Smart Grids: Strom neu nutzen

Wie in weit zurückliegender Vergangenheit kann künftig Energieerzeugung und -verbrauch örtlich beieinanderliegen und doch über Smart Grids ganz neu gesteuert werden.

Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung in der Großstadt.
Auch im urbanen Bereich gibt es immer mehr Ansätze in Sachen erneuerbare Energie. Bild: istock.com/chinaface

Früher war Energieproduktion sehr einfach. Einige wenige Unternehmen betrieben einige wenige große Kraftwerke. Der Strom wurde über Hochspannungsnetze zu den Städten transportiert und dort verbraucht. Nun sind wir hier mitten in einem Wandel. Die Anlagen entstehen dort, wo die Energie – meist Wind oder Sonne – verfügbar ist, sind deutlich kleiner als die etablierten Kraftwerke und speisen vor allem keine konstante oder kalkulierbare Energiemenge in die Netze. Man benötigt Speicherlösungen und Strom muss noch mehr als bisher vom Ort der Produktion zum Ort des Verbrauchs transportiert werden.

Gebaut an Bächen und Flüssen

Noch früher haben wir vorhandene Energie am Entstehungsort genutzt und Mühlen an Bächen und Städte an Flüssen gebaut. Damals war dies notwendig, heute wäre es immer noch effizient. Private Photovoltaikanlagen finden immer weitere Verbreitung und private Stromspeicher sind keine Utopie mehr. Wir benötigen aber eine Integration in die bestehenden Stromnetze – und diese müssen intelligent gemanagt werden.

Smart Grids koordinieren Produktion, Speicherung, Netzeinspeisung und Verbrauch. Letztendlich ist ein Smart Grid ein digitaler Marktplatz für elektrische Energie, die im Gegensatz zur Strombörse auch Privatkunden zugänglich ist. Intelligente Vernetzung ermöglicht angebots- und nachfrageabhängigen Energieaustausch, effiziente und demokratische Energienutzung, einen hohen Grad an erneuerbaren Energien und mitunter Unabhängigkeit von großen Anbietern – sofern die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Strom erzeugen mit Wasserkraft

Früher wurde die Energie, die erzeugt wurde direkt vor Ort genutzt, zum Beispiel mit Mühlen – ein Konzept, dass auch heute wieder aktuell wird. Bild: pixabay.com.

Private Produktion

Möglich sind aber nicht nur private Photovoltaikanlagen, auch Energierückgewinnung über Wärmetauscher, kleine Wasserkraftgeneratoren oder private Windkraftanlagen könnten in Haushalten und für private Unternehmen eine Rolle spielen. Wärmetauscher führen die Abwärme von Anlagen oder Abwasser in eine nutzbare Energieform zurück. Sie werden derzeit primär in Industrieanlagen angewendet. Solche Anlagen in kleinerem Maßstab für eine nicht-industrielle Anwendung wären jedoch möglich. Solarpanels werden ebenso immer kleiner und flexibler und können wie das per Crowdfunding finanzierte Modell »Simon« auf jedem Balkon eingesetzt werden.

Bei der Produktion von schwankender Energie wie Photovoltaik – die Produktion findet statt, wenn die Sonne scheint, der Verbrauch aber mitunter abends und nachts – kann die im Haushalt nicht verbrauchte Energie in das öffentliche Stromnetz abgegeben oder in Heimspeichern für den späteren Verbrauch gespeichert werden. Der wesentliche Vorteil lokal produzierter Energie: In der Regel wird sie ökologisch gewonnen und oft werden dafür bereits vorhandene bauliche Strukturen – etwa Dächer – genutzt.

Teure Speicherung

Bei der lokalen Speicherung von Energie sind große Pumpspeicherwerke ungeeignet, hier werden primär Batteriespeicher angewendet. Die Speicherung von elektrischer Energie ist dabei nach wie vor ein zentrales Problem. Bis vor zwei Jahrzehnten war primär die robuste, aber ineffiziente und wenig haltbare Technologie der Bleiakkus verfügbar.

Gegenwärtig bieten Lithium-Ionen– oder Lithium-Eisenphosphat-Technologien erstmals beständige und effiziente Möglichkeiten zur Speicherung von Strom. Lösungen zur Heimspeicherung sind unter anderem von Tesla und Kreisel zu wirtschaftlich kalkulierbaren Preisen verfügbar. Batteriespeicher bieten zudem den Vorteil, dass sie eine Reaktion auf Strombedarf innerhalb von Millisekunden ermöglichen und »angeworfen« werden können.

Eine alternative Speichertechnologie wäre Power-to-Gas, wobei eine Umwandlung des überschüssigen Stroms per Elektrolyse in Wasserstoff und in der Folge mit CO2 in Methan erfolgt. Kalorische Energieträger sind einfacher speicherbar als Strom und können in vorhandene Gasnetze eingespeist werden. Wasserstoff kann per Brennstoffzelle einfach in elektrischen Strom rückgewandelt werden. Der Gesamtprozess ist aber aufwändig und sein Wirkungsgrad ist relativ schlecht bei etwa 25 Prozent. Bei Verfügbarkeit von kosteneffizienten und wartungsarmen Kleinanlagen wäre jedoch auch diese Technologie denkbar.

Der gegenwärtige Boom im Bereich der Elektromobilität führt nicht nur zu rascheren Entwicklungssprüngen und Kostensenkungen bei Speichertechnologien, sondern vielmehr dazu, dass in Haushalten ein zusätzlicher Batteriespeicher durchschnittlich 23 Stunden täglich ungenutzt in der Garage parkt. Wird das Elektroauto in das intelligente Netz integriert (Vehicle-to-Grid), kann es bei entsprechend intelligenter Nutzung als zusätzlicher Smart-Grid-Faktor eine gewichtige Rolle spielen.

