»Kein Merkmal der Qualität«

Florian Faber und Renee Schroeder

Florian Faber und Renee Schroeder, Bild Lucas Czjzek

Österreich ist Vorreiter bei der Kennzeichnung von gentechnikfrei erzeugten Lebensmitteln. Aber hat die Auszeichnung Sinn oder ist sie ein Marketingkonzept, das mit den Ängsten der Konsumenten spielt?

BIORAMA: Was ist so böse an Gentechnik, dass man sie kennzeichnen muss?

Florian Faber: Die Konsumenten wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel, es gibt eine Kluft zwischen den Vorstellungen der Industrie und den Wünschen der Konsumenten. Mit der genauen Kennzeichnung schaffen wir Wahlfreiheit. Und es gibt keine Langzeitstudie, welche die Unbedenklichkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen belegt.

Renée Schroeder: Ob etwas mithilfe von Gentechnik hergestellt wird oder nicht, sagt nichts über die Qualität des Produkts. Für mich ist das eine Form der Irreführung. Naturbelassen ist nicht das Gleiche wie gesund. Nehmen wir das Beispiel Insulin: Da ist das gentechnisch erzeugte ganz klar das sicherere Produkt, da würde mich interessieren, ob Konsumenten da auch lieber das »natürliche« hätten. Industrie und Technologie haben Lebensmittel sicherer gemacht; das Wachstum der Weltbevölkerung basiert darauf. Ich glaube man hat vergessen, welche Lebensmittelvergiftungen es früher gegeben hat. Und ein Nachweis von völliger Ungefährlichkeit ist Utopie, so könnte man gar kein Produkt auf den Markt bringen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es wirklich um Gesundheit geht; bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln will man absolute Sicherheit und daheim raucht man und ernährt sich katastrophal. Das Problem ist nicht die Gentechnik, sondern die Bewusstseinsbildung.

Gibt es Hinweise, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel für den Konsumenten ein Risiko darstellen?

Schroeder: Langzeitstudien gibt es über die letzten 20 Jahre und es gibt nicht den kleinsten Hinweis auf ein Risiko. Gv-Pflanzen unterliegen auch einer stärkeren Kontrolle. Als Beispiel: Wäre die Kiwi eine gv-Pflanze, wäre sie nie zugelassen worden, weil sie zu viele Allergene enthält. Es geht hier meines Erachtens um ein Scheinproblem, weil einfach keine Gefahr damit verbunden ist.

Faber: Die Mehrheit der Konsumenten kann ja nicht dumm sein.

Schroeder: Konsumenten sind manipulierbar. Sie verkaufen mit der Kennzeichnung Sicherheit, wo von Anfang an keine Gefahr besteht.

Wenn nicht für den Konsumenten, welche Risiken gibt es dann?

Faber:  Es ist noch niemand tot umgefallen, weil er ein gv-Lebensmittel gegessen hat. Aber es gibt viele Hinweise auf ein Risiko. Dank Gentechnik vertragen manche Pflanzen viel Pestizid – es gibt Indizien, dass deren vermehrter Einsatz in den Anbaugebieten von gv-Pflanzen zu erhöhter Kindersterblichkeit führt; da gibt es erste Studien aus Argentinien. Und meines Erachtens noch bedeutender: Der Anbau von gv-Pflanzen schafft Abhängigkeiten. Die Landwirte müssen das Saatgut kaufen, die ganze Industrie macht Druck in Richtung großflächigem Anbau, anstatt in Richtung kleinstrukturiert.

Schroeder: Das einzige Risiko in der Gentechnik ist – wie bei jeder anderen Technologie –, dass sie missbraucht wird.  Natürlich könnte man auch Biowaffen herstellen, man könnte Toxine in Lebensmittel einbringen. Wie überall sonst braucht es also Verantwortung in der Anwendung. Dem gegenüber stehen Millionen Menschen, die von Medikamenten profitieren, die mittels Gentechnik hergestellt werden. Auch die Geschichte mit der Abhängigkeit und der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft, inklusive Pestizide, ist kein Spezifikum der Gentechnik, sondern passiert auch beim konventionellen Anbau. Außerdem wird von Gentechnik-Gegnern oft Kausalität und Korrelation verwechselt. Indizien, wie in Argentinien – so was ist leicht zu machen, beweist aber keinen kausalen Zusammenhang.

Woher kommt dann die Ablehnung? 

Faber: Es gibt ein Misstrauen gegenüber einer Technologie, die ihren Nutzen nie überzeugend kommunizieren konnte.

Schroeder: Da bin ich ganz bei Ihnen.

Faber: Es wurden falsche Heilsversprechen gemacht, beispielsweise, man würde mit Gentechnik den Hunger in der Welt besiegen. In Wirklichkeit wird in erster Linie großindustriell Futtermittel angebaut. Daher sehe ich weltweit den Trend zunehmender Skepsis. Österreich ist mit der genauen Kennzeichnung ein Vorreiter, die breite Produktpalette ist eine Exportchance.

Spricht denn etwas gegen eine Kennzeichnung?

Schroeder: Es spricht im Prinzip nichts dagegen. Aber ich frage mich: Ist es gewünscht aus Überzeugung, dass die Qualität höher ist, oder ist es eine Scheinpolitik: Ein Problem, das nicht wirklich ein Problem ist, aber groß aufgebauscht wird, um dann eine Lösung zu präsentieren.

 

 Ad Personam:

Renée Schroeder, geboren 1953 in Brasilien, ist eine mehrfach für ihre Forschungen ausgezeichnete Molekularbiologin. 2002 war sie Österreichische Wissenschaftlerin des Jahres, 2003 erhielt sie den Wittgenstein-Preis. In den Jahren 2001 bis 2005 war sie Mitglied der Bioethik-Kommission der österreichischen Bundesregierung Sie forscht und arbeitet derzeit in den Max F. Perutz Laboratories in Wien.

Florian Faber ist Geschäftsführer der unabhängigen Plattform ARGE Gentechnik-frei. Die Arbeitsgemeinschaft für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel hat sich zum Ziel gesetzt, die gentechnikfreie Produktion in Österreich (Lebensmittel, Futtermittel, agrarische Produkte) zu ermöglichen, zu fördern und zu unterstützen.

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