Re-Cycle

Gutes Rad ist teuer? Nicht unbedingt. Eine kleine Anleitung für den Gebrauchtfahrrad-Kauf.

Dreihundert Euro. Das ist der Betrag, den die meisten Menschen in meinem näheren Umfeld für ein rein als Fortbewegungsmittel genutztes Alltagsfahrrad ausgeben würden. Ein Betrag, den man für einen vernünftigen Neukauf gut und gerne verdoppeln bis verdreifachen müsste. Und nein, da hilft auch das Umrechnen in alte Währungen nix. Die ehrliche und persönliche Empfehlung in diesem Preissegment muss daher unweigerlich immer auf den Gebrauchtkauf hinauslaufen.

Was suche ich?

Ehrlich fährt am längsten. Verständlicherweise richtet man als unbedarfter Suchender gerne sein Hauptaugenmerk auf die Optik. Diese sollte jedoch ganz weit hinten gereiht werden, denn was neidische Blicke auf sich zieht, lockt auch unnötig Diebe an. Man will das Rad ja schließlich uneingeschränkt nutzen und somit auch jederzeit abstellen können, ohne es dabei ständig im Augenwinkel behalten zu müssen. Ein schnittiger Rennrad-Klassiker, das schicke Waffenrad oder ein ehemaliges Downhill-Weltcup-Gerät sind vielleicht schön anzusehen, als Commuter allerdings eher unbrauchbar.

Eine vernünftige und günstige Ausgangsbasis bilden hierfür zum Beispiel die derzeit noch ungeliebten Mountain- und Trekkingbikes früherer Jahre, noch zur Gänze ohne Federelemente ausgestattet. Das hält die Wartungsintensität in Grenzen und spart obendrein noch an Gewicht. Überdurchschnittlich stabil ausgeführt trotzen sie jeder unachtsamen Abstell- und Anlehn-Aktion, jeder unvorhersehbaren Gehsteigkante und wurden zumeist noch mit haltbaren Anbauteilen ausgestattet.

Wo suchen?

Der lokale Kleinanzeigen-Dschungel, dezidierte Fahrradflohmärkte auf öffentlichen Veranstaltungen oder der »Mistbasar« der örtlichen Müllabfuhr gelten als gutes Terrain für die Gebrauchtrad-Suche. Internet-Auktionshäuser sind für unerfahrene Käufer weniger zu empfehlen, da eine Besichtigung in den meisten Fällen nicht möglich ist und ein etwaiger Versand das vielleicht günstig erscheinende Höchstgebot schnell einmal verdoppeln kann. Als beste Quelle gilt aber immer noch der eigene Bekannten- und Verwandtenkreis. Herumfragen hat schon so manchen feinen Scheunenfund ans Tageslicht geführt und das zumeist noch für mau.

Und die Details?

Um ein klein wenig mehr über das Modell zu erfahren, dienen Aufschriften auf dem Rahmen, Schaltungskomponenten, Bremsen und Felgen als Suchbegriffe für kurze Internet-Recherchen. Hierbei sind oft schon kleine zusätzliche Buchstabenkombinationen ausschlaggebend. Das Ziel der Recherche sollte aber weniger auf ein ehemaliges Topmodell abzielen, sondern vielmehr No-Name-Produkte geringer Qualität ausschließen zu können. Je mehr über ein Fahrrad im Netz zu finden ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, sich kein Baumarkt-Rad einzutreten.

Fahrräder werden für gewöhnlich in viele verschiedene Rahmengrößen unterteilt. Um sich hier nicht schon im Vorhinein den Spaß am Fahren zu verderben, sollte man bei der Wahl keine Kompromisse eingehen. Anleitungen zur Ermittlung gibt es im weltweiten Netz unzählige, als besonders einfache und für gut befundene Variante sei hier Grant Petersons PBH-Messung empfohlen. (www.rivbike.com)

Die Besichtigung

Um den Zustand eines Fahrrads vor Ort bestimmen zu können, muss man kein Mechatroniker sein. Oft reicht schon eine Probefahrt mit geschärften Sinnen und ein paar normal zur Drehachse durchgeführte Ruckeltests an allen rotierenden Teilen wie dem Lenklager, den Kurbeln und den Laufrädern. Hier gilt es abzuwägen: Eine rostige Kette sollte kein Ausschlussgrund sein, eine Laufrad mit starkem Seitenschlag schon.

Was darf es kosten?

Eine ganz gut zutreffende Faustregel lautet, dass das Gebrauchtfahrrad in fahrbarem Zustand ein Drittel von dem Betrag kosten darf, den man schlussendlich auszugeben plant. Denn um das Ausgangsmaterial auf ein gutes Alltagsfahrrad hoch zu rüsten, bedarf es noch ein paar weiterer Schritte und Investitionen.

Der Aufbau

Um das Projektrad alltags- und straßentauglich zu machen, sollte man schlichtweg seine Gewohnheiten bedenken. Würde ich in oder nach einem Regenguss fahren, sollten Schmutzfänger auf die Einkaufsliste. Trage ich für gewöhnlich eine Tasche bei mir oder plane ich auch Einkäufe mit dem Rad zu erledigen, ist ein Gepäckträger und ein Korb recht praktisch. Möchte ich auch in der Dämmerung oder nachts unterwegs sein, ist ein Beleuchtungsset unabdingbar. Auch auf das unverzichtbare Schloss sollte hier nicht vergessen werden. Beim Kauf über große Online-Shops wie bike-components.de kann man gegenüber dem Fachhandel viel Geld sparen, muss sich jedoch ganz ohne Beratung durch die Produktlisten quälen.

Hilfe von Experten

Zu guter Letzt darf auf die Verschleißteile nicht vergessen werden. Oft sind Schläuche undicht, Mäntel porös, Bremsbacken abgeschliffen, Bowdenzüge zu erneuern und die Schaltung zu justieren. Wer seiner Einschätzungsgabe ab hier nicht mehr vertrauen möchte und bei der Montage Hilfe benötigt, wird am besten den Weg zum Fachhandel antreten. Dort angekommen, sollte man sich dann noch einen ordentlichen Sattel in der richtigen Breite empfehlen lassen und sein Taschengeld in Griffgummis in Lieblingsfarbe investieren. Das könnte auch die Haltung der Angestellten zu den selbst mitgebrachten Ersatzteilen positiv stimmen.

 

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