Sense siegt über Roboter

Wo ein Garten ist, ist auch ein Rasenmäher – dabei wäre Sensenmähen die bessere Alternative zum Rasenmähen. BIORAMA hat dem Sensenmähguru Karl Katzinger einen Besuch abgestattet um mehr über die Mähtechnik und das dafür nötige Dengeln – eine Technik zum Schärfen – zu erfahren.

Sensenmähen hat gegenüber dem Rasenmähen viele Vorteile, von Artenschutz bis wegfallender Lärmbelästigung.
Mit einer guten Sense kann man sein ganzes Leben lang mähen – vorausgesetzt, man dengelt sie richtig.

Bereits seit über dreißig Jahren wohnt der ehemalige Journalist und Reisebuchautor Karl Katzinger im oberösterreichischen Harrachsthal und mäht die etwa 4.500 m2 Rasenfläche – das ist etwas größer als ein halbes Fußballfeld nach Anforderungen der FIFA – um sein Haus mit der Sense. Damals wurde dort noch von vielen älteren Leuten mit der Sense gemäht, deswegen war das für ihn naheliegend. Heute ist das eher unüblich, in den meisten Gärten finden sich Rasenmäher, Motorsensen oder Rasenmähroboter. Seit über zehn Jahren bietet er Kurse zum Sensenmähen an.

Den Großteil seiner Rasenfläche mäht er erst gegen Juni, wenn die Blumen verblüht sind, um diese den Insekten nicht „wegzumähen“. Denn ein komplett abrasierter Garten ohne Blüten ist für Bestäuber wie Bienen wertlos. Lediglich seinen Garten, also die Fläche, auf der er sich täglich aufhält und auf der seine Obstbäume stehen, mäht er fast täglich, immer einen anderen Teil.

Beim Sensenmähen kommt es auf die richtige Technik an.

Karl Katzinger mäht die Wiesenfläche um sein Haus bereits seit über dreißig Jahren mit der Sense und bietet auch Kurse an.

Was Rasenmähen dem Garten und Tieren darin antut

Für Karl Katzinger gibt es viele Gründe, warum das Sensenmähen dem Rasenmähen überlegen ist. Das Schlimmste am Rasenmähen ist für ihn die Lärmbelästigung:

„Ich habe hier ununterbrochen Lärm von Nachbarn, die Rasenmäher verwenden. In so einem kleinen Ort haben die Leute größere Gärten, mähen ununterbrochen und haben alle Geräte, die Sie sich vorstellen können. Wenn am Ende vom Ort jemand einen Rasenmäher startet, höre ich das. Das stört mich wahnsinnig, wahrscheinlich auch, weil ich diese andere Technik propagiere.“

Außerdem betätigt man sich beim Sensenmähen körperlich und verbringt wertvolle Zeit in der Natur. Auch der soziale Aspekt ist für Karl Katzinger von Bedeutung. Man kann beim Sensenmähen zu zweit oder mehrt arbeiten und sich dabei unterhalten. Sieht man jemanden mit einer Sense, brauche man nur zu sagen: „Hast eh a Schneid?“ und schon hat man Stoff für ein Gespräch.

Was noch viel wichtiger ist, als die vermiedene Lärmbelästigung, sind die ökologischen Vorteile des Sensenmähens, betont der Sensenmähmeister. Er glaubt nicht, dass beim Rasenmähen „irgendein Eidechserl oder eine Blindschleiche oder Bienen bei diesem Hochgeschwindigkeitsantrieb überleben“. Kleintiere, unter anderem auch Igel, können vor Rasenmähern oder Rasenmährobotern oft nicht mehr flüchten und geraten unter die Messer.

Früher wurden in Österreich über hundert verschiedene Sensen hergestellt.

Über die Jahre hat Karl Katzinger viele Sensen aus aller Welt gesammelt. Er probiert immer wieder neue aus.

Einige der Roboter machen, wie Stiftung Warentest bestätigte, nicht einmal vor Kinderhänden oder -füßen halt. Um die Artenvielfalt im Garten zu erhalten und Kleintieren einen Unterschlupf zu bieten, empfiehlt der deutsche Naturschutzbund (NABU) ein paar wilde Ecken stehen zu lassen. Wenn Karl Katzinger Blindschleichen im Gras sieht, schleift er die Sense über den Boden, damit sie die Vibrationen spüren und noch flüchten können.

Dann kommen beim Rasenmähen noch die Abgase dazu, die beim Sensenmähen komplett wegfallen. Eine Sense funktioniert nicht nur ohne dieselbetriebenen Motor, auch die Lieferung ist um einiges einfacher und umweltschonender. Ein Sensenblatt kann mit der Post verschickt werden.

