»Wir waren nicht mal auf der Karte«

Waldviertler BürgerInnen wie Anton Dorfinger aus Dobersberg wehren sich gegen den internationalen Lkw-Transit, der ihre Dörfer lautstark belastet.

Lkw mit leuchtenden Scheinwerfern
Nicht nur der Lärm stört viele WaldviertlerInnen am internationalen Transitverkehrs in ihrer Region, viele haben auch Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder. Bild: Matthias Ledwinka.

BIORAMA: Wie ist es zu der Belastung durch den Transitverkehr gekommen?

Anton Dorfinger: Mit der Grenzöffnung vor fast 30 Jahren haben die Menschen im oberen Waldviertel gehofft, dass es für diesen Landstrich am Eisernen Vorhang wieder aufwärtsgeht. Leider wurde nach der Grenzöffnung in unserem Gebiet die Infrastruktur weiter abgebaut. Beim EU-Betritt Tschechiens 2004 wurde der nur für Lastwagen bis 3,5 Tonnen zugelassene kleine Grenzübergang Fratres zu einem Hauptgrenzübergang erklärt. Damit begann sich eine Lawine von Schwerstlastkraftwagen über kleine Dörfer wie Dobersberg zu ergießen. Die AnrainerInnen waren ab diesem Zeitpunkt Tag und Nacht der Wucht des Transitschwerverkehrs ausgesetzt. Besonders schlimm wurde die über Jahre ständig zunehmende Belastung der Bevölkerung vor Weihnachten 2020.

Sie haben damals verschiedene Aktionen gestartet und sich auch direkt an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gewandt.

Ich habe mich mit betroffenen BürgerInnen ans Gemeindeamt gewandt. Dort wollte man in dieser Sache nichts unternehmen. Deswegen habe ich mich mit einem Brief an die Landeshauptfrau von Niederösterreich gewandt. Die hat mir geschrieben, dass sie die Angelegenheit an den zuständigen Landesrat weitergegeben hat. Man war sehr freundlich, aber wirklich geschehen ist bis heute nichts – außer, dass das Problem allmählich anerkannt wird.

Lkw und Reh
Der Lkw-Verkehr ist nicht nur eine Gefahr für Menschen, sondern auch für Tiere. Bild: Matthias Ledwinka.

Was wird denn durch das Waldviertel transportiert?

Mit dem Abholzen der Wälder im Norden der EU werden riesige Mengen Holz nach Österreich transportiert. Von Österreich wird das Holz bis in die USA und nach China exportiert. Gleichzeitig blieben die Waldviertler Bäuerinnen und Bauern auf ihrem Holz sitzen. Die kleinen ansässigen holzverarbeitenden Betriebe werden nicht mit Material beliefert oder erst zu späten Terminen und hohen Preisen. Das Anliegen der Petition ist daher Ausgewogenheit: Bei aller Wichtigkeit des Verkehrs sollten Menschen doch auch in Gesundheit und mit einer gewissen Lebensqualität leben können. Wir beklagen den Lärm, die Gefährdung durch CO2, Bremsstaub und Reifenabrieb – viele haben Angst um die Sicherheit ihrer Kinder.

Seit Anfang 2021 kann auf transitstopp-waldviertel.at eine Petition gegen den Schwerstverkehr auf der L67 und weiter auf der B36 unterzeichnet werden. Natürlich nicht nur von WaldviertlerInnen. Bild: Matthias Ledwinka.

Ihre Initiative geht weit über Dobersberg hinaus …

Für das Verkehrsproblem im oberen Waldviertel soll Dobersberg tatsächlich nur ein Beispiel sein. Wir DobersbergerInnen haben bald festgestellt, dass diese Verkehrslawine aus dem Norden das gesamte Waldviertel plagt. In den »Niederösterreichischen Nachrichten« Anfang Jänner 2021 erschien ein Artikel über ein Verkehrskonzept für das Waldviertel. Unser Grenzgebiet war nicht einmal auf der Karte, auf der Stellen eingezeichnet waren, wo straßenbauliche Entlastungmaßnahmen vorgesehen waren. Ein Konzept für das obere Waldviertel war nicht angedacht. Nicht einmal eine vorläufige Beruhigung der problematischen Stellen in den Dörfern schien im Gespräch mit der Verwaltung möglich.

Wie sieht die Vernetzung mit anderen Initiativen aus?

»Für uns DobersbergerInnen ist es besonders schmerzhaft, da man erst nach der Grenzöffnung Gleise unserer Zubringerbahnlinie von Waidhofen an der Thaya nach Tschechien weggerissen hat.«

Anton Dorfinger

In den Bezirken Gmünd und Zwettl gibt es längst ähnliche Initiativen. Das gemeinsame Dach all dieser Bestrebungen von Waldviertler BürgerInnen ist der Verein »Lebenswertes Waldviertel«. Über ein zukünftiges Verkehrskonzept herrscht Einigkeit: Holz und ähnliche Güter gehören auf die Schiene! Der Ausbau der Franz-Josefs-Bahn ist oberstes Gebot. Für uns DobersbergerInnen ist es besonders schmerzhaft, da man erst nach der Grenzöffnung Gleise unserer Zubringerbahnlinie von Waidhofen an der Thaya nach Tschechien weggerissen hat. Seitdem donnern überladene Fünfachser, zum Teil auch mit Anhängern, fast ungehindert und fast unkontrolliert durch unsere Dörfer. Die ungeeigneten Straßen in den Dörfern sind stellenweise eingebrochen und werden auch nicht ordnungsgemäß saniert. Gibt es Kontrollen und Einschränkungen auf einer Straße, weichen die Lkw auf benachbarte Routen aus.

Und wie reagiert die Politik in Niederösterreich?

Die Politik und die Verwaltung lassen seit kurzem Hoffnung bei uns aufkommen, dass verkehrsberuhigende Maßnahmen jetzt auch bei uns zur Diskussion stehen, wie etwa eine 30-km/h-Beschränkung für den Transitverkehr bei den Ortseinfahrten. Der Dobersberger Bürgermeister hat sich bereits dafür ausgesprochen. In den anderen Bezirken des Waldviertels sind bereits Radargeräte aufgestellt worden. Dass bei uns etwas geschieht, glaube ich allerdings erst, wenn ich es sehe. Ich wünsche mir, dass auch für den Güterverkehr Kostenwahrheit gilt – und das umfassend und global!

BIORAMA Niederösterreich #8

Dieser Artikel ist im BIORAMA Niederösterreich #8 erschienen

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