Der Grund des guten Geschmacks
Die Eigenschaften des Bodens und dessen Bewirtschaftung sorgen für die Gemüsequalität, die die Gastronomie sucht.
Was macht die Qualität von gutem Gemüse aus, die nicht nur, aber vor allem in der Gastronomie gefragt ist? Franziska Lerch hat 15 Jahre beim Verein Arche Noah in Schiltern gearbeitet und sich ihr Leben lang mit Gemüsevielfalt beschäftigt, bevor sie sich als Biobäuerin selbstständig gemacht hat und nun in erster Linie die Gastronomie mit Biogemüse und aufgefallenen Sorten beliefert. Sie erzählt aus der Praxis: »Gesucht wird hier Gemüse mit einem ausgeprägten und intensiven Geschmack, wie es langsam auf gutem Boden wächst. Dies soll dann möglichst frisch, am Tag der Ernte, geliefert werden und lagerbar sein. In den meisten Fällen ist dieses Gemüse, dann auch nährstoffreicher und intensiver.« Mit der Frage, wie dieser »gute Boden« aussieht und sich auswirkt hat sich 2023 eine Veranstaltung des »Koch.Campus« beschäftigt, einer Vereinigung österreichischer GastronomInnen und ProduzentInnen. Einer der Vortragenden dort war der Bodenökologe Hans Unterfrauner, der mit seinem Unternehmen Landwirte berät und unter anderem die Forschungsprojekte in der Biolandwirtschaft von Alfred Grand in Absdorf, der viel zum Thema Boden und Gemüseanbau in praktische Versuche überführt, mit seinen Messungen wissenschaftlich begleitet.
Energiebilanz optimieren
Pflanzen bekommen durch die Sonne Energie, die sie nutzen, um Kohlenstoffdioxid und Wasser in Glucose und Sauerstoff umzuwandeln. Die Rede ist von der Photosynthese, die auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine entscheidende Rolle spielt, bei der Frage, wieviel CO2 Pflanzen speichern können. Sie ist aber auch nicht nur dafür verantwortlich, dass Pflanzen wachsen und sich entwickeln, sondern später auch bestimmte geschmackliche Eigenschaften haben und länger oder kürzer haltbar sind. Nachdem die Zufuhr an Sonnenlicht begrenzt ist, können Landwirtinnen und Landwirte darauf schauen, dass sie die Energiebilanz für die Pflanzen optimieren, in dem sie diesen über den Boden ausreichend Nährstoffe und Wasser zuführen. Die Pflanzen müssen dann weniger Energie dafür aufwenden, um die benötigten Nährstoffe aufzunehmen und können die Energie für den Stoffwechsel, der zu Wachstum oder auch Geschmack führt, nützen.
Johann Reisinger, Koch und Lehrender, vertritt eine radikal natürlich Küche und gibt sein Wissen über Gemüse- und Geschmacksvielfalt gerne weiter. In seiner Hand: Spargelsalat. Bild: Anna Stöchner.
Damit dies gelingt, muss der Boden unter anderem gut durchlüftet sein. Das sorgt dafür, dass Sauerstoff bis in die Tiefe kommt und die Wurzeln die Nährstoffe aufnehmen können. Nur unter diesen Bedingungen können die Mikrobiologie und andere Bodenlebewesen dafür sorgen, dass die Qualität stimmt und gleichzeitig etwa Schadstoffe ferngehalten werden. Gelingt dies, führt dies es zur gewünschten Nährstoffdichte. Also zu mehr mineralischen Inhaltsstoffen, mehr Vitaminen, mehr Spurenelementen, besseren Eigenschaften beim Kochen und einer besseren Lagerfähigkeit und längeren Haltbarkeit. Gelingt dies nicht, erkennt man dies beispielsweise an den dunklen Stellen oder auch Hohlräumen in Kartoffeln und anderen Knollengewächsen. Diese sind Anzeichen für eine schlechtere Funktionalität und Qualität der Böden und Probleme mit der ausgeglichenen Nährstoffversorgung.