Eine Sense fürs Leben

Hat man eine gute Sense gefunden und pflegt diese richtig, im Idealfall dengelt man sie, kann man damit sein ganzes Leben lang mähen. Denn auch wenn Karl Katzinger mindestens vierzig bis fünfzig Sensen besitzt, benutzt er nicht alle davon. Als Sensenenthusiast hat er mittlerweile eine Sammlung aus aller Welt und probiert immer wieder verschiedene aus. Für das alltägliche Sensenmähen braucht man aber meistens nur ein gutes Sensenblatt, das Generationen überdauern kann. Vorausgesetzt man hält das Stahlblatt frei von Rost und dengelt es regelmäßig.

Da Sensen aus Stahl hergestellt werden, können sie sehr leicht rosten.

Die Sensenblätter, die er gerade nicht in Verwendung hat, verstaut Karl Katzinger sorgfältig, damit sie nicht rosten.

Dengeln bezeichnet eine Technik des Schärfens. In seinen Kursen lehrt Karl Katzinger nicht nur die richtige Technik des Mähens – durch die Krümmung des Sensenblattes muss es in einem Bogen geführt werden, damit es gut schneidet – sondern auch das Dengeln. Diese Technik zu erlernen, sei viel wichtiger als das Mähen selbst, da ein Sensenblatt bereits vor der ersten Verwendung gedengelt gehört und danach nach Bedarf, wenn das Blatt stumpf wird.

Dengeln funktioniert so, als würde man Metall kalt schmieden. Man hat einen sehr kleinen Amboss und einen Hammer und hämmert den Rand des Sensenblattes so lange bis er wieder dünn und scharf ist. Danach kann man auch mit einem Wetzstein nachschleifen. Dengelt man falsch, kann das Blatt Wellen bekommen und es würde Tage dauern, es wieder in einen verwendbaren Zustand zu bekommen. Heute könne das Dengeln, laut Karl Katzinger, fast keiner mehr: „Das haben nur die alten Männer noch gekannt und wer das selbst ohne Einschulung probiert, ruiniert sich sofort die Sense.“ Gelernt hat er das Dengeln von alten Nachbarn und durch „learning by doing“.

Die Kunst des Sensenschmiedens

Mittlerweile gibt es nur noch eine Firma in Österreich, die Sensen herstellt: die Firma Schröckenfux in Roßleithen. Sensen aus anderen Ländern sind zwar billiger, aber meistens schlecht geschmiedet und praktisch nutzlos, meint Karl Katzinger. Früher hätte die Firma noch über hundert verschiedene Modelle produziert „und die sind exportiert worden in die ganze Welt, also von Chile bis in die Mongolei“. Und jedes Land hatte andere Anforderungen an die Länge, Breite oder Krümmung des Sensenblattes. Heute wird hauptsächlich noch nach Russland, Persien und Ägypten exportiert.

Zum Dengeln braucht man den richtigen Hammer.

Beim Dängeln hämmert man die stumpf gewordene Sense so lange, bis sie wieder dünn und scharf ist. Danach kann man sie eine Zeit lang mit einem Wetzstein nachschleifen.

Jedes Sensenblatt muss per Hand gefertigt werden. Am Anfang steht ein Rohling, der wie ein zwei Zentimeter breites Stahlband aussieht. Dieser wird zuerst in einer Esse geglüht und dann vom Sensenschmied anhand einer Vorlage mit einem pressluftbetriebenen Hammer geformt. Danach muss das Sensenblatt „noch von mindestens zehn anderen Experten in die Hand genommen werden zur Weiterverarbeitung.“ In den weiteren Arbeitsschritten werden noch der richtige Bogen und eine Nase – über die das Blatt mit dem Sensenstiel, der sogenannten Worbe, verbunden wird – geschmiedet und das Blatt getupft, geschliffen und gehärtet.

„Jedes Blatt ist eine Einzelanfertigung. Es schneidet auch nicht jedes gleich gut. Ein Winkel kann ein bisschen anders sein, oder es ist nicht ganz dünn hinausgeschmiedet. Das merkt man erst, wenn man es benutzt.“

Die Vorteile des Sensenmähens, oder viel mehr die Nachteile des Rasenmähens, sind unbestreitbar, vor allem für Karl Katzinger. Aber er weiß auch, dass sich viele Menschen nicht vom Komfort, den Rasenmähen bietet, abwenden würden, auch nicht bei ihm im Ort: „Das wissen schon alle, aber je mehr ich das propagieren würde, desto mehr würden sie rasenmähen. Nicht ein einziger Mensch hier würde auf diese Technik umsteigen.“

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