»Totholz am Flachdach« von Neubauten

»Wir schaffen Lebensräume für Mensch, Tier und Pflanze«, sagt Michael Herbek, Abteilungsleiter der Projektentwicklung der BUWOG.

Lavagestein am Dach schafft Strukturen und einen Lebensraum für Insekten. (Foto: Landschaftsarchitektur Batik)
(Foto: Landschaftsarchitektur Batik)

Wie werden Neubauten auch für die Tierwelt zum Lebensraum?Michael Herbek: Es liegt in der Natur der Sache, dass Fassaden und Dachflächen, Balkone und Wiesen auch von Tieren besiedelt werden. Wir achten als BUWOG bei Neu- oder Umbauten aber darauf, dass wir bei davor versiegelten Flächen vielleicht sogar neue Lebensräume schaffen. Zuletzt setzen wir beispielsweise nicht auf herkömmliche extensive Flachdachbegrünungen, sondern schaffen bewusst modellierte, nicht ebenflächige Lebensräume und haben auch schon Totholz am Flachdach verankert. Das ist ein besonders artenreicher Lebensraum.

Gibt es auch Menschen, die solche Maßnahmen stören?
Was mache EigentümerInnen oder MieterInnen vielleicht gar nicht freut, weil sie das als Ungeziefer empfinden, aber: In der Fassadenbegrünung gibt es nicht nur Insekten, sondern auch Spinnen. So ist das halt, aber die gehören zu einem natürlichen, artenreichen Lebensraum dazu. In Wien verbauen wir in Abstimmung mit der MA22 auch Nistkästen, die für BewohnerInnen selbst gar nicht sichtbar sind, aber von den Vögeln angenommen werden. Aufklärung ist auch ganz wichtig. Wenn ich ebenerdig Flächen schaffe, die bewusst nur zweimal im Jahr gemäht werden und damit nicht den top-gepflegten Englischen Rasen darstellen, muss ich informieren, dass das keine mangelnde Pflege und »blühendes Unkraut« ist, sondern Lebensgrundlage für z.B. Schmetterlinge. Wir planen Lebensräume – für Menschen und Tiere.

Was passiert bei Sanierungen wenn man weiß, dass Unterschlupfmöglichkeiten für Tiere verloren gehen?
Wir sehen uns immer im Vorfeld genau an, welche Biodiversität vorhanden ist – das gilt für Tiere wie für Blumen und andere Gewächse. Gemeinsam mit Profis sehen wir uns dann an, welcher Zeitpunkt der richtige ist, um Tiere um- oder auch abzusiedeln. Einen Turmfalken, der in einer Uhr genistet hat, haben wir etwa auf ein Nachbarobjekt, das auch uns gehört, umsiedeln können. Wir lernen aus all unseren Projekten, so z.B., dass es mehrere Nistkästen braucht, um Mauersegler anzusiedeln, weil es Schwarmvögel sind. Für symbiotisch lebende Pflanzen wird teilweise quadratmeterweise Mutterboden abgetragen und übersiedelt. Auch Fledermäuse gelingt es gemeinsam mit Profis zu übersiedeln. Wenn man sich rechtzeitig damit beschäftigt, verzögert das auch die Baumaßnahmen nicht. Wichtig ist es, sich nicht überraschen zu lassen.

Michael Herbek (BUWOG) spricht über Neubauten als Lebensräume für Mensch und Wildtier.
Michael Herbek ist Abteilungsleiter der Projektentwicklung der BUWOG. (Foto: Stephan Huger)

Gibt es auch Maßnahmen, mit denen man bewusst zu verhindern versucht, dass sich Tiere wohlfühlen?
Wir achten natürlich darauf, dass es keine Schlupflöcher gibt, durch die Mäuse in ein Objekt gelangen. Aber wie gesagt: Tiere sind Teil der Natur – und ganz verhindern lässt sich das nicht immer.

Können MieterInnen selbst auch bauliche Veränderungen zum Wohl von Wildtieren vornehmen?
Eher weniger. Was auf Balkonen oder Terrassen möglich ist, bleibt eher auf die vorgesehenen Pflanzflächen reduziert. Manchmal muss man leider auch wo eine Baumpflanzungen untersagen, weil andere dadurch im Schatten leben oder das Wurzelwerk eine Garage schädigen würde. Aber wir bieten aktiv Information zur Gartengestaltung, regen an, in der einen oder anderen Ecke Laub für den Igel liegen zu lassen oder dass es – Stichwort Urban Gardening – zum Ernten auch Bestäuber braucht.

Dürfen MieterInnen am Balkon eigentlich Honigbienen halten?
Unsere KundInnen dürfen grundsätzlich Bienen auf ihren privaten Freiflächen ansiedeln, sofern die Bauordnung das zulässt und keine baulichen Veränderungen vorgenommen werden. Das kommt aber auch immer auf die Größe des Bienenstocks und die Art der Freifläche an. Zudem dürfen keine Änderungen am äußeren Erscheinungsbild vorgenommen werden, ebenso muss von den BewohnerInnen dafür Sorge getragen werden, dass das Bienenhotel am Balkon entsprechend gesichert ist und nicht runter fallen kann. In unseren Neubauprojekten fördern wir jedenfalls eher Wildbienen durch Insektenhotels, als Honigbienen, weil diese eher sanfter sind.

Und wie sieht es mit Hühnerhaltung aus?
Die Sache mit den Hühnern ist meist nicht so einfach und hängt in Wien von der Widmung einer Liegenschaft ab. Unsere Projekte haben eine Wohnwidmung und um Hühner und den dazugehörigen Hahn halten zu dürfen, braucht es eine Ackerwidmung.

Die BUWOG baut aktuell v.a. in Wien. Gibt es auch in Niederösterreich auch Vorzeigeprojekte?
Derzeit konzentrieren wir uns v.a. auf Wien, wir haben aber auch Liegenschaften in Niederösterreich – und künftig wird Biodiversität und ganzheitliche Nachhaltigkeit auch dort bei Projekten Thema sein. Wie in Wien werden wir uns mit den Profis vor Ort abstimmen, damit die geschaffenen Lebensräume auch wirklich angenommen werden. Wir lernen von Projekt zu Projekt mit – etwa, dass manche Zugvögel zwei Nistkästen brauchen, weil sie Jahr für Jahr abwechselnd einen davon leer stehen lassen, damit dort eingenistete Parasiten absterben.

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