Das Verhältnis der Nährstoffe
Zu den Nährstoffen, die hierbei oft gemessen werden, zählen Stickstoff, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium, Schwefel und auch eine ganze Menge an Spurenelementen. Insgesamt besteht jede Pflanze aus 17 essentiellen Nährstoffen. »Entscheidend sind aber nicht die absoluten Werte eines bestimmten Stoffes«, erklärt Hans Unterfrauner: »Wichtig ist das Verhältnis der einzelnen Stoffe untereinander, etwa von Stickstoff zu Schwefel oder von Calcium zum Kalium. Es ist auch möglich mit vergleichsweise geringen Nährstoffmengen perfektes Gemüse zu bekommen – nur der Einsatz von Volldünger (mit fixen Mengen Stickstoff, Phosphor und Kalium – NPK) wird einen Boden niemals ausgeglichen ernähren können.« Einer der zentralen Werte in der Bodenanalyse ist der pH-Wert, dessen Interpretation aufgrund eines Puffersystems im Boden aber nicht linear funktioniert. Und es gibt nicht nur einen pH-Wert. Der pH-Wert ist ein Summenparameter für die komplexe Situation der Bodenreaktion. Ab pH-Werten unter 5,9 kann sich Aluminium aus Tonmineralen lösen. Das Aluminium kann ausgewaschen oder von den Pflanzen aufgenommen werden. Beim Verzehr solcher Pflanzen können gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden. Aus den pH-Werten lässt sich der Zustand eines Bodens ablesen und was dieser bräuchte.
»Die Pflanzen brauchen etwas Stress und es ist nicht gut, wenn sie mit Stoffen versorgt werden, ohne viel Energie für den Stoffwechsel aufwenden zu müssen.«
Hans Unterfrauner, Bodenökologe
Es ist dabei auch nicht ratsam, Pflanzen – wie dies in Hydrokulturen mitunter vorkommt – zu stark zu verwöhnen: »Die Pflanzen brauchen etwas Stress und es ist nicht gut, wenn sie mit Stoffen versorgt werden, ohne viel Energie für den Stoffwechsel aufwenden zu müssen.« Gemüse, das überversorgt wird, ist weniger resistent gegenüber Schadorganismen, hat schwächere eigene Abwehreffekte gegenüber Schädlingen und schmeckt oft »fad«.
Für Hans Unterfrauner ist für die hier beschriebenen Effekte im Gemüseanbau die Frage einer biologischen oder biodynamischen Landwirtschaft weniger entscheidend. Diese haben eine bessere Umwelt- und Klimabilanz und oft einen geringeren Ressourceneinsatz, ein Boden für gutes Gemüse lässt sich aber auch sonst erreichen. Unter anderem, weil die konventionelle Landwirtschaft hier viel von biologisch und biodynamisch arbeitenden Betrieben gelernt hat. In seinem Labor misst er von jeder Bodenprobe rund 120 Parameter, um die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Bodens zu bewerten und berät Landwirte mit welchen Stellschrauben sie ihre Bodenqualität verbessern können und stellt klar: »Schwingungen sind für mich nicht messbar, obwohl die Nichtmessbarkeit nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt.«
Der Geschmack des Gemüses liegt zum einen an den einzelnen Züchtungen, in denen einzelne Pflanzen mit gewünschte Geschmackseigenschaften identifiziert werden, die dann für künftige Pflanzen als Eltern dienen. Aber eben auch an den Nährstoffen, die sie aus dem Boden aufnehmen können und der spezifischen Bodenbiologie. Es gibt deswegen nicht nur beim Wein, sondern auch bei Gemüse den sogenannten Terroireffekt. Die unterschiedliche Qualität und auch Zusammensetzung des Bodens und seine mikrobiologischen Effekte haben einen Einfluss darauf, wie das Gemüse schmeckt: Speichert der Boden genügend Wasser, ist er lehmig oder trocken, wieviel Niederschlag gibt es, ist der Boden dank genügend Regenwürmern Sauerstoffreich? Beim Wein wird heute schon oft darüber informiert, ob dieser etwa auf Löss, Schiefer oder Opok gewachsen ist. Diesen Einfluss gibt es auch bei Gemüse.