Stadtgestaltung mit erneuerbaren Energien.

Photovoltaik ist auch im privaten Bereich eine beliebte Möglichkeit Strom zu erzeugen und erneuerbare Energien zu nutzen – an der Speicherung hapert es aber noch. Bild: istock.com/peart.

Intelligente Verbindung der Elemente

Im Stromnetz wie auch in lokalen dezentralen Netzen sind sowohl das Stromangebot als auch der Verbrauch variabel und nur bedingt kalkulierbar. Um diese unterschiedlichen Faktoren zu koordinieren, benötigt es intelligente Steuerung, Information und deren automatisierte Verarbeitung.

Die einfachste Variante einer Steuerung, ist eine vom Preis abhängige. Der Preis moderiert den Austausch auf Strombörsen und ein analoges System ist auch für den privaten Teilnehmer möglich. Bei hohem Angebot an Energie ist der Preis gering – oder teilweise sogar negativ – und die Verbraucher können Strom aus dem Netz ziehen oder Stromspeicher aufladen. Bei hoher Nachfrage sinkt das Angebot und der Preis steigt. Mit dem Preis steigt auch der Anreiz, die Energie rückzuführen oder Strom aus den Speichern wieder abzugeben. Die Schwankungen können gering sein und dieser Prozess muss automatisiert werden.

Dazu ist eine Informationsinfrastruktur nötig, die alle Komponenten vom Stromanbieter über den Heimspeicher bis zur Waschmaschine verbindet. Neben flexiblen Stromtarifen ist auch ein Smart Meter, also ein intelligenter Stromzähler, nötig. Und dieser hatte aufgrund potenzieller Sicherheitsprobleme und Datenschutzbedenken keinen glorreichen Start. Das Hacken eines Smart Meters eines Linzer Energieversorgers dauerte aufgrund von Sicherheitslücken nur zehn Minuten.

Fragen nach IT-Sicherheit und Datenschutz

Eine Diskussion über smarte Energiesysteme ist somit untrennbar mit Fragen nach IT-Sicherheit und Datenschutz verbunden. Allerdings werden ähnliche Steuerungsmechanismen längst in anderen Bereichen wie beispielsweise automatisierten Finanzhandelssystemen angewendet. Die Regel ist einfach: Bei niedrigem Preis verbrauche Strom! Ist er hoch, dann versuche, es zu vermeiden! Ziel sollte sein, dass auch unsere Geräte dieser Regel folgen – etwa indem die Waschmaschine zum Zeitpunkt des niedrigsten Preises angewiesen wird, den Waschgang zu starten.

Gegenüber den etablierten Großstrukturen produzieren und speichern Smart Grids die Energie am Ort des Verbrauchs. Eine weitere Form von intelligentem Umgang mit Energie könnte die smarte Konzeption von Standorten sein. Wenn in vorindustrieller Zeit Müller oder Sägewerke ihre Gebäude an Flüssen errichteten, dann taten sie das, um die lokal vorhandene Energie zu nutzen. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit wäre die Bewertung von Standorten anhand der potenziell nutzbaren Energie ein Denkanstoß für Unternehmen und Gemeinden.

Noch kann gestaltet werden

Die Veränderungen in der Stromproduktion finden statt – kleinere Strukturen und Batteriespeicher werden einander ergänzen. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich Elektromobilität gehen in eine ähnliche Richtung. Etablierte Energieanbieter erkennen dies, betreiben Forschungsprojekte mit Batteriespeichern und testen Smart Grids. Womöglich werden sie künftig ihre Rolle nicht mehr als Stromproduzenten, sondern als Energiedienstleister sehen.

Strom soll in Zukunft anders hergestellt und gespeichert werden.

Unternehmen wie Tesla und Kreisel (Bild), aber auch klassische Stromspeicherhersteller wie Varta, bieten immer mehr Speicherlösungen für Eigenheim und keine Unternehmen an. Bild: Kreisel Electric.

Für die Haushalte kann dies zu mehr Kontrolle über die Energieproduktion und einem höheren Anteil erneuerbarer Energien führen. Die Kosten sind nicht direkt vergleichbar, da eine Verschiebung von laufenden Kosten zu langfristigen Investitionen erfolgt. Zusätzlich zur intelligenten Steuerung für den Strom sind flexible Tarife und eine intelligente Haus- und Gerätesteuerung nötig. Die eigene Produktion und Speicherung ist für die Integration ins Smart Grid nicht zwingend nötig, jedoch im Sinne des ökologischen Grundgedankens sehr empfehlenswert.

Neue Rolle für Energieanbieter?

Neben der Elektromobilität können Smart Grids den zweiten großen Umbruch für die Energieproduktion des 21. Jahrhunderts darstellen. Die etablierten Energieproduzenten stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie Automobilhersteller. Sie müssen ihre Rolle in einer veränderten Energiezukunft neu definieren, in der Elektrizität kalorische Energieträger weitgehend ersetzen wird. Großkraftwerke und Hochspannungsnetze können durch Smart Grids entlastet, jedoch auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden.

Der Energiemarkt für Haushalte wird jedenfalls in bestehende Informationsnetze integriert und digital werden. Diese Änderung ruft derzeit neue Mitspieler aus der digitalen Welt auf den Plan, so steigt Amazon gerade in diesem Markt ein. Noch kann dieser Prozess gestaltet werden.

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