Urbanes Essen bei der Vienna Design Week

Die Vienna Design Week zeigt Arbeiten zur urbanen Lebensmittel-Versorgung der Zukunft. Inklusive essbarer Mauerflechten, virtuellem Essen und Geschirr für alle Sinne.

Die Designerin Teresa Berger hat die Geschirr-Serie ,Beyond Taste' gestaltet und sich dabei am Konzept der Gastrophysik orientiert. (c) Teresa Berger

“Ein Designer, der gutes Essen nicht schätzt, ist kein guter Designer. Beim Zusammenstellen einer Mahlzeit, ihrer Textur und Farbe, ihres Geschmacks und ihrer Temperatur, geht es um dieselben Belange, die auch die Gestaltung einer Umgebung betreffen.” Dieses Zitat wird dem amerikanischen Interior-Designer Van Day Truex zugeschrieben. Ob gutes Design tatsächlich nur aus der Kreativität von Food Aficionados erwachsen kann, darüber ließe sich streiten. Was jedenfalls stimmen dürfte: Lebensmittel sind ein Designthema, das weit mehr betrifft, als das Inszenieren ausgefallener Gourmetküche. Das unterstreichen sechs Designarbeiten, die im Rahmen der Vienna Design Week 2018 vom 28. September bis 7. Oktober präsentiert werden. Sie wurden im Zuge der departure-Challenge “Urban Food & Design” eingereicht. Gesucht waren Design-Konzepte zur Lebensmittel-Versorgung der Zukunft. Der Hintergrund: In den kommenden Jahrzehnten werden auf der Erde bis zu 10 Milliarden Menschen leben, und davon etwa zwei Drittel Städten. Die wachsenden urbanen Zentren müssen mit Lebensmitteln versorgt werden. Auf die Frage, wie das gelingen kann, wird weltweit nach Lösungen gesucht. Auch von Designerinnen und Designern. In der Ausschreibung hatten Vienna Design Week, Wirtschaftsagentur Wien und Kreativzentrum departure um Arbeiten zu den Themen Urban Production / Urban Nutrition und Future Hospitality gebeten. An die Teilnehmenden wurden konkrete Arbeitsfragen gerichtet. Etwa: Was sind ungenutzte, nährstoffreiche Lebensmittelquellen und wie sind diese zu kultivieren? Wie sieht die Verpackung der Zukunft aus und was kann sie? Oder: Wie sieht das Gedeck, Speisekarte/Speisenfolge, Food Event der Zukunft aus?


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Die sechs ausgewählten Beiträge nähern sich dem Thema auf ganz unterschiedlichen Wegen. Einige der Arbeiten laden dabei auch zu Partizipation ein. So wird das Design-Duo Namuun Zimmermann und Kevin Smeeing während der Vienna Design Week den temporären Kochclub ,Edible Neubau’ eröffnen: Ziel ist es dabei, ein essbares Modell des Bezirks Neubau zu basteln. Jeden Tag soll dazu eine andere Gruppe von Menschen zusammenkommen und ein Modell aus essbaren Materialien wie Wackelpudding oder Schokolade gestalten. Beim Basteln und Diskutieren sollen im Cooking Club Diversität und Gemeinschaft gefördert werden. Gleichzeitig sollen so neue Formen von Tischkultur entstehen.

Im Projekt ,Edible Neubau‘ von Namuun Zimmermann und Kevin Smeeing entsteht ein temporärer Setting, in dem 8-12 Personen den Wiener Bezirk Neubau aus essbaren Materialien nachbauen.

Teresa Berger rückt die junge Disziplin der Gastrophysik ins Zentrum ihrer Arbeit ,Beyond Taste’. Konkret geht es dabei um eine achtteilige Geschirrserie aus Feinsteinzeug für die gehobene Küche. Jedes Teil konzentriert sich auf einen oder zwei Sinne neben dem Geschmack. Denn bei Gastrophysik geht es darum, neben dem Geschmackssinn auch andere Sinne gezielt anzusprechen, wenn Lebensmittel in Szene gesetzt werden. Stephanie Kneissl und Isabel Prade servieren ,Ein virtuelles Essen’. Mit ihrem Projekt wollen sie zeigen, wie Technologie Ess-Gewohnheiten ändert, uns aber auch dabei unterstützen kann, kulinarischen Rituale auch über längere Distanzen hinweg miteinander zu teilen.

Maureen Kägi und Pauline Bouzek setzen ihre Arbeit in engen Bezug zur diesjährigen Festivalzentrale der Vienna Design Week: “Das Gelände des Sophienspitals sehen wir als Chance, gemeinsam ein ortsbezogenes, installatives Setting zu entwickeln, welches in Reaktion auf die Vegetation der Örtlichkeit entwickelt wird.” In ihrem Projekt ,Baking, sprouts and elderflowers, handhandpicked by the map is not the territory’ wird eine begehbare Konstruktion unterschiedliche Raumsituationen eröffnen, die fusioniert mit der lokalen Umgebung als Ausschank für Produkte lokaler Erzeugung dienen soll. Diesen temporäre Architektur soll dabei zur Ressource urbaner Nahrungsmittelgewinnung werden. Auf den Tisch kommt, was auf dem Gelände des Sophienspitals wächst.

Potenzielles Superfood der Zukunft? Julia Schwarz eröffnet in ihrem Beitrag ,Unseen Edible‘ neue Blicke auf die Gelbflechte.

Mit ihrem Beitrag ,Unseen Edible’ wendet sich Julia Schwarz einem potenziellen Nahrungsmittel zu, das jeder vom Sehen kennt, nicht aber vom Schmecken: der Gelbflechte. Die Flechte erobert durch den erhöhten CO2-Ausstoß immer mehr urbanen Raum und ist bisher als Nahrungsquelle kaum etabliert. Die Designerin Andrea Lenardin fokussiert auf die sozialen Aspekte des Essens. ,The Table is a Site Of’ nennt sich ihr Beitrag, in dem es um drei Cs geht: Community, Conviviality und Ceremony. Gemeinschaft, Geselligkeit und Festlichkeit. Ihre Mixed Media Installation geht darauf ein, dass neue, globale und urbane Gesellschaften nach einer neuen Tischkultur verlangen.


Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen BIORAMA und VIENNA DESIGN WEEK. 

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