Was ist fair an Nordrhein-Westfalen?

Heute startet die viertägige Fair Friends Messe in der Dortmunder Westfalenhalle. Einer der drei Themenschwerpunkte der Messe ist »Fairer Handel«. Und wie steht es in der Region Nordrhein-Westfalen um den fairen Handel?

In NRW engagieren sich einige tausend Menschen für den Fairen Handel.
Engagierte aus ganz NRW beim letzten Vernetzungstreffen der Fairtrade-Towns am 25. Juni 2018 in Köln. Bild: TransFair e. V. / Jakub Cezary Kaliszewski.

Auf der Fair Friends 2018 an diesem Wochenende (6.-9. September) in Dortmund wird fairer Handel ein zentrales Thema sein. Aber was ist damit eigentlich gemeint? Das Forum Fairer Handel e. V., ein 2002 gegründetes Netzwerk für Fairen Handel in Deutschland, wird auf der Messe mit einem Stand (2.A04) in der »Weltladenlounge« in Halle 2 sowie einem Vortrag zur aktuellen Entwicklung und Herausforderungen im Fairen Handel vertreten sein. Auf seiner Website veröffentlichte der Verband die folgende Definition von Fairem Handel, auf die sich 2001 vier Dachorganisationen (FLO / WFTO, ehemals IFAT / NEWS!, heute Teil der WFTO-Europe / EFTA) des Fairen Handels geeinigt haben:

»Der Faire Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzent*innen und Arbeiter*innen – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Fair-Handels-Organisationen engagieren sich (gemeinsam mit Verbraucher*innen) für die Unterstützung der Produzent*innen, die Bewusstseinsbildung sowie die Kampagnenarbeit zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels.«

Bisher ist in den meisten deutschen Supermärkten, so auch in NRW, nur jede zehnte Banane fair gehandelt.

Nur ein Zehntel der in Deutschland erhältlichen Bananen ist fair gehandelt. In einigen niederländischen Supermärkten hingegen werden bereits ausschließlich Fair Trade-Bananen angeboten. Bild: pixabay.com.

Eine der im deutschsprachigen Raum bekanntesten Zertifizierungen für fair gehandelte Waren ist das grün-blaue »Fairtrade«-Siegel der 1992 gegründeten Organisation TransFair e. V. Auch bekannt unter dem Namen »Fairtrade Deutschland«, vergibt dieser unternehmensunabhängige Verein Fairness-Siegel, ohne selbst mit Waren zu handeln. Bei der Fair Friends 2018 ist der Transfair-Stand (2.C02) ebenfalls in Halle 2 zu finden. Des Weiteren wird in Zusammenarbeit mit dem Eine Welt Netz NRW am 7. September ein Workshop zu fairen und nachhaltigen Projekten an Universitäten angeboten.

»NRW ist ein Zentrum des Fairen Handels.« – Kristina Klecko, TransFair e. V.

Die Veranstalter der Fair Friends haben sich den Standort Dortmund ganz bewusst für ihre Messe ausgesucht. Die Stadt liegt mitten im Ruhrgebiet, im Zentrum Nordrhein-Westfalen (NRW), dem deutschen Bundesland mit der höchsten Bevölkerungsdichte, und nah an den BeNeLux-Ländern und Frankreich. Laut Kristina Klecko, Referentin für Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit bei TransFair e. V., sind in NRW deutschlandweit die meisten Unternehmen angesiedelt, die fair gehandelte Produkte vertreiben. Außerdem die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Idee des Fairen Handels vorantreiben, beispielsweise das Netzwerk Faire Metropole Ruhr. In NRW liegt auch der Sitz von TransFair e.V. (Köln) mit seinen 33 Mitgliedsorganisationen und von Fairtrade International (Bonn).

In NRW befinden sich gut ein Fünftel der in Deutschland ausgezeichneten Fairtrade-Towns.

Auf dieser Karte wird im Überblick die Verteilung der in Deutschland bislang ausgezeichneten Fairtrade-Towns, -Schools und -Universities deutlich. Bild: Screenshot von der TransFair e.V.-Website.

Als erstes deutsches Bundesland verpflichtete NRW sich 2016 dazu, die globalen Nachhaltigkeitsziele des UN-Gipfels umzusetzen, die im September 2015 in New York formuliert wurden. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) wurden in 17 Punkten bis zum Jahre 2030 festgelegt.

Der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung zufolge, meint »nachhaltige Entwicklung« recht allgemein formuliert »eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.«

Eine faire beziehungsweise gerechte Wirtschaft spielt dabei eine zentrale Rolle, wie etwa die folgenden drei Punkte auf der Liste der SDGs zeigen:

  • »Armut in all ihren Formen und überall beenden«
  • »Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern«.
  • »Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen«

In NRW befinden sich etwa 180 Aktionsgruppen und Weltläden, Fairhandels-Fachgeschäfte in denen hauptsächlich Ehrenamtliche tätig sind. In den Jahren 2003 und 2005 wurde Dortmund »Hauptstadt des Fairen Handels« und seit 2013 gehört die Stadt gemeinsam mit 36 weiteren Städten, Gemeinden und Kreisen zur ersten Fairtrade-Region in Europa.

Lokal handeln für eine globale Verbesserung

Dortmund ist eine sogenannte »Fairtrade-Town«, von denen es deutschlandweit derzeit über 540 gibt. Gut ein Fünftel davon, nämlich 123, befinden sich in Nordrhein-Westfalen. »Die Kampagnenidee entwickelte sich in Folge der UN-Konferenz in Rio, die zu der Erkenntnis kam, dass globale Veränderung über lokales Handeln initiiert werden kann«, erklärt Kampagnen-Referentin Klecko. Im Jahr 2000 startete die weltweite Kampagne in Großbritannien, Deutschland ist seit 2008 dabei. Leeds, eine britische Partnerstadt von Dortmund, ist seit 2004 als Fairtrade-Town anerkannt.

