. Und oft auch einfach, um bestimmte Bilder und Gerüche, geschmackliche Assoziationen oder Erinnerungen hervorzurufen. Gemeint ist damit meist entweder in erster Linie die Verwendung von Zutaten aus der Region (die in manchen Fällen und für manche Betriebe auch einfach »aus Österreich« bedeutet), andere Beschreiben damit einen Fokus auf bestimmte Gerichte, die landläufig mit einer Region verbunden werden. Oder der Oma. Meist ist es eine unklare Mischung. Kreative KöchInnen bieten eigene Menüs an, in denen nur Zutaten aus einem bestimmten Radius verarbeitet werden, wie das Biorestaurant »Floh« in Tulln mit dem Menü »Radius 66«. Andere schließen sich zu Vereinigungen zusammen, wie die Vertreter – in dem Fall nur Männer – der Alpinen Küche, die bei den »Festspielen der alpinen Küche« im September in Zell am See ihre variantenreichen und wirklich gelungenen Interpretationen des Begriffs präsentierten. Für KöchInnen in der Gastronomie zählen die Qualität und Frische der Zutaten, zusätzliche Regelungen wie eine Gesetzgebung für die Kennzeichnung der Herkunft oder auch Biozertifikate sind in der Gastronomie bisher schwammig und ihre transparente Anführung beruht aktuell auf Freiwilligkeit. 

Wir haben KöchInnen und eine Hoteliére gefragt, was der Begriff für Sie bedeutet.

Andreas Döllerer

Küchenchef und Gastgeber, Döllerer, Golling

Der Salzburger Spitzenkoch verbindet in seinem Restaurant und seinem Wirtshaus (beide nicht biozertifiziert) höchste Fine-Dining-Ansprüche mit klassischer Wirtshausküche und steht für »alpine Cuisine«. Regionale Küche ist für ihn im Idealfall, »dass man aufgrund der Speisekarte oder des kulinarischen Angebots erkennt, wo man isst, ohne darüber nachzudenken. Es ist ein Spiegel der Region. Das Schwierige dabei ist, Uniformität zu vermeiden.« Über allem muss die Qualität eines Produktes stehen, und nicht jedes regionale Produkt ist für ihn ein gutes Produkt. Oft kommen diese aber eben doch aus den regionalen, kleinen Betrieben, zu denen er einen direkten Kontakt pflegt, was beiden Seiten Sicherheit gibt. In der Komposition der Gerichten hat es durchaus Relevanz, was schon die Großeltern gekocht haben und es gilt zu bewahren, wie früher auf den Bauernhöfen gekocht wurde. Er ist erfreut, über die hohe Dichte an Biobetrieben in Salzburg, auf die er gerne zurückgreift, mit »Bioproduktion aus Übersee« kocht er nicht, sagt er. Die Stärke der Region sieht er in der Milch– und der Viehwirtschaft, beim Süßwasserfisch und bei Wild. »Im Flachgau gibt es ein paar spannende Gemüsebauern, die aber in der Menge noch nicht relevant sind«, ergänzt er. Er sieht eine durch den Klimawandel bedingte Veränderung bei den Wildpflanzen, die nun in anderen Höhen bzw. im Tal wachsen. Hinter seinem Hotel betreibt er einen »essbaren Garten« mit über 130 Obst- und Gemüsesorte, darunter einige Exoten wie Kiwis oder Sechuan-Pfeffer, mit denen er experimentiert. Was er seien MitarbeiterInnen und Gästen auf alle Fälle mitgeben will, ist der Grundrespekt vor den Lebensmitteln und »hier sind eine Erdäpfel und eine Trüffel immer gleich viel wert«.

doellerer.at

»Regionale Küche ist, dass man aufgrund der Speisekarte oder des kulinarischen Angebots erkennt, wo man isst, ohne darüber nachzudenken.«