Die Terroirkarotte
Bereits vor einigen Jahren hat das Experiment »Die Terroirkarotte« begonnen, das derzeit noch labortechnisch ausgewertet wird. Dabei wurden Karotten unter ähnlichen Bedingungen auf verschiedenen Böden angepflanzt und verkostet. Sensorisch wurden unter anderem von Franziska Lerch die kulinarisch sensorischen Eindrücke von möglichst vielen Probanden festgehalten: Die Süße, Nussigkeit, Erdigkeit, Aromen, Negativgeschmäcker, Bitterkeit oder auch Schärfe, aber etwa auch die Fasrigkeit. Diese Eigenschaften von Gemüse spiegeln nicht nur die Züchtung, sondern eben auch den Boden wieder. Den idealen Boden beschreibt Franziska Lerch so: »Boden muss lebendig sein, gut durchlockert und mit der richtigen Krümelstruktur – und das ist das Resultat von Kompost und auch (toten) Pflanzen auf der Erde, die dann von Organismen aufgearbeitet werden. Bei der richtigen Krümelstruktur funktioniert der Boden wie ein Schwamm und kann Flüssigkeiten, aber auch Nährstoffe speichern und wieder abgeben. Genau das braucht das Gemüse.« Eine Pflanze, die so versorgt wird und den Boden dank Fruchtfolge auch nicht einseitig belastet, bringt für sie die Qualität und den langfristigen Ertrag, der gewünscht ist.
»Bei der richtigen Krümelstruktur funktioniert der Boden wie ein Schwamm und kann Flüssigkeiten, aber auch Nährstoffe speichern und wieder abgeben.«
Franziska Lerch, Biobäuerin
Der Floh, Koch und Biogastronom Josef Floh aus Langenlebarn, war gemeinsam mit dem biodynamisch arbeitenden Winzer Bernhard Ott Organisator des »Koch.Campus« der 2023 zum Thema Boden abgehalten wurde. Er arbeitet streng biologisch und auch regional und ist erfreut über Forschungsprojekte wie jene von Unterfrauner und Grand, weil sie versuchen Dinge messbar zu machen, die oft schwer greifbar sind: »Als Gastronom müssen für mich die Qualität und der Geschmack von Gemüse großartig sein. Bis auf die Optik, die hier nicht ausreicht, sind viele Kriterien im Alltag schwammig. Nun wurde gezeigt, dass gesunder Boden dafür sorgt, dass das Gemüse geschmackvoller ist und bessere Qualität hat«.
Er schätzt die Arbeit, wie sie etwa auch in der Arche Noah oder von Koch und Vortragendem Johann Reisinger gemacht wird, die forscht und Zusammenhänge vermittelt und eine außergewöhnliche Geschmacksvielfalt zeigt. Diese mag, wenn wie am »Koch.Campus« über zwanzig verschiedene Spargelsalatpflanzen verkostet werden, nicht alltagsnah sein, aber sie macht für EntscheiderInnen Wissen erlebbar und öffnet den Horizont. Der Floh möchte seinen Gästen, Energie geben und sie nicht nur satt machen. Er ist deswegen hoch erfreut, wenn Projekte etwas, das sonst oft nur subjektiv und leicht mystisch erlebbar ist, mit Analysen und in Studien untermauern , wie der Umstand, dass ein gesünderer, lebendigerer Boden für mehr Geschmack im Gemüse sorgt. Wissen über diese Zusammenhänge wird von den PionierInnen über die (Spitzen-)Gastronomie auch in die privaten Küchen getragen.