In NRW gibt es aktuell 123 Fairtrade-Towns.

Die Kampagne »Fairtrade-Towns« läuft aktuell in über 30 verschiedenen Ländern weltweit. Auch in Österreich gibt es einige »Fairtrade-Gemeinden«. Bild: TransFair e. V.

Als Fairtrade-Town können neben Städten auch Dörfer, Landkreise und Inseln ausgezeichnet werden. »Im Rahmen der Kampagnen werden Fairtrade-Towns, -Schools und -Universities mit einer Urkunde ausgezeichnet, um das Engagement von Menschen in den Städten, an Schulen und Hochschulen zu würdigen und zu unterstützen. Diese Auszeichnung unterscheidet sich deutlich von dem klassischen Produktsiegel«, so Klecko.

Muss fairer Handel gelernt sein?

Neben dem Beitrag von Unternehmen und politischen Organen sind offensichtlich auch Bildungseinrichtungen ein wichtiger Faktor, um eine Region oder Stadt als »fair« einzustufen. Gesellschaftlicher Wandel entsteht meist mit einer Idee, einer Vorstellung von der Zukunft und davon, was verändert werden müsste, um diese so zu realisieren. Die Beschäftigung mit dem Thema »Handel« und inwiefern dieser für alle Beteiligten fair oder unfair sein kann, ist somit der erste Schritt zu konkreten Handlungen.

Von der Kindertagesstätte bis zur Universität gibt es daher Kampagnen, bei denen fairer Handel ins Zentrum gestellt wird. In NRW wurden durch TransFair e. V. bisher 152 Schulen von deutschlandweit 518 und drei Hochschulen, von insgesamt 20 in Deutschland, als »Fairtrade« ausgezeichnet. Wie bei den Städten, liegt auch der Anteil der Fairtrade-Schulen in NRW somit bei gut 20 Prozent. Erst im vergangenen Jahr wurde die Hochschule Rhein-Waal als 15. Fairtrade-University bundesweit und als erste in NRW ausgezeichnet. Neben den bereits ausgezeichneten Hochschulen, befinden sich mit der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf, der Universität Siegen und der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft aktuell drei weitere im Bewerbungsprozess.

Bildung zu fairem Handel in NRW.

Im vergangenen Jahr wurde auf der Fair Friends Messe von der Fairtrade Initiative Saarbrücken eine »FAIRE Schulklasse« ausgezeichnet. Bild: Anja Cord / Westfalenhallen Dortmund GmbH.

Auch die Organisatoren der Fair Friends 2018 haben erkannt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema fairer Handel ab dem Kindesalter ist. Der zweite Messetag, der 7. September, ist daher der Tag der Schulen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Ideenwettbewerb für Schüler und Schülerinnen zu der Frage »Wie sieht der Faire Handel im Jahr 2030 aus!?« ausgerufen. Die fünf besten Einsendungen und somit die Gewinner des Wettbewerbs werden am Tag der Schulen ab 16 Uhr in der Weltladenlounge bekannt gegeben.

Fairhandelbare Zukunft

Die Frage, wie fairer Handel in der Region NRW zukünftig gefördert werden kann, wird auch beim »FRIENDS‘ Impact Camp« der Fair Friends 2018 am 6. September eine zentrale Rolle spielen. Dieser offen gestaltete CSR-Fachtag »für nachhaltiges Wirken im Ruhrgebiet« richtet sich an Fachbesucher, die als Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu Beginn selbst die genauen Inhalte und den Ablauf der Tagung entwickeln und mit gestalten können.

Der Eingang zur Fair Friends Messe in Dortmung, NRW.

Im vergangenen Jahr waren über 5000 BesucherInnen bei der Fair Friends. Der Tag der Schulen steht ganz im Zeichen der Bildung zur nachhaltigen Entwicklung und richtet sich an die jüngsten BesucherInnen. Bild: Anja Cord / Westfalenhallen GmbH.

CSR steht für Corporate Social Responsibility, beziehungsweise die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihres Wirtschaftens. Laut der Europäischen Kommission bedeutet das für die Unternehmen, dass sie neben dem Einhalten von Gesetzten, »soziale, ethische, Umwelt-, Verbraucher- und Menschenrechts-Belange in ihre Firmenstrategie und Arbeitsabläufe integrieren«.

Städte müssen fairen Handel stärker fördern

Entscheidende Akteure im globalisierten Handel sind nicht nur international agierende Unternehmen und die Politik, sondern ebenso kirchliche, kulturelle und Bildungseinrichtungen, sowie Verbraucher und Verbraucherinnen. Kristina Klecko von TransFair e. V. fasst die Bedeutung einzelner Regionen für die Förderung des fairen Welthandels folgendermaßen zusammen: »Bis heute spielen Städte und Gemeinden eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung internationaler Entwicklungsstrategien. Globale Gerechtigkeit ist ohne bewusstes lokales Handeln nicht machbar.«

Eine Entwicklung, die noch in den Kinderschuhen Steckt, aber künftig mehr Aufmerksamkeit bekommen soll, ist faire und nachhaltige Beschaffung. Über diese wird bei der Fair Friends 2018 im Rahmen eines Fachtags am 6. September in Panels und Praxis-Workshops diskutiert und informiert. Jährlich werden in NRW durch Landesbehörden und Kommunen rund 50 Milliarden Euro Steuergelder für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen ausgegeben – eine nicht zu unterschätzende Marktmacht, die für die Stärkung des fairen Handels genutzt werden könnte.

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