Andreas Döllerer, Döllerers Wirtshaus & Restaurant Döllerer

Nadja Blumenkamp

Hotelière, Biohotel Rupertus, Leogang

Für Nadja Blumenkamp, Besitzerin und Geschäftsführerin des Biohotel Rupertus, ist »Regionalität der richtige Ansatz, weil man so die Wege verkürzt und die ProduzentInnen unterstützt«. Ihr Betrieb ist zu 100 % Bio was bei einer Dichte von 95 % Biolandwirtschaft in Leogang für sie das »Optimum aus bio und regional« gut möglich macht. Wer im Hotel isst, dem wird auf den täglich geschriebenen Speisekarten die Regionalität über die Anführung der ProduzentInnen detailreich vermittelt, stark kommuniziert wird sie vom Hotel aber nicht. Dabei macht für sie nicht die Verwendung regionaler Produkte die regionale Küche aus, »da man mit diesen auch internationale Gerichte kochen kann«, sondern das »Soulfood und die Rezepte der Omas, die Teil der Kultur sind«. Dass hier früher schon viel vegetarisch gekocht wurde, ist für sie nur einen Vorteil, experimentiert wird aktuell mit veganen Varianten, wobei »die Wurzeln nicht verfälscht werden dürfen, auch wenn es eine Weiterentwicklung durch neue Zutaten gibt«. Gemeinsam mit anderen setzt sie sich für eine Reform der Gesetzgebung für die Biogastronomie ein, damit nur mehr jene mit dem Begriff kommunizieren dürfen, die sich auch kontrollieren und zertifizieren lassen.

rupertus.at

»Regionale Küche ist Soulfood; Rezepte der Omas, die Teil der Kultur sind.«

Nadja Blumenkamp, Biohotel Rupertus

Lukas Nagl

Koch, Traunseehotels mit Restaurant Bootshaus, Traunkirchen

Für den gerade von Gault & Millau als »Koch des Jahres 2023« ausgezeichneten Lukas Nagl ist es selbstverständlich, regional zu kaufen. Aber ebenso auch Begriffe wie eine »regionale Küche« nicht oberflächlich zu verwenden. Eigentlich verwendet er sie lieber gar nicht. Er ist überzeugt, dass »alles, was gut ist, auch regional Bestand hat, aber deswegen nicht alles was regional ist, auch gut ist. Das müssen auch die Bäuerinnen und Bauern und ProduzentInnen lernen. Die oberste Maxime sind Qualität und Frische.« Als Beispiel bringt er auch bei uns übliche konventionelle Tierzucht oder Gemüseanbau, die viele Standards vermissen lassen. Oder Tierzucht, die Regionalität vermarktet, aber mit importiertem Soja als Futtermittel arbeitet. Mit der richtigen Beziehung zu den ProduzentInnen ist es für ihn möglich im Austausch auf Augenhöhe Veränderungen zu bewirken und dafür etwa Abnahmemengen zu garantieren. Die Regionalität spielt für ihn auch eine Rolle, weil sie kurze Wege und damit Frische garantiert, die kein Händler bieten kann.
Lukas Nagl sieht die Verantwortung bei Fachleuten, zu entscheiden, was Qualität hat und bewahrt werden soll und was nicht: »Nicht alles was früher war, war gut«, ist er überzeugt und wehrt sich gegen ein verstaubtes Verständnis von Kochen und Kulinarik. Auch wenn das Bootshaus nicht biozertifiziert ist, weil er sich hier – vielleicht leicht jugendlich aufbegehrend – gegen Bürokratie und Siegel als Werbung wehrt, ist für ihn klar: »Bio ist die richtige Richtung und sollte normal sein und dafür sollte ausgeschildert sein, was nicht bio ist.« Und so kommt es auch, dass er neben seiner Tätigkeit als Koch auch gemeinsam mit den Freunden Christine Bamesberger und Viktur Gruber Luvi Fermente betreibt. Ein Unternehmen, dass mit 100 % heimischen Zutaten, internationale Geschmäcker verfolgt und etwa aus Kürbiskernpresskuchen Sojasauce macht oder aus den Abfällen der Kernölerzeugung Shoyu. 100 % biozertifiziert übrigens.

dastraunsee.at

»Alles was gut ist, hat auch regional Bestand, aber deswegen ist nicht alles was regional ist, auch gut.«

Lukas Nagl, Traunseehotels

Theresia Palmetzhofer

Köchin und Geschäftsführerin, Gasthaus zur Palme, Neuhofen an der Ybbs

Theresia Palmetzhofer arbeitet in der Küche in erster Linie mit saisonalen, regionalen Zutaten. Sie beobachtet, dass immer mehr kleine ProduzentInnen Bio arbeiten – und das teilweise auch nebenberuflich. Etwa, dass Gastronomiebetriebe, Gemüse anbauen. Sie sieht hier einen großen Fortschritt und gesamt ein wachsendes Angebot, aber auch noch Raum für Verbesserungen, etwa was Bioschweinefleisch angeht. Sie ist sich sicher, dass »regionale Küche große Rolle spielt, vor allem auch für die Gäste. Für mich bedeutet es, dass ich in erster Linie regionale Produkte verwende.« Basis ihrer Küche im nicht biozertifizierten Gasthaus zur Palme sind alte Rezepte, die sie neu interpretiert. Wie, das entscheiden eben oft die gerade erhältlichen Produkte. Denn wenn es die gerade nicht regional in Bioqualität gibt, dann entscheidet sie sich zwar manchmal für das konventionelle Produkt als Ersatz, genauso oft wird aber auch das Angebot auf ihrer flexiblen Speisekarte geändert. Wichtig ist für sie etwa der Biofisch, den sie bei Declavas aus Mariazell bezieht: »Das macht mehr Spaß und mehr Freude mit solchen Produkten zu kochen«, zeigt sie sich begeistert. Und sie schätzt die Veränderungen und das größere Angebot, dass in den letzten Jahren laufend entstanden ist: »Seit es etwa Bioshitake-Pilze direkt aus der Umgebung gibt, koche ich damit und würde nie welche im Supermarkt kaufen«. 

gasthaus-zur-palme.at

»Ich sehe, dass regionale Küche eine große Rolle spielt, vor allem auch für die Gäste. Für mich bedeutet es, dass ich in erster Linie regionale Produkte verwende.«

Theresia Palmetzhofer, Gasthaus zur Palme

… aber nicht in der Gastronomie

»Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung ist im Regierungsprogramm 2020–2024 ›Aus Verantwortung für Österreich‹ vorgesehen«. Das steht auf der Website des Sozialministeriums. Es folgt die Einschränkung, dass es dabei in erster Linie, um die Primärzutaten Milch, Eier und Fleisch geht und diese Bestimmungen nicht allgemein gelten. Eine weitere Einschränkung ist, dass es eine Verordnung über die »Verpflichtende Weitergabe von Informationen zur Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelunternehmen« gibt, die im Dezember 2021 kundgemacht wurde, und zwei weitere über die »Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten« die beide gerade erst in Begutachtung sind. Und dann noch die Ausnahme, dass, wenn man sich auf diese Verordnungen einigt, diese zwar für Lebensmittelunternehmen und Gemeinschaftsküchen, aber nicht für die Gastronomie gelten. Es gilt in der Gastronomie also weiterhin, dass die KundInnen auf die freiwillige Transparenz der Betriebe angewiesen sind.

Genauere Informationen zu der Verordnung über die »Verpflichtende Weitergabe von Informationen zur Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelunternehmen« in Österreich finden sich beim Rechtsinformationssystem RIS.

Was bedeutet Regionalität?

Was heißt regional? Unser Umgang mit Regionalität ist eine Geschichte voller Missverständnisse, gut gemeinter Fehleinschätzungen und gezielter Falschinformation. Wer sich beim Einkauf nicht ausschließlich vom Preis leiten lässt, achtet auf die Herkunft der gekauften Ware. Aber woran erkennt man die – und wie stark wirkt sich die Produktionsmethode, die Region und der Transport etwa auf die Klimabilanz eines Produkts aus?

BIORAMA BIOKÜCHE 2023 #0

Dieser Artikel ist im BIORAMA BIOKÜCHE 2023 #0 erschienen

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