Archäologisches Brotbacken

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BILD Wolfgang Lobisser

Brotbacken war in der Urgeschichte etwas Besonderes. Dank der experimentellen Archäologie wissen wir, wie man es wahrscheinlich gemacht hat.

Wenn der jungsteinzeitliche Mensch die Eichenstämme für die Pfosten seines Hauses zu lange trocknen ließ, konnte er sie mit seinen Steinwerkzeugen nicht mehr bearbeiten, weil sie zu hart waren. Das wissen wir deshalb, weil Wolfgang Lobisser genau das gemacht hat: Er hat ein Langhaus gebaut, mit Eichenpfosten, Lehmwänden und Strohdach – und Werkzeug aus Holz, Stein und Knochen. Wie die Menschen in der Jungsteinzeit. Zumindest höchstwahrscheinlich.

Lebendige Geschichte

Wolfgang Lobisser ist Handwerker und Archäologe am Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS) der Universität Wien. Gemeinsam mit seinem Team aus Studierenden und Handwerkenden arbeitet er seit einem Jahr am Freigelände des Urgeschichtemuseums in Asparn an der Zaya im niederösterreichischen Weinviertel. Bauen und Handwerken sind Teil der wissenschaftlichen Arbeit. Wolfgang Lobisser betreibt experimentelle Archäologie. »Früher wollte man in der Archäologie vor allem Funde präsentieren. Seit einiger Zeit gibt es einen Boom nach Anschauungsmaterial. Jetzt stellen wir den Konnex zum Leben her.« Informationen aus Funden und Grabungen werden zusammengetragen, mit vorhandenem Wissen verknüpft und um Erfahrungen erweitert. So tastet man sich an die historische Realität heran. Was entsteht, ist das »argumentierbarste Modell«.

»Das Urgeschichtemuseum Niederösterreich ist ein Pionier der experimentellen Archäologie«, sagt Matthias Pacher, Geschäftsführer und ebenfalls Archäologe. »Schon in den 1960er Jahren startete der architekturgeschichtliche Lehrpfad.« Heute können die Besucher durch Siedlungen aus der Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit gehen und sich ein Bild vom Leben unserer Vorfahren machen, als diese sesshaft geworden waren und begonnen hatten, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Auf Schauäckern, angelegt von der Arbeitsgruppe Archäobotanik der Universität für Bodenkultur, wachsen Nahrungspflanzen der Jungsteinzeit und Bronzezeit, darunter Emmer, Einkorn, Dinkel, Linsen, Erbsen, Schlafmohn und Lein.

BILD Wolfgang Lobisser

BILD Wolfgang Lobisser

Brotexperimente

Das Urgeschichtemuseum ist heuer der Brot-Schauplatz der Niederösterreichischen Landesausstellung »Brot und Wein«. Im Wirtschaftsgebäude des jungsteinzeitlichen Langhauses stehen drei Brotbacköfen aus Lehm. Sie sind nicht nur Exponate, sondern auch Teil der experimentell-archäologischen Arbeit: authentisch nach Befunden gebaut, ausschließlich mit urgeschichtlichen Materialien und Methoden und auch dazu da, den Forschern Fragen zu beantworten. Getreide wurde von unseren Vorfahren hauptsächlich als Brei gegessen, erklärt mir Wolfgang Lobisser. »Mahlen Sie einmal ein Kilo Getreide mit einem Stein!« Brot war etwas für besondere Tage. Und es hatte einen entscheidenden Vorteil: Man konnte es trocknen und so gut lagern und auf Reisen mitnehmen. Wie oft man Brot gebacken hat und ob es Fladen- oder Sauerteigbrot war, weiß man noch nicht. »Experimentelle Archäologie ist eine Methode, um Ergebnisse besser interpretieren zu können«, so Matthias Pacher. Die BIORAMA-Leser sind herzlich eingeladen, selbst zu experimentieren und zu interpretieren, zum Beispiel mit einem DIY-Brotbackofen.

 

DIY-Anleitung jungsteinzeitlicher Lehm-Brotbackofen

Eines gleich vorweg: Einen Lehmofen zu bauen, ist keine einfache und schon gar keine schnelle Angelegenheit, grundsätzlich aber allen Interessierten möglich. Hier die wichtigsten Schritte.

1. Bauplatz suchen

Der Platz, an dem der Lehmofen aufgezogen werden soll, muss eben sein und trocken, gut belüftet und dennoch windgeschützt. Und überdacht. Regen würde den Lehm aufweichen. Auch Frost bekommt ihm nicht. Auf dem Fundament zieht man einen Kreis mit rund einem Meter Durchmesser, er markiert die Wand des Ofens.

2. Lehm auftreiben und mischen

Die einfachste Möglichkeit, zu Lehm zu kommen, ist, ihn selbst auszugraben. Man findet ihn fast überall. Im erdfeuchten Zustand kann er sofort eingesetzt werden. Fetter, also tonreicher Lehm, muss mit Sand »abgemagert« werden. Manche Lehmofenbauer mischen auch Stroh oder Heu dazu. Die richtige Mischung und damit die Konsistenz ist vor allem eine Frage der Erfahrung. Als Methoden eignen sich die urgeschichtlichen: Mit-den-Füßen-Treten und Mit-den-Händen-Kneten.

3. Die ersten Ringe aufziehen

Aus dem Lehm werden Bausteine in der Größe von Brotlaiben geformt, die entlang der Grundrisslinie aufgebaut werden. Ring für Ring arbeitet man sich in die Höhe. Die Wandstärke beträgt 15–20 cm. Vorne wird die Öffnung gebaut.

4. Kuppel fertigstellen

Der heikelste Teil des Bauvorhabens: In rund 70 cm Höhe schließt eine Kuppel den Ofen ab. Sie ist freitragend möglich, also ohne Schalung oder Gerüst, oder mit Hilfe eines Weidenkorbs, der verbaut wird. Geglättet wird durch Schlagen und Klopfen, das geht auch mit der flachen Hand.

5. Ofen trocknen

Besonders lange haltbar ist ein Lehmofen, wenn er an der Luft trocknet. Das dauert allerdings, je nach Witterung, Wochen bis Monate. Die schnellere Methode ist das Trockenbrennen. Dafür wird in der Mitte des Ofens ein kleines (!) Feuer gemacht, das einen ganzen Tag lang durch ständiges Nachlegen am Lodern gehalten wird. Das Trockenbrennen muss behutsam und langsam erfolgen, weil sich sonst große Risse bilden.

6. Brot backen

Der Backvorgang ist zweistufig. Zunächst wird ganz langsam geheizt. Trockenes Holz verwenden, sonst rußt es! Nach drei bis fünf Stunden ist der Ofen bereit für bis zu drei Backvorgänge. Jetzt wird nicht mehr nachgeheizt, man nutzt ausschließlich die Speicherwärme. Die Glut wird entweder an die Ränder geschoben oder ganz aus dem Ofen geholt. Die Mehlprobe gibt Aufschluss über die richtige Temperatur: Man wischt den Boden feucht aus, streut etwas Mehl hinein und zählt bis zehn. Wenn das Mehl verbrennt, ist der Ofen noch zu heiß. Die Backdauer ist etwa gleich wie jene im neuzeitlichen Backrohr.

Lehm

Lehm, eine Mischung aus Sand, Schluff (Feinstsand) und Ton, ist einer der ältesten Baustoffe. Die Liste seiner Vorteile ist lang: Er kommt weltweit fast überall vor, spart damit Baumaterial und Transportkosten, eignet sich für die Selbstbauweise, kann energieextensiv verarbeitet werden, ist wiederverwertbar, hat eine hohe Wärmespeicherkapazität, reguliert die Luftfeuchtigkeit und sorgt so für ein behagliches Wohnklima.

Literaturtipp für alle ernsthaft Nachbauwilligen von Bettina Fabian, einer der Ofenbauerinnen im Urgeschichtemuseum: »Öfen ganz aus Lehm« aus dem Verlag Einfälle statt Abfälle